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Ambulant erworbene Pneumonie:
Es muss nicht immer ein Fluorochinolon sein …
Eine ambulant erworbene Pneumonie gehört zu den häufigen Hospitalisationsursachen. Gefragt ist daher eine medikamentöse Therapie, welche die Infektion effektiv beseitigt, ein minimales Resistenzrisiko hat und für die Patienten sicher ist. Grundsätzlich deckt die Kombination eines Betalactamantibiotikums mit einem Makrolid die grösstmögliche Anzahl von Erregern ab, die als Ursache für eine Pneumonie infrage kommen. In neuerer Zeit sind einige Fluorochinolone (z.B. Levofloxacin, Moxifloxacin) mit gutem Abdeckungsspektrum und günstiger Pharmakokinetik hinzugekommen, die älteren Vertretern der Wirkstoffklasse (z.B. Ciprofloxacin) überlegen sind. Sie fanden auch gleich in amerikanische Guidelines Eingang, da sie der Kombination Betalactam plus Makrolid mindestens ebenbürtig seien. Eine kürzlich im «Canadian Medical Association Journal» publizierte Metaanalyse griechischer Autoren hat untersucht, ob die Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie mit neueren Fluorochinolonen der Therapie mit Betalactam und/oder Makrolid hinsichtlich Mortalität, Heilung der Lungenentzündung und Nebenwirkungen überlegen ist (1). In den 23 einbezogenen Studien ergab sich kein Mortalitätsuntersschied (Odds Ratio [OR] 0,85, 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,65–1,12). Fluorochinolone waren effektiver als die Betalactam-Makrolid-Kombination (OR 1,84, 95%-KI 1,02–3,29), was auch für schwerere, hospitalisationsbedürftige und intravenös zu behandelnde Erkrankungen zutraf. Fluorochinolone waren jedoch nur in offenen Untersuchungen, nicht aber in blinden, randomisierten kontrollierten Studien statistisch gesichert effektiver. Die Autoren folgern, dass Fluorochinolone zwar mit höheren Erfolgsraten bei schweren Pneumonien aufwarteten aber in den Metaanalyse keinen Mortalitätsvorteil erkennen liessen. Diese Erkenntnis bestätigt viele Europäer in ihrer bisherigen Haltung und den daraus abgeleiteten Richtlinien. So hat die Schweizerische Gesellschaft für Infektiologie die einschlägigen Guidelines der European
Respiratory Society (ERS) und der European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases (ESCMID) für die Schweiz adaptiert (2). Darin halten die Experten fest, dass die empirische antibiotische Therapie bei ambulant erworbener Pneumonie gegen die beiden häufigsten Erreger, Streptococcus pneumoniae und Haemophilus influenzae, gerichtet sein sollte. Dazu schlägt sie für leichte, ambulant zu behandelnde Fälle als erste Wahl Co-amoxiclav, 3 × 625 mg per os oder (zur Abdeckung von Mykoplasmen und Chlamydien) Doxcycyclin, 2 ×100 mg per os, vor. Erst als Therapiealternativen finden in dieser Indikation Makrolide (z.B. Clarithromycin oder Azithromycin) oder die respiratorischen Chinolone (z.B. Levofloxacin oder Moxifloxacin) Erwähnung. Die Behandlung ambulant erworbener Pneumonien muss selbstverständlich auch epidemiologische Faktoren, eine individuelle Reiseanamnese und Exposition mit Tieren berücksichtigen. Zur regionalen
Entwicklung von Antibiotikaresistenzen
in der Schweiz finden sich interessante,
jeweils aktualisierte Hinweise aus einer
Sentinel-Überwachung der Universität Bern
im Internet (3). Hier zeigt sich, dass auch
im Jahr 2007 Aminopenicilline (Amoxicil-
lin, Ampicillin) gegen S. pneumoniae ge-
samtschweizerisch in 95,8 Prozent emp-
findlich und nur in 1,7 Prozent resistent
waren; bei den Isolaten war die Resistenz-
lage gegen Makrolide ungünstiger (11,2%
resistent). Gegen H. influenzae ist Co-
amoxiclav mit 94,5 Prozent empfindlichen
und 5,5 Prozent resistenten Isolaten immer
noch ein gutes Medikament. Bei den bei-
den häufigsten Erregern und den empfoh-
lenen Antibiotikagruppen gab es überdies
kaum regionale Unterschiede zwischen der
Ost- und Westschweiz.
■
H.B.
Quellen: 1. Z. Konstantinos et al., CMAJ 2008; 179 (12): 1279–1271. 2. www.sginf.ch/ssi-home/guidelines/cap-guidelines/index.htm 3. www.search.ifik.unibe.ch/de/resistancedataselection.shtml
Masernfreies Europa scheitert an Impfmüdigkeit
Die Schweiz gehört zu den fünf Masernhochburgen in Europa. Das zeigt eine Studie, die vergan-
gene Woche in «Lancet online» (2009; doi: 10.1016/S0140-6736(08)61849-8) publiziert wurde. Mark
Muscat und Kollegen vom Statens Serum Institut in Kopenhagen haben darin die Daten des
EUVAC.NET (European surveillance network for vaccine-preventable diseases) aus den 32 euro-
päischen Ländern ausgewertet, in denen eine Meldepflicht für diese Kinderkrankheit besteht.
In den Jahren 2006 und 2007 wurden demnach 12 132 Erkrankungen registriert. Zwar kam es von
2006 auf 2007 zu einem Rückgang von 8223 auf 3909 Masernerkrankungen, doch spiegelt dies
nur den zyklischen Verlauf von Masernepidemien wider. In der ersten Hälfte des Jahres 2008
haben sich die Zahlen gegenüber dem vergleichbaren Zeitraum im Vorjahr verdreifacht. Den
Daten zufolge besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen dem Auftreten der Infektion
und der Impfrate. 85 Prozent der Erkrankungen traten in Rumänien, Grossbritannien, Italien,
Deutschland und der Schweiz auf. In diesen Ländern liegt die Impfrate deutlich unter den von der
WHO geforderten 95 Prozent. In der Schweiz werden nur etwa vier von fünf Kindern geimpft.
Angestiegen ist die Impfrate hingegen in Italien und Grossbritannien. In Finnland und Island, zwei
Länder mit sehr hoher Impfrate, trat in den Jahren 2006 und 2007 keine Masernerkrankung auf,
auch Slowenien und die Slowakei sind masernfrei. Insgesamt ist das Ziel der WHO, Europa bis 2010
von den Masern zu befreien, angesichts der Impfmüdigkeit in manchen Ländern aber wohl nicht
mehr erreichbar.
Eine Folge niedriger Impfraten ist, dass häufiger Erwachsene betroffen sind, die dann schwerer
erkranken. Der Anteil der über 20-Jährigen macht inzwischen rund 20 Prozent aus. 2006 und
2007 hat es in der EUVAC.NET-Region sieben Todesfälle gegeben, was die «Lancet»-Editorialisten
als erstaunlich gering bezeichnen.
U.B. ■
44 ARS MEDICI 2 ■ 2009