Transkript
Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologische Endokrinologie, Kontrazeption und Menopause (SGEM)
FIRST-TO-DISCUSS-NEWSLETTER
Vaginale Östrogene nach Mammakarzinom: evidenzbasierte Einordnung der Risiken
Hintergrund: Das genitourinäre Syndrom der Menopause (GSM) ist eine häufige Folge onkologischer Behandlungen