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KONGRESSBERICHT
Chronische lymphatische Leukämie
MRD-gesteuert oder fix: Ibrutinib plus Venetoclax liefern überzeugende Resultate
Die Studien FLAIR und CAPTIVATE zeigten: Die Kombination aus Ibrutinib und Venetoclax erzielt in der Erstlinientherapie der chronischen lymphatischen Leukämie überzeugende Resultate – sowohl bei MRD-gesteuerter als auch bei fixer Therapiedauer.
Die 2014 gestartete britische FLAIR-Studie ergab bei bisher unbehandelten Patienten mit chronischer lymphatischer Leukämie (CLL) ein signifikant besseres progressionsfreies Überleben (PFS) unter Ibrutinib + Rituximab (I+R) im Vergleich zur Standard-Chemoimmuntherapie mit FCR (Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab) (1). Dank ihres adaptiven Designs konnten im weiteren Verlauf zusätzliche Studienarme – eine Kombinationstherapie mit Ibrutinib + Venetoclax (I+V) sowie eine Ibrutinib-Monotherapie (I-Mono) – integriert werden. Die Behandlungsdauer richtete sich dabei nach dem Zeitpunkt der ersten nachgewiesenen MRD-Negativität (Schwellenwert < 0,01%) im peripheren Blut und betrug das Doppelte dieses Zeitintervalls (Minimum 2 Jahre, Maximum 6 Jahre). Die am Jahreskongress der European Hematology Association (EHA) vorgestellten und zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publizierten Daten zeigten, dass die höchste Rate einer MRD-Negativität innerhalb von 2 Jahren in der Gruppe mit I+V erreicht wurde (Tab.) (2). Nach einem medianen Follow-up von 62,2 Monaten erwies sich die MRD-gesteuerte I+V-Therapie gegenüber I-Mono und FCR in Bezug auf das PFS als signifikant überlegen (p < 0,001). Das geschätzte 5-Jahres-PFS lag unter I+V bei 93,9%, im Vergleich zu 79,0% unter I-Mono und 58,1% unter FCR. Auch beim Gesamtüberleben (OS) schnitt I+V gegenüber den beiden anderen Studienarmen signifikant besser ab. Hier lag das geschätzte 5-Jahres-OS bei 95,9% für I+V, bei 90,5% für I-Mono und bei 86,5% für FCR. Tab. Anteil an Patienten mit einer nach 2 Jahren nicht mehr nachweisbaren minimalen Resterkrankung (MRD) im Blut* bzw. im Knochenmark** in den drei Behandlungsgruppen der FLAIR-Studie (2). N (%) (95%-KI) MRD-negativ* MRD-negativ** FCR (n = 263) 127 (48,3%) (42,1–54,5%) 160 (60,8%) (54,7–66,7%) I (n = 263) 0 (0–1,39%) 0 (0–1,39%) I+V (n = 260) 172 (66,2%) (60,1–71,9%) 190 (73,1%) (67,3–78,4%) KI: Konfidenzintervall; FCR: Fludarabin, Cyclophosphamid, Rituximab; I: Ibrutinib; I + V: Ibrutinib + Venetoclax Die Therapie mit I+V wurde gemäss den Stopp-Regeln bei 48,3% der Teilnehmer nach 2 Jahren, bei 56,3% nach 3 und bei 68,1% nach 4 Jahren beendet. In der I+V-Gruppe traten keine neuen Sicherheitsbedenken auf. Allerdings wurde unter I+V und I-Mono häufiger Vorhofflimmern und Hypertonie beobachtet als unter FCR, jedoch ohne Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für plötzlichen Tod. Dr. Talha Munir, Leeds/UK, der die Resultate am EHA-Kongress präsentierte, fasste folgt zusammen: «Diese aktualisierten Ergebnisse mit längerer Nachbeobachtungszeit bei MRDgesteuerter I+V-Therapie bestätigen, dass die Steuerung der Therapiedauer entsprechend der individuellen MRDAntwort die Behandlungsergebnisse zu optimieren vermag.» Die FLAIR-Studie ist zudem die erste Untersuchung, die die Überlegenheit der MRD-gesteuerten Kombinationstherapie mit I+V gegenüber der Ibrutinib-Monotherapie bestätigt. Langzeitdaten zur fixen Therapiedauer Prof. Paolo Ghia, Mailand/I, stellte die finale Analyse der Phase-II-Studie CAPTIVATE vor (3). «Dies war die erste Studie, welche die Therapie mit Ibrutinib und Venetoclax mit fixer Behandlungsdauer bei bisher unbehandelter CLL untersuchte und die zusammen mit der Phase-III-Studie GLOW in verschiedenen Ländern zur Zulassung der Kombination geführt hat», rief er in Erinnerung. Die finale Analyse mit einem Follow-up von bis zu 7 Jahren (Median 5,75 Jahre) zeigte, dass das mediane PFS und OS in der Gesamtpopulation und der Kohorte mit fixer Therapie dauer von 15 Monaten nach wie vor nicht erreicht wurde. Die 5,5-Jahres-PFS- und OS-Raten liegen bei 60 bzw. 96%. Auch Patienten mit Hochrisiko-Genetik profitierten von der Behandlung. Nach 5,5 Jahren benötigten 69% derjenigen mit fixer I+V-Therapiedauer noch keine weitere Therapie. Falls eine Folgetherapie erforderlich war, erzielten Ibrutinib-basierte Regime gute Resultate. «Mit Ibrutinib plus Venetoclax verfügen wir über eine rein orale, chemotherapiefreie Erstlinienbehandlung mit fixer Dauer, die auch langfristig zu anhaltend hohen PFS- und OS-Raten führt», schloss Prof. Ghia. Therese Schwender EHA2025 Congress, 12. bis 15. Juni 2025, Mailand & virtuell. 16 onkologie 3 | 2025