Transkript
MEDIEN ■ MODEN ■ MEDIZIN
Rosenbergstrasse 115
Das Jahr 2009 gab gleich grimmig seinen Tarif durch. Grimmig die Kälte und dementsprechend schauerlich der Heizöldurchfluss, grausig der Krieg in Gaza und widerlich die Rechtfertigungen angeblich zivilisierter Menschen für das Quälen und Metzeln der unschuldig auf 360 km2 eingesperrten Frauen, Männer und Kinder, unheimlich die Zielstrebigkeit und Penetranz der Wirtschaftskrise. Vielleicht waren andere Jahresanfänge ja auch nicht besser (wir haben die Tsunamikatastrophe oder die Jahrhundertstürme mit den netten Bubennamen ja schon fast vergessen), aber diesmal kommts igendwie «dicke». Angesichts all der bedrohlichen Entwicklungen wollen die Probleme, die wir Ärzte mit ein paar uneinsichtigen Männern (Couchepin, Zeltner und Co.) haben, fast schon betulich erscheinen.
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Bemerkenswert der Eifer der nationalen Politiker bei der Unterstützung der Hausarztmedizin. Entweder sind sie sich der Gefahren doch stärker bewusst, die beim Sägen am Hausärzteast all jenen drohen, die darauf sitzen, oder aber unsere Kolleginnen und Kollegen leisten erstaunlich gute Lobbyarbeit im Bundeshaus. Oder beides, klar. Jedenfalls fragen und interpellieren die Politiker fast aller Parteien, was das Zeug hält (die folgende Aufzählung ist nicht vollständig). Adrian Amstutz etwa, Fast-Bundesratskandidat der SVP, fragt: «Wird die Gefährdung der Patientensicherheit inkauf genommen?» Und meint damit die Folgen der Revision der Analysenliste. Und stellte eine zweite Frage zum gleichen Thema: «Werden die Grundversorger in der Medizin noch ernst genommen?» Ursula Haller, Nationalrätin
des abverheiten SVP-Widerstands gegen die SVP, doppelt eindringlich nach: «Laboranalysen. Weshalb kein Tarifsplitting?» En détail: Aus welchen Gründen wird vom BAG immer wieder behauptet, ein Splitting des Tarifs für die Laboranalysen in der medizinischen Versorgung sei nicht möglich und im KVG nicht vorgesehen? Christian Miesch, schon wieder SVP, stellt gleich mehrere Fragen zum «bedrohten Praxislabor»: 1. Die Hausärztinnen und Hausärzte brauchen das Labor für ihre tägliche Arbeit. Ohne das Praxislabor müssen (…) unnötige Behandlungen, Spitaleinweisungen und zusätzliche Konsultationen inkauf genommen werden. Das führt zu Mehrkosten (…) «Hat das BAG diese Revision auch im Gesamtkontext angeschaut oder nur eine isolierte Betrachtung zur Laboranalyse angestellt?» 2. «Warum ist das BAG nicht bereit, eine betriebswirtschaftliche Berechnung des Praxislabors vorzunehmen?» Und Ruth Humbel Näf, CVP aus dem Aargau, lässt ebenfalls nicht locker. Unter dem Titel «Folgen der Revision der Analysenliste» fragt sie: 1. «Weshalb hat das BAG bei der laufenden Revision der Analysenliste nicht zuerst eine Neudefinition der Rahmenbedingungen wie Qualität, Leistungsauftrag und Nutzwertorientierung vorgenommen?» 2. «Wieso verwehrt das BAG die Diskussion mit ausgewiesenen Experten der Fachgesellschaften?»
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Claude Ruey, der neue Präsident des Krankenkassenverbands ist realistisch: «Man kann den Kostenanstieg nicht stoppen.» Und vernünftig: «Ich habe den Ärztezulassungsstopp stets bekämpft. Man kann ihn ersatzlos aufheben.» Er ist sogar gegen die
Aufhebung des Vertragszwangs. Warum? «Weil es eine Scheinlösung ist. Lohnt es sich, mit den Ärzten einen Krieg anzufangen für ein Vorhaben, das nicht viel ändern wird?» Fehlt nur noch, dass er die Selbstdispensation für vernünftig und ökonomisch sinnvoll erklärt.
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Wir beklagen uns über die überbordende Verrechtlichung unseres Zusammenlebens mit neuen Gesetze für jeden Lebensbereich und vergessen, dass es in anderen Gesellschaften auch nicht besser ist. Es sind der Fragen so viele – weshalb in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein offizielles Zentrum für Rechtsgutachten eröffnet wurde. Das klärt dann so wichtige Fragen, wie: Sind Nikotinpflaster während der Fastenzeit erlaubt? In welche Richtung müssen dereinst Menschen beten, wenn sie auf dem Mars landen? Sollte der Schleier, den die Frauen tragen, statt beide nicht besser nur ein Auge freigeben?
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Touristische Devise eines Kollegen: Berge von unten, Kirchen von aussen, Kneipen von innen.
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Und zum Schluss noch dies: Lachen Sie lieber nicht vorschnell über jemanden, der einen Schritt zurückgeht. Er nimmt vielleicht nur Anlauf.
Richard Altorfer
ARS MEDICI 2 ■ 2009 45