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BERICHT
(Foto: vh)
Gewichtsverlust im Alter
Sofort reagieren!
Für eine effiziente Knochenbruchprävention braucht es nicht nur Kalzium und Vitamin D. Auch ein Gewichtsverlust sollte im Alter mit einer Proteinsupplementierung schnell ausgeglichen werden, denn sonst drohe ein zusätzlicher Muskelmassenverlust, erklärte Prof. Heike Bischoff-Ferrari, Universitäre Altersmedizin, Universitätsspital Zürich, am 4. Alterstraumatologiekongress in Regensdorf.
Eine vorausschauende Knochenbruchpräven-
tion beginnt bei Personen ab 65 Jahren. Das
Konzept besteht darin, der Osteoporose sowie
der Sarkopenie vorzubeugen. Die Mittel dazu
bestehen aus Muskeltraining, gezielter Ernäh-
rung sowie der Verabreichung von Supplemen-
ten wie Vitamin D 800 IE oder einer Kombina-
tion aus Kalzium 500 mg und Vitamin D 800
IE, falls der tägliche Kalziumbedarf von etwa
Prof. Heike Bischoff-Ferrari
1000 mg nicht über die Ernährung abgedeckt werden kann.
Bei älteren Personen ist das Risiko einer Mal-
nutrition hoch. Die mit dem Alter ohnehin um 40 Prozent ab-
nehmende Muskelmasse (1) geht noch schneller zurück. Ge-
mäss einer Untersuchung im Universitätsspital Zürich weist
etwa die Hälfte der infolge Alterstrauma hospitalisierten,
über 70-jährigen Patienten eine Malnutrition auf. Es entsteht
ein Teufelskreis. Denn ein Gewichtsverlust bei älteren Perso-
nen ist häufig mit einem irreversibel verlängerten Sättigungs-
gefühl verbunden. Das illustriert eine bereits ältere Studie bei
Männern: Nach 21 Tagen verminderter Kalorienzufuhr durf-
ten die Studienteilnehmer während 46 Tagen unlimitiert
essen. Während die jungen Männer nach der Gewichtsver-
lustphase wieder an Gewicht zulegten, blieb bei den älteren
Teilnehmern die Gewichtsbilanz auch nach der zweiten Phase
negativ (2). «Das heisst, man muss bei älteren Patienten mit
Gewichtsverlust sofort reagieren», betont Bischoff-Ferrari.
Mit Proteinen supplementieren
Dass die älteren Menschen im Spital oder anderswo genü-
gend essen, muss ein wichtiges Ziel sein. Dabei ist auf eine ge-
nügende Zufuhr von Proteinen als Baustein von Muskel und
Knochenmatrix von täglich 1,5 g/kg KG zu achten. «Ge-
KURZ & BÜNDIG
Malnutrition erkennen und behandeln.
Proteinsupplementation mit Molkeprotein.
Vitamin D 800 IE/Tag supplementieren.
Kalizumzufuhr 1000 mg/Tag über die Ernährung. Falls nicht sichergestellt, mit 500 mg Vitamin D 800 IE supplementieren.
brechliche alte Personen kommen nicht einmal auf die Hälfte. Über die Ernährung ist das nicht zu schaffen, es braucht dazu Supplemente», so Bischoff-Ferrari. Dass das funktioniert, belegte eine Studie mit durchschnittlich 81-jährigen Hüftfrakturpatienten mit einer Proteinsupplementation von täglich 1 g/kg KG oder Plazebo während eines Jahres. Neben einer signifikanten Zunahme des Wachstumshormonspiegels IGF-1 zeigte sich auch eine signifikante Stabilisierung der Hüftknochendichte, während diese in der Plazebogruppe sank. Die Interventionsgruppe hatte überdies gegenüber der Plazebogruppe eine 40-prozentige Reduktion der Anzahl Rehabilitationseinheiten (3). Möglicherweise handle es sich dabei um einen Muskeleffekt, wie BischoffFerrari vermutet. Eine Supplementierung mit Protein, insbesondere leucinreichem Molkeprotein, hat gemäss der Expertin einen antientzündlichen Effekt, einen Effekt auf IGF-1 plus einen direkten stimulierenden Effekt auf die Mukelproteinsynthese. Eine Metaanalyse mit 16 randomisierten, kontrollierten CrossoverStudien mit gesamthaft 999 Personen über 65 Jahre untersuchte den Effekt von leucinreichem Proteinsupplement versus Plazebo. In der Interventionsgruppe stieg das Körpergewicht gegenüber der Kontrollgruppe signifikant um 1 kg an, die Muskelmasse ebenfalls signifikant um 1 kg. Ein besonders guter Effekt zeigte sich in der Subgruppe mit Personen mit bereits manifester Sarkopenie (4).
Womit supplementieren?
Molke, ein Abfallprodukt aus der Käseproduktion, eignet
sich gemäss Bischoff-Ferrari gut für die Supplementierung.
Es ist reich an Leucin, einer am Muskel anabol wirkenden
Aminosäure, gut verträglich und am besten belegt bezüglich
Muskelmassengewinn. Eine Dosis-Wirkungs-Studie zeigt,
dass es minimal 20 g Molkeprotein (whey protein) braucht,
um die Muskelsynthese zu erhöhen. 40 g brachten den besten
Benefit (5). Empfohlen ist von der PROT-AGE-Studien-
gruppe eine tägliche Menge von 1–1,2 g/kg KG in Kombi-
nation mit Muskeltraining. Patienten mit akuten oder chro-
nischen Erkrankungen, mit Ausnahme von chronischer
Nierenerkrankung (≤ 30 ml/min GFR), benötigen sogar
mehr: 1,2–1,5 g/kg KG (6).
s
Valérie Herzog
Quelle: «Basistherapie Osteoporose/Sarkopenie: Ernährung und Supplemente», 4. Alterstraumatologiekongress in Regensdorf, 23. März 2018.
Literatur unter www.arsmedici.ch.
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ARS MEDICI 17 | 2018
BERICHT
Referenzen: 1. Lexell et al.: What is the cause of the ageing atrophy? Total number, size
and proportion of different fiber types studied in whole vastus lateralis muscle from 15- to 83-year-old men. J Neurol Sci 1988; 84: 275–294. 2. Roberts SB et al.: Control of food intake in older men. JAMA 1994; 272: 1601–1606. 3. Schürch MA et al.: Protein supplements increase serum insulin-like growth factor-I levels and attenuate proximal femur bone loss in patients with recent hip fracture. A randomized, double-blind, placebocontrolled trial. Ann Intern Med 1998; 128: 801–809. 4. Komar B et al.: Effects of leucine-rich protein supplements on anthropometric parameter and muscle strength in the elderly: a systematic review and meta-analysis. J Nutr Health Aging 2015. 5. Yang Y et al.: Resistance exercise enhances myofibrillar protein synthesis with graded intakes of whey protein in older men. Brit J Nurition 2012. 6. Bauer J et al.: Evidence-based recommendations for optimal dietary protein intake in older people: a position paper from the PROT-AGE Study Group. J Am Med Dir Assoc 2013; 14: 542–559.
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