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FOKUS ERNÄHRUNGSMEDIZIN
Kurz vorgestellt
SVDE – Schweizer Verband der Ernährungsberater/innen
Der SVDE ist ein unabhängiger Berufsverband der gesetzlich anerkannten Ernährungsberaterinnen und Ernährungsberater der Schweiz. Er wurde 1942 gegründet und zählt über 1600 Mitglieder, rund 80% der gesetzlich anerkannten Ernährungsberater/innen sind im Verband. Im Gespräch mit Frau Dominique Rémy, Vorstandsmitglied Professionsmarketing SVDE.
(Foto: zVg)
Zur Person
Dominque Rémy Dominique Rémy ist Ernährungsberaterin HF SVDE mit den Zusatzausbildungen Ernährungs-psychologische
Beraterin IKP und Psychosoziale Beraterin mit eidg. Diplom. Sie arbeitet
am Zentrum für Ernährungsmedizin und -therapie am Kantonsspital Winterthur.
In der SVDE ist sie im Vorstand für den Bereich Professionsmarketing zuständig, und in dieser Funktion
ist sie Mitglied in unserem Herausgeberbeirat.
Wie hat sich der Ausbildungsgang in Ernährungsberatung verändert? Dominque Rémy: Bis 2007 erfolgte die Ausbildung an einer höheren Fachschule, nun ist es ein Bachelorstudium an einer Fachhochschule. Der Beruf des Ernährungsberaters/der Ernährungsberaterin hat sich stetig weiterentwickelt. Das Curriculum und der Inhalt der Ausbildung berücksichtigen und unterstützen diesen Wandel. Deutlich erkennbar ist dies an der vertieft wissenschaftlichen Ausrichtung des Studienganges «Ernährung und Diätetik». Der Studiengang beginnt mit einem intensiven Grundstudium von Physiologie und Anatomie. Die Theorie wird durch ein mehrwöchiges Praktikum pro Semester ergänzt. Nach der Prüfung folgt ein viertes Jahr mit praktischer Arbeit, das für den Abschluss Bachelor Ernährung und Diätetik obligatorisch ist. Um über die Grundversicherung der Krankenkasse OKP (obligatorische Krankenpflegeversicherung) abrechnen zu können, braucht es eine kantonale Bewilligung zur Erlangung einer ZSR-Nummer. Die Bedingungen für die Berufsanerkennung sind kantonal unterschiedlich.
Heute sind eine Weiterentwicklung mit fachlicher Spezialisierung (z.B. CAS in Ernährungspsychologie, Nahrungsmittelallergien, klinischer Ernährung) auf dem Fachgebiet der Ernährung sowie ein Master und PhD möglich. Mit einem Master besteht die Möglichkeit, ähnlich einem Facharzttitel, sich zu sogenannten «Advanced Practice Dietitians» (APDs) zertifizieren zu lassen, was «Advanced Practice Nurses» im Bereich Pflege entspricht. APDs arbeiten vorwiegend im stationären Bereich, inzwischen gibt es aber auch Vorreiter APD in der ambulanten Versorgung.
Wie kann man die Qualität einer Ernährungsberatung beurteilen? Als gesetzlich anerkannte Ernährungsberater/ innen nach dem Krankenversicherungsgesetzt (KVG Art. 58a) sind wir zur Qualitätssicherung unserer Arbeit und der fortwährenden Fort- und Weiterbildung verpflichtet. Mit dem Beitritt zum Verband verpflichten sich unsere Mitglieder, dies zu erfüllen und den Nachweis zu erbringen, den wir in regelmässigen Intervallen kontrollieren.
Als Zuweisende oder Patienten achten Sie idealerweise auf unser Label «Ernährungsberater/in SVDE», welches nur unsere Mitglieder tragen dürfen.
Welche Ausbildungswege gibt es in der Schweiz? In der Schweiz gibt es drei Ausbildungswege, um den Titel «Bachelor in Ernährung und Diätetik» zu erlangen. Die Berner Fachhochschule und die HES-SO in Genf bieten einen Vollzeitstudiengang an, die Fernfachhochschule Schweiz einen Teilzeitstudiengang.
