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NEUROLOGIE
Kognitive Rehabilitation
Die Behandlung unsichtbarer Symptome
Im Supermarkt erfolgreich die gewünschten Produkte finden, beim Kochen mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen oder Termine vereinbaren und einhalten – all diese Tätigkeiten haben eines gemeinsam: Wir müssen uns auf unsere kognitiven Funktionen verlassen können. Einbussen in diesem Bereich können zu Einschränkungen im Alltag führen, weshalb die Aufrechterhaltung kognitiver Funktionen von zentraler Bedeutung ist. In diesem Artikel werden Forschungsergebnisse und Herausforderungen bei der Behandlung kognitiver Symptome mithilfe der kognitiven Rehabilitation diskutiert.
von Priska Zuber
Unsichtbare Symptome sichtbar machen
Einschränkungen unterschiedlicher kognitiver Funktionen
sind ein zentraler Bestandteil des klinischen Bilds sowohl
bei neurologischen als auch bei psychiatrischen Erkrankungen.
So erfahren nicht nur Patienten mit erworbenen Hirnschädi-
gungen wie Schlaganfällen oder traumatischen Hirnverlet-
zungen, demenziellen Erkrankungen oder mit neurodegene-
rativen Erkrankungen wie beispielsweise Multipler
Sklerose (MS) oder Morbus Parkinson Ein-
schränkungen in ihren kognitiven Funk-
tionen, sondern auch Personen mit
psychiatrischen Erkrankungen wie
Schizophrenie, Depressionen oder
Bipolaren Störungen (1,2). Je nach
Erkrankung können einzelne oder
mehrere kognitive Funktionen be-
troffen sein, wie beispielsweise die
Aufmerksamkeit, das episodische
Priska Zuber
Gedächtnis und Arbeitsgedächt-
(Foto: zVg)
nis, die exekutiven Funktionen oder
die Verarbeitungsgeschwindigkeit
(3–7) (Tabelle 1). Als Folge erleben die Betroffenen häufig
schon frühzeitig deutliche Einschränkungen im Alltag. Oft
meiden Betroffene Situationen, in denen Sie aufgrund der ko-
gnitiven Symptome Schwierigkeiten erfahren, was zum Ver-
lust der Arbeitsstelle oder sozialer Isolation führen kann (1)
und damit das Risiko für komorbide Erkrankungen wie De-
pressionen oder Angststörungen erhöht. Da kognitive Symp-
tome für Betroffenen wie auch für ihr Umfeld oft nicht sicht-
bar sind oder als solche erkannt werden, ist die Identifikation
dieser «unsichtbaren» Symptome durch neuropsychologi-
sches Fachpersonal und deren anschliessende Behandlung
von grösster Relevanz (8,9). Da kognitive Symptome unter-
schiedlichen Ursprungs bisher nicht medikamentös behan-
delbar sind, stellt die kognitive Rehabilitation die Behand-
lung der Wahl dar (10,11).
Plastizität als Grundlage der (kognitiven) Rehabilitation Die Fähigkeit zur funktionellen Reorganisation, auch neuronale Plastizität genannt, stellt die Schnittstelle zur Wiederherstellung von Funktionen im Rahmen der Rehabilitation dar (13–15). Am Beispiel neurodegenerativer Erkrankungen zeigt sich, dass die Möglichkeit zur funktionellen Reorganisation von der Zunahme struktureller Hirnschädigungen sowie klinischen Beeinträchtigungen im Verlauf der Erkrankung abhängt (16). Als kognitive Plastizität wird die Kapazität für Veränderungen innerhalb des möglichen Rahmens kognitiver Leistungen beschrieben (17) und bildet somit die Grundlage für die Prävention, die Verbesserung und insbesondere für die kognitive Rehabilitation.
Ansätze zur Rehabilitation kognitiver Funktionen Das Ziel der kognitiven Rehabilitation besteht darin, Patienten bei der Verbesserung ihrer kognitiven Funktionen – und damit ihren alltäglichen Aktivitäten – zu helfen (18). Bei allen rehabilitativen Ansätzen ist eine personalisierte, multidisziplinäre Perspektive auf die individuellen kognitiven Symptome zentral. Zur Rehabilitation kognitiver Funktionen kommen verschiedene Ansätze zum Einsatz.
