Transkript
BUCHTIPP
Allergologie in Klinik und Praxis
Das hervorragend ausgestattete Lehrbuch der Allergologie in höchster Papierqualität und mit übersichtlichen, blau unterlegten Tabellen (27 mit vielen Untergruppen) und Abbildungen (Schemata) beziehungsweise mit klinischen Schwarz-weiss-Abbildungen (26 mit vielen Untergruppen), geht auf eine 2006 erschienene und sehr beliebte Version im Kitteltaschenformat des Erstautors Prof. Axel Trautmann, Universitätsklinikum Würzburg, zurück. Das Konzept des Fachbuches ist es, einen Überblick über Allergologie und klinische Immunologie zu geben, insbesondere weil dies in Deutschland ein «Querschnittsfach» ist. Dort beanspruchen Pädiater, Hautärzte, Pneumologen, HNO-Ärzte und Gastroenterologen jeweils ein Segment der Allergologie für sich, während hier in der Schweiz der Facharzt FMH für Allergologie und klinische Immunologie etabliert ist. Im einleitenden ersten Kapitel werden prägnant die Prinzipien der Allergiediagnose, der Allergietherapie und der Allergieanamnese und Untersuchung dargestellt. Es folgen wichtige allgemeine und spezifische Informationen über die Allergiekrankheiten, eine tabellarische Klassifikation nach der WHO-ICD-10-Klassifikation, praktische Tipps für die Patienteninformation, inklusive schriftliche Textvorlagen (z. B. über Immuntherapie, Epikutantestung, orale Provokationsteste usw.), Internetadressen für Allergologen und Hinweise auf deutschsprachige und internationale Journals und Internet-Datenbanken. Was dem Rezensenten besonders gut gefällt und er in keinem anderen Fachbuch gelesen hat, ist ein lesenswertes Unterkapitel über ärztliches Denken und Handeln, das mit kritischen Auszügen aus dem 1927 erschienenen Buch des Zolliker Psychiaters Eugen Bleuler «Das autistisch-undiszipliniertes Denken in der Medizin und seine Überwindung» versehen ist. Das zweite Kapitel vermittelt auf etwa 20 Seiten prägnant, mit übersichtlichen Schemata, Tabellen und Graphiken die immunologischen Grundlagen der Hypersensitivitätsreaktionen, die immunologischen Untersuchungsmethoden, die Klassifikation der allergischen Reaktionen und die daran beteiligten Zellen, Komplementfaktoren, Zytokine und Chemokine bis hin zu den Transkriptionsfaktoren, den «Biologicals» und der Allergiegenetik. Es folgt in den Kapiteln 3 bis 11 die Besprechung – evidenzbasiert und praxiserprobt – der verschiedenen allergischen Krankheiten (von der Rhinitis über die Photodermatosen), gegliedert nach Anamnese, Symptomen, Differenzialdiagnose, Labor, Testmethoden und Therapie. Die besondere Problematik der Bienen-und Wespengiftallergie, der Nahrungsmittelreaktionen, der Naturlatexallergie und der Reaktionen auf Arzneimittel mit vielschichtigen Krankheitsbildern (Hypersensitivitätssyndrom DRESS, toxische epidermale Nekrolyse TEN, inkl. Impfnebenwirkungen) werden in den Kapiteln 12 bis 15 detailliert besprochen. Hämolyse und Zytopenien, Immunkomplexkrankheiten, Immundefekte und Berufskrankheiten werden in eigenständigen Kapiteln (Kap. 16–19) abgehandelt ebenso die besonderen Situationen der Allergien in der Schwangerschaft (Kap. 20) und im Kindesalter (Kap. 21). Es folgen Exkurse in die Umweltmedizin (Kap. 22), für welche als andauernde Herausforderung eine Abgrenzung gegenüber fragwürdigen Institutionen («Umweltklinik») und sinnlosen Untersuchungen besteht, und in die psychogenen Symptome (Kap. 23). In Anbetracht des stetig zunehmenden Angebots an Naturheilmethoden, alternativen Diagnose- und Behandlungsmassnahmen oder auch Wunderlichem in diesem Bereich, wird zu wenig auf komplementäre und alternative Methoden eingegangen. Dieser Thematik wird lediglich eine knappe halbe Seite gewidmet, mit wenigen Definitionen und einer Tabelle mit 11 wissenschaftlich nicht evidenzierten Methoden, welche von allergologischen und immunologischen Fachgesellschaften in Positions-
papieren als pseudowissenschaftlich und nicht überprüft beurteilt wurden und trotzdem immer noch von gewissen Ärzten angeboten und von Patienten – häufig parallel zu schulmedizinischen Therapien – konsumiert werden. Nach einem wichtigen Kapitel zur primären, sekundären und tertiären Allergieprävention (Kap. 24) kommt – hier eigentlich als «Fremdkörper» – das Kapitel über Mastozytose und Flush-Syndrome, das eigentlich früher, zum Beispiel nach den Photodermatosen, hätte platziert werden sollen. Es folgt eine Anleitung über Notfalltherapie (Kap. 25) und am Schluss, vor der Literaturliste mit 121 Zitaten, ein akribisch zusammengestellter Allergenkatalog in Tabellenform, gegliedert in chemische Substanzen (irritativtoxische Chemikalien und allergene Chemikalien), allergene Pflanzen (vor allem durch Pollen), allergene Pilze und allergene Tiere, alle nach Systematik in Stämme/Ordnungen, Familien und Gattungen/Arten mit lateinischen Namen und mit deutscher Übersetzung aufgeführt. Ein sorgfältig zusammengestelltes Sachverzeichnis – öfter nur mit Angaben der lateinischen Nomenklatur – erlaubt, sich schnell in das gesuchte Thema einzulesen. Trotz des relativ hohen Preises sollte dieses auf den aktuellen Stand überarbeitete und umfassend erweiterte Lehrbuch mit Einbezug der aktuellen ärztlichen Leitlinien nicht nur angehenden Allergologen und Fachspezialisten, die sich in ihrem «Allergiegebiet» vertiefen möchten, sondern auch allen, die Allergiepatienten in ihrer Praxis behandeln, empfohlen werden. Sie werden – wie auch der Rezensent – bei der Lektüre viel Freude haben und wertvolle Anregungen und neue Erkenntnisse gewinnen können. Das Fachbuch sollte auch in jeder Klinikbibliothek und Institution angeschafft werden.
Prof. em. Brunello Wüthrich Facharzt FMH für Allergologie, klinische Immunologie und Dermatologie, Zollikerberg
Allergologie in Klinik und Praxis. Von Axel Trautmann und Jörg Kleine-Tebbe. 2., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage 2013. 568 Seiten, 205 Abbildungen, gebunden. ISBN: 9783131421821; 182 Franken
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ARS MEDICI 3 I 2014