Wie arbeiten Sie mit anderen Gesellschaften und Verbänden zusammen? National arbeiten wir mit Partnerverbänden wie der GESKES (Gesellschaft für Ernährungsmedizin und Metabolismus Schweiz), SGE (Schweizerische Gesellschaft für Ernährung) und SWAN (Swiss Academic Nutritionists) zusammen. Ein Teil unserer Mitglieder unserer Fach-, Interessens- und Regionalgruppen engagieren sich in verschiedenen interprofessionellen Gremien.
International stehen wir in regelmässigem Austausch mit unseren deutschen und österreichischen Berufsverbänden, mit denen
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jedes Jahr der NUTRITION-Kongress veranstaltet wird. Des Weiteren haben wir Beziehungen zu der ICDA (International Confederation of Dietetic Associations), EFAD (European Federation of the Associations of Dieticians) und der ESPEN (European Society for Clinical Nutrition and Metabolism).
Wie hat sich das Berufsbild verändert und vor welchen Herausforderungen steht die Ernährungsberatung? Der Wirkkreis der Ernährungsberater/innen SVDE umfasst heutzutage ein grosses Spektrum an verschiedenen Fachgebieten. Neben den bekannten Indikationen wie Adipositas, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes oder Dyslipidämie wird der wirksame Einsatz in weniger bekannten Bereichen wie Frauengesundheit (z.B. Endometriose, PCOS), ADHS, Depression etc. immer wichtiger.
Viele Patienten sind heute, zum Teil sehr gut, über Ernährungsthemen informiert. Daher gibt es im beratenden Bereich eine Verschiebung weg von reiner Wissensvermittlung hin zu einer ernährungspsychologischen Begleitung. Diese unterstützt vor allem den Veränderungsprozess, um das vorhandene Wissen besser im Alltag inte grieren zu können.
Die grössten Veränderungen des Berufsbildes sind, neben der Akademisierung des Ausbildungsgangs, die breiteren Einsatzbereiche der Absolventen. Neben dem bekannten beratenden Berufsbild stationär in Spitälerrn/Kliniken oder ambulant in Praxen gibt es vermehrt Kolleginnen und Kollegen, die in den sogenannten RIPE-Arbeitsfeldern (Research, Industry, Public Health und Education) tätig sind. Mögliche Arbeitsorte sind hier Gemeinschaftsgastronomie, in der Lehre und Ausbildung, aber auch an Schulen oder in der Gesundheitsförderung.
Als Herausforderung unserer Berufsgruppe stehen auch wir vor einem Fachkräftemangel. Im letzten Jahr konnten wir einen grossen Erfolg mit der Anpassung der Tarife erreichen. Eine Fortsetzung mit der Anpassung der Tarifstruktur wird eine zukünftige Herausforderung für den SVDE darstellen.
Für den stationären Bereich ist die vertiefte medizinische Ausbildung wichtig. Hier bietet der Beruf der Advanced Practice Dietitians ein neues Karrieremodell, dass es zu etablieren gilt. Die APDs sind eingebunden in stationäre klinische Teams und übernehmen in ihrem Bereich Führungspositionen. Ihre Arbeit umfasst sowohl Patientenkontakt, aber auch Forschungsaufgaben. Im Spital dürfen APDs über Ernährungsinter-
ventionen entscheiden und sollen so die Ärzte entlasten. In der Schweiz gibt es bereits etwa ein Dutzend APDs.
Für die neuen Berufsfelder in den RIPEArbeitsfeldern existiert noch wenig Wissen über den möglichen Einsatzbereich unserer Berufsgruppe. Hier besteht sicher noch viel Potenzial, z.B. in Senioren- und Pflegeheimen, der beruflichen Gesundheitsförderung oder Prävention im Kinder- und Jugendbereich. Ernährungsberater/innen SVDE können nicht nur das Küchenpersonal schulen und Vorträge halten, sondern auch konzeptionell in der Entwicklung von gesundheitsfördernden Strategien mehr eingebunden werden. Dieses Wissen und Können gilt es vermehrt einzubringen!
Das Interview führte Barbara Elke.
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