Kompensatorische Ansätze zielen darauf ab, Verhaltensweisen wie Strategien, Hilfsmittel oder Umweltanpassungen zu nutzen, um Alltagsfunktionen trotz bestehender Defizite zu bewältigen (18). So können Beeinträchtigungen in den exekutiven Funktionen oder der Aufmerksamkeit beispielsweise durch den Einsatz von Planungshilfen, die Erstellung von festen Tagesplänen oder der Verwendung von geräuschunterdrückenden Kopfhörern zur Reizreduktion entgegengewirkt werden. Zur Unterstützung bei Gedächtnisstörungen können Eselsbrücken, Kalender, elektronische Erinnerungen oder das Notieren relevanter Informationen in einem Notizbuch hilfreich sein (10). Ein Beispiel für ein weit verbreitetes kompensatorisches kognitives Rehabilitationsprogramm bei
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Menschen mit MS ist die «Kessler Foundation modified Story Memory Technique», die auf fundierten Erkenntnissen der kognitiven Psychologie basiert und Strategien der Kontextualisierung sowie der visuellen Vorstellung integriert, um Lernen und Gedächtnis zu verbessern (18). Kompensatorische Rehabilitationsansätze werden insbesondere bei Personen mit anhaltenden oder generalisierten kognitiven Symptomen angewendet, wie sie beispielsweise häufig nach erworbenen Hirnschädigungen auftreten (19).
Restorative Ansätze zielen darauf ab, verlorene kognitive Funktionen wiederherzustellen (18). Durch repetitive Trainingsaufgaben werden spezifische kognitive Funktionen gezielt trainiert, um die neuronale Plastizität des Gehirns zur Wiederherstellung und Verbesserung dieser Funktion zu nutzen. Es existiert eine Vielzahl restorativer kognitiver Trainingsprogramme, die häufig in den App Stores von Google oder Apple verfügbar sind und von Fachpersonen im Rahmen der kognitiven Rehabilitation angeboten werden können. Weit verbreitet und in unterschiedlichen klinischen Populationen wissenschaftlich untersucht wurden unter anderem BrainHQ (20), CogniPlus (21), RehaCom (22) oder Lumosity (23). Die Programme umfassen ein breites Spektrum computergestützter Aufgaben zur gezielten Förderung der Aufmerksamkeit, des visuellen oder verbalen Lernens, des Gedächtnisses, der exekutiven Funktionen oder der Verarbeitungsgeschwindigkeit. Durch adaptive Anpassung der Aufgaben an die individuelle Leistungsfähigkeit fördern sie die Verbesserung kognitiver Fähigkeiten auf eine spielerische Weise. Es ist jedoch anzumerken, dass diese Trainingsprogramme nicht ausschliesslich zu Zwecken der kognitiven Rehabilitation entwickelt wurden, sondern allgemein zur Förderung und dem Training kognitiver Funktionen eingesetzt werden. Restorative Rehabilitationsprogramme sind insbesondere für Patienten mit partiellen oder reversiblen Beeinträchtigungen geeignet – beispielsweise nach einem Schlaganfall oder bei MS in frühem Krankheitsstadium, vor allem zur Rehabilita-
tion der Informationsverarbeitungsgeschwindigkeit oder der Aufmerksamkeit (18).
Wie findet kognitive Rehabilitation statt? Kognitive Rehabilitation kann sowohl in Einzel- als auch in Gruppensettings durchgeführt werden, vor Ort mit einer Fachperson oder auch mithilfe digitaler Medien im Rahmen der sogenannten Telerehabilitation. Restorative kognitive Rehabilitation wird häufig digital angeboten, beispielsweise über Computerprogramme oder Applikationen für Smartphones und Tablets, wodurch die Durchführung auch ausserhalb klinischer Settings, etwa von zu Hause aus, möglich ist. Studien zeigen, dass Telerehabilitation kognitive Symptome verringern kann (24) und darüber hinaus Vorteile einer stärkeren Personalisierung der Intervention, eines niederschwelligen Zugangs sowie einer geringeren finanziellen Belastung bietet (25).
Wirksamkeit kognitiver Rehabilitation In einer Metaanalyse wurde gezeigt, dass kognitive Rehabilitation bei Menschen mit MS eine wirksame Behandlungsform kognitiver Dysfunktionen darstellt (18). Insbesondere kompensatorische kognitive Rehabilitation führte bei MS zu einer Verbesserung der Verarbeitungsgeschwindigkeit (26). Restorative kognitive Rehabilitation führte ebenfalls zu einer verbesserten Verarbeitungsgeschwindigkeit und führte zusätzlich zur Verbesserung exekutiver Funktionen sowie der Gedächtnisleistungen (18,27). Nach kompensatorischer Rehabilitation bei erworbenen Hirnschädigungen konnten sowohl objektive als auch subjektive Verbesserungen der Gedächtnisfunktionen nachgewiesen werden (19). Ebenso zeigte sich, dass kognitive Rehabilitation zu einer Steigerung der kognitiven Leistungen nach einem Schlaganfall führen kann, wobei die Effekte über mehrere Wochen hinweg anhielten (28). Darüber hinaus konnte in Studien gezeigt werden, dass kognitive Rehabilitation sowohl in Einzel- als auch
Tabelle 1 Übersicht über kognitive Symptome bei unterschiedlichen Erkrankungen (nicht abschliessend, ergänzt und adaptiert aus [3–7, 12])
Multiple Sklerose Schlaganfall Parkinson-Krankheit Schädel-Hirn-Trauma Demenzen (fronto-temporal, Lewy body) Alzheimer Schizophrenie Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung
Arbeitsgedächtnis
++ ++ ++ ++ ++ / +++
++ +++ +
Episodisches Gedächtnis + + + + ++
+++ ++ -
- keine, + milde, ++ moderate und +++ starke Einschränkungen.
Verarbeitungsgeschwindigkeit +++ ++ ++ ++ ++
Aufmerksamkeit
++ ++ / +++ ++ / +++ ++ + / ++
Exekutive Funktionen ++ ++ / +++ +++ ++ / +++ ++
++ ++ / +++ + / ++
+ / ++ +++ +++
++ +++ ++
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Gruppensettings die globale Kognition bei milder Demenz verbessern kann (29). Obwohl die Evidenz zur Wirksamkeit kognitiver Rehabilitation bei der Behandlung kognitiver Symptome unterschiedlichen Ursprungs insgesamt überwiegend positiv ist, zeigen Metaanalysen teilweise eine erhebliche Variabilität der Effekte, beispielsweise bei MS (11) oder demenziellen Erkrankungen (29). Zudem gibt es auch Untersuchungen, die keine signifikanten Effekte kognitiver Rehabilitation nachweisen konnten, etwa nach Schlaganfällen (30).
Fehlende Implementierung in der Klinik Die beobachtete Variabilität in der Wirksamkeit, trotz der Vielzahl wissenschaftlicher Studien, könnte ein Grund dafür sein, dass kognitive Rehabilitationsprogramme in klinischen Settings bislang nur eingeschränkt Anwendung finden. So wurde beispielsweise in einer Studie zur multidisziplinären Rehabilitation bei Menschen mit MS mithilfe bildgebender Verfahren und klinischer Parameter die Wirkung einer stationären Rehabilitation auf die Lebensqualität untersucht. Bei genauerer Analyse des multidisziplinären Rehabilitationsprogrammes konnte festgestellt werden, dass kognitive Symptome innerhalb der gesamten Rehabilitationsdauer von 46,1 Stunden über drei Wochen hinweg lediglich mit einem Zeitaufwand von insgesamt einer Stunde adressiert wurden (31). Dieses Phänomen ist international verbreitet und trifft auch bei anderen Erkrankungen mit kognitiven Symptomen zu, wie in einem Übersichtsartikel beschrieben wurde (32). Als Hauptgründe für die unzureichende Implementierung kognitiver Rehabilitation in klinischen Settings werden unterschiedliche Anforderungen von Klinik und Forschung, Zeit- und Personalmangel im klinischen Alltag sowie eine unzureichende Kommunikation zwischen Forschung und Praxis genannt (32).
Herausforderungen Um die Umsetzung kognitiver Rehabilitationsprogramme in der klinischen Praxis zu fördern, müssen verschiedene Herausforderungen, insbesondere in der Erforschung kognitiver Rehabilitationsprogramme sowie im Austausch mit Fachpersonal, Patientinnen und Patienten und deren Angehörigen, adressiert werden. Zu den zentralen Herausforderungen zählen 1) die Messung der Wirksamkeit, 2) die Untersuchung
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relevanter Interventionsparameter sowie 3) das Verständnis der zugrunde liegenden Mechanismen kognitiver Rehabilitation. Diese Aspekte werden im Folgenden näher beleuchtet.
Messung der Wirksamkeit Die Wirksamkeit kognitiver Rehabilitation wird üblicherweise mithilfe neuropsychologischer Methoden evaluiert. Vor und nach der kognitiven Rehabilitation werden neuropsychologische Testbatterien und -verfahren eingesetzt, um Effekte der kognitiven Rehabilitation zu überprüfen. Ziel, insbesondere der restorativen kognitiven Rehabilitation, ist es, dass die trainierten Fähigkeiten zu Verbesserungen in neuen, untrainierten kognitiven Funktionen und idealerweise in alltäglichen Aktivitäten führen. Diese sogenannten Transfereffekte konnten bei Messinstrumenten nachgewiesen werden, die inhaltlich den trainierten Aufgaben sehr ähnlich sind (naher Transfereffekt) (33). Bei Aufgaben, bei denen die trainierten Fähigkeiten auf komplexere, nicht verwandte Aufgaben übertragen werden sollten (ferner Transfereffekt), zeigen sich hingegen unterschiedliche und teils widersprüchliche Ergebnisse (34,35). Ein möglicher Grund für diese Variabilität könnte darin liegen, dass die kognitive Rehabilitation oft nicht ausreichend auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten ausgerichtet wird. Zudem wird den subjektiv empfundenen Verbesserungen, insbesondere im Alltag, häufig weniger Beachtung geschenkt (34,35). Daher sollten neben neuropsychologischen Messinstrumenten auch die subjektiven kognitiven Funktionen im täglichen Leben erfasst werden – sowohl in wissenschaftlichen Studien als auch in der klinischen Praxis. Ein Beispiel hierfür ist der Fragebogen zu instrumentellen Aktivitäten des täglichen Lebens, der bei demenziellen Erkrankungen (36), Gehirntumoren (37) und MS (38) validiert wurde und eine hilfreiche Übersicht über mögliche Verbesserungen im Alltag bietet. Werden neuropsychologische Tests zur Leistungsüberprüfung eingesetzt, sollte eine wiederholte Messung erfolgen, damit die individuellen Ergebnisse mit den eigenen Ausgangsleistungen der Patienten verglichen werden können. Liegt hingegen nur eine einmalige Messung vor, ist beim Vergleich mit Grenz- oder Normwerten zu berücksichtigen, dass Patienten zu Beginn der Rehabilitation unterschiedliche Ausgangsniveaus aufweisen und dieser Vergleich individuelle Verbesserungen oder Verschlechterungen häufig nicht adäquat widerspiegelt (39). Obwohl repetitives Testen in der Forschung zu kognitiven Rehabilitationen eingesetzt wird, fehlt in der klinischen Praxis häufig die Zeit, um die individuellen kognitiven Funktionen regelmässig zu überprüfen.
Interventionsparameter Sowohl das Timing als auch die Dosierung und Intensität stellen zentrale Interventionsparameter in der kognitiven Rehabilitation dar. Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung kognitiver Symptome die kognitive Abnahme bei MS signifikant verzögern kann (27). Ebenso konnte gezeigt werden, dass eine frühe Rehabilitation kognitiver Symptome nach einem Schlag-
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anfall den grössten Nutzen erzielt (40). Daher sollte das Timing, verstanden als Bereitstellung kognitiver Rehabilitationsangebote zu einem frühen Zeitpunkt, sowohl in der Forschung als auch in der klinischen Praxis berücksichtigt werden. Ein weiterhin offenes Forschungsfeld ist die optimale Dosierung, also Häufigkeit, Intensität und Dauer der Durchführung kognitiver Rehabilitation (41). Derzeit liegen keine «Dose-Response»-Studien vor, die für unterschiedliche Erkrankungen konkrete Empfehlungen für die kognitiven Rehabilitation ableiten.
Mechanismen kognitiver Rehabilitation Um eine Personalisierung kognitiver Rehabilitation zu erreichen, ist es notwendig, die zugrunde liegenden Mechanismen genauer zu untersuchen. Restorative kognitive Rehabilitationsprogramme, wie beispielsweise BrainHQ, beinhalten eine Vielzahl an Aufgaben, die unterschiedliche kognitive Funktionen trainieren sollen. Bisher ist jedoch unklar, ob eine simultane Rehabilitation multipler kognitiver Domänen, oder die gezielte Verbesserung einer spezifischen kognitiven Funktion vorteilhafter ist (18). Zudem bleibt häufig unklar, welchem kognitiven Konstrukt die einzelnen Aufgaben zugeordnet werden können. Kognitive Interventionen, die als Rehabilitationsprogramme eingesetzt werden, sollten daher modell- und evidenzbasiert entwickelt werden (42). Weitere Faktoren wie andere kognitive Funktionen, motorisches Lernen oder Persönlichkeitsmerkmale können die zu rehabilitierende Funktion beeinflussen oder den Erfolg der Rehabilitation modulieren. Untersuchungen zur Rolle von Ablenkungen im Arbeitsgedächtnistraining zeigten, dass die Integration von Ablenkungen in die Trainingsaufgaben zu Transfereffekten in Arbeitsgedächtnistests sowie im visuellen Lernen führte, während dies bei identischem Training ohne Ablenkungen nicht der Fall war (42,43). Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die Reihenfolge von motorischem und kognitivem Training die Ergebnisse beeinflusst. Funktionale Plastizität im Gehirn sowie Verbesserungen im Arbeitsgedächtnis waren grösser, wenn das motorische Training vor oder gemeinsam mit dem kognitiven Training stattfand, im Vergleich zum kognitiven Training vor dem motorischen Training (44). Obwohl diese Untersuchungen an gesunden Personen durchgeführt wurden, könnte die Identifikation relevanter Mechanismen bei Patienten mit kognitiven Symptomen unterschiedlichen Ursprungs die Rehabilitationseffekte signifikant verbessern.
Ausblick Um Patienten mit kognitiven Symptomen wirksame kognitive Rehabilitationen anbieten zu können, ist es notwendig, die beschrieben Herausforderungen weiter zu erforschen und die Erkenntnisse in die klinische Praxis zu überführen. Der Einbezug von Patienten, Angehörigen sowie Fachpersonal spielt dabei eine zentrale Rolle, sowohl in der Entwicklung als auch in der Evaluation und Implementierung von Rehabilitationsprogrammen. Auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse sollten klare Handlungsempfehlungen formu-
Merkpunkte
• Kognitive Symptome müssen identifiziert werden.
• Um Verbesserungen oder Verschlechterungen festzustellen, sollen Vergleiche immer mit der eigenen Leistung der Patienten über die Zeit verfolgt werden.
• Bei der Auswahl der kognitiven Rehabilitation ist die Personalisierung zentral: Spielen andere Beschwerden/ Symptome eine Rolle? Wie ist der Alltag betroffen?
• Es sollten rehabilitative Programme empfohlen werden, die in den entsprechenden Populationen auf die Wirksamkeit erforscht wurden.
• Der Austausch zwischen Wissenschaft und Klinik ist zentral.
liert werden, um eine Vergütung durch die Krankenkassen zu ermöglichen und kognitive Rehabilitation langfristig als festen Bestandteil der medizinischen Versorgung zu etablieren.
Fazit Als unsichtbare Symptome bleiben kognitive Probleme unterschiedlichen Ursprungs von Patienten, Angehörigen oder Fachpersonal häufig unentdeckt, obwohl Einschränkungen im Alltag, im Berufsleben oder im Sozialleben oftmals bereits früh im Krankheitsverlauf auftreten. Daher sollte der Fokus auf der Identifikation dieser Symptome und der Aufklärung der Patienten liegen, um individuelle Behandlungsoptionen mithilfe kognitiver Rehabilitation möglichst früh im Verlauf der Erkrankungen planen zu können. Angepasst an die Bedürfnisse und die individuelle Symptomatik der Patienten sollten kognitive Rehabilitationsprogramme hinsichtlich ihrer Wirksamkeit systematisch überprüft werden – sowohl mit entsprechenden neuropsychologischen Messinstrumenten als auch mit Instrumenten zur Erfassung subjektiver Effekte. Ein enger Austausch zwischen Wissenschaft und klinischer Praxis ist hierbei zentral, damit kognitive Rehabilitation standardisiert angeboten und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig verbessert werden kann.
Korrespondenzadresse: Dr. phil. Priska Zuber Neurowissenschaftlerin Wissenschaftsabteilung Reha Rheinfelden Salinenstrasse 98 4310 Rheinfelden E-Mail: p.zuber@reha-rhf.ch
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