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Koffein reduziert das Geburtsgewicht
Geringer Kaffeekonsum in der Schwangerschaft schadet nicht
Zwei bis drei Tassen Kaffee pro Tag gelten als Obergrenze für Schwangere, um Risiken wie ein verringertes Geburtsgewicht des Kindes zu mindern. Sie entsprechen einer Koffeinmenge unter 300 mg pro Tag. Trotzdem geistern immer wieder reisserische Schlagzeilen durch die Medien, wonach bereits eine Tasse Kaffee das Ungeborene schädige. Sie beruhen meist auf Tierversuchen, die zwar die Publikationsliste der Autoren verlängern, den Stand der praxisrelevanten Erkenntnis aber kaum zu steigern vermögen. Britische Mediziner wollten es genau wissen und führten eine prospektive Studie zum Zusammenhang von Koffeinkonsum und Geburtsgewicht mit 2635 Schwangeren durch (Care Study Group: Maternal caffeine intake during pregnancy and risk of fetal growth restriction: a large prospective observational study. BMJ 2008; 337: 1334– 1338). Sie fanden heraus, dass in der Tat
bereits Koffeinmengen unter 300 mg pro Tag das Geburtsgewicht verringern können, allerdings nur um durchschnittlich 60 bis 70 g. Zum Vergleich: Neugeborene von Raucherinnen wogen in dieser Studie durchschnittlich 178 Gramm weniger (95%Konfidenzintervall: 127–230 g) als die Kinder von Nichtraucherinnen. Wie für praktisch alle Substanzen mit physiologischen Effekten gibt es auch für das Koffein keinen Grenzwert, unter welchem überhaupt kein Risiko mehr nachweisbar wäre. Ein völliger Verzicht wäre demnach das beste. «Obwohl die Verringerung des Geburtsgewichts insgesamt als gering betrachtet werden kann, könnten 60 bis 70 Gramm mehr die perinatale Morbidität und Mortalität bei bereits gefährdeten Föten senken», spekulieren die Studienautoren. Für die allermeisten Schwangeren bringt diese Studie nichts Neues. Sie dürfen sich getrost auch weiterhin an der Empfehlung
der Schweizerischen Gesellschaft für Er-
nährung orientieren, wonach geringe Men-
gen Koffein unter 300 mg pro Tag (wie z.B.
2–3 Tassen Kaffee oder 4–6 Tassen Tee) un-
bedenklich sind.
Die meisten Schwangeren scheinen sich
ohnehin daran zu halten. So betrug der
durchschnittliche Koffeinkonsum in der
britischen Studie nur 159 mg/Tag. Übrigens
enthalten neben den offensichtlichen Kof-
feinquellen Tee, Kaffee und Cola auch an-
dere Lebensmittel den Muntermacher:
8 Prozent des Koffeinkonsums der Schwan-
geren in der britischen Studie gingen auf
das Konto der Schokolade. Eine Tafel Scho-
kolade enthält 15 bis 100 mg Koffein (je
nach Kakaogehalt), eine Tasse Kaffee 75 bis
100 mg, eine Tasse Tee 50 mg und 3 dl Cola
30 mg.
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RBO
Cochrane-Analyse
Mindert Homöopathie die Nebenwirkungen der Krebstherapie?
Viele Krebspatienten vertrauen zusätzlich zur schulmedizinischen Behandlung auch auf alternative Therapien. Eine systematische Review der Cochrane Collaboration hat kürzlich ergeben, dass zwei homöopathische Pflegemittel möglicherweise imstande sind, bei Krebspatienten die Nebenwirkungen der Chemo- und Strahlentherapie zu lindern (www.cochrane.org/reviews). Eine Gruppe um Sosie Kassab vom Royal London Homeopathic Hospital in London fand bei ihrer Recherche acht kontrollierte Studien, an denen insgesamt 664 Patienten teilnahmen: Jeweils drei Untersuchungen beschäftigten sich mit den Nebenwirkungen der Radiotherapie respektive Chemotherapie, zwei weitere mit der Behandlung von menopausalen Symptomen nach Therapie eines Mammakarzinoms. Zwei der Studien höherer Qualität, das heisst mit geringem Bias-Risiko, lieferten
ein positives Ergebnis: In einer Studie mit 254 Patienten zeigte sich, dass ein calendulahaltiges Externum einer Dermatitis nach Radiotherapie besser vorbeugt als die Hautsalbe Trolamin (Triethanonolamin). Nach Auffassung der Autoren spricht die Untersuchung für einen Nutzen, allerdings müssten die Ergebnisse noch bestätigt werden. Jedoch ist die vorsichtig positive Einschätzung nicht unwidersprochen geblieben. Edzard Ernst, Professor für Komplementärmedizin an der Peninsula Medical School in Plymouth, bezweifelte gegenüber der BBC, dass es sich bei der Calendulacreme überhaupt um ein homöopathisches Mittel handle. Der Extrakt in der Creme sei gar nicht nach den Regeln der Homöopathie verdünnt gewesen. Ernst hält die Wirksamkeit von Homöopathika grundsätzlich für unbewiesen. Die Effekte könnten, wie Sosie Kassab vermutet, tatsächlich eher auf
die Hilfsmittel in der Creme zurückzufüh-
ren sein.
In der zweiten Studie, an der nur 32 Patien-
ten teilnahmen, war Traumeel® S (eine
Kombination aus 14 homöopathischen Mit-
teln) als Mundspüllösung eingesetzt wor-
den, um Patienten nach Chemotherapie vor
einer Stomatitis zu schützen. Die Wirkung
fiel signifikant grösser aus als die einer Pla-
zebolösung. Auch hier lässt allein die ge-
ringe Fallzahl eine abschliessende Bewer-
tung nicht zu. In den Studien zur Behand-
lung der Menopausebeschwerden fand
sich keine Evidenz für eine Wirksamkeit
homöopathischer Mittel. Kaum überra-
schend: Alle Studien bescheinigten den
homöopathischen Mitteln eine gute Ver-
träglichkeit, Nebenwirkungen und Medika-
menteninteraktionen wurden nicht beob-
achtet.
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U.B.
ARS MEDICI 9 ■ 2009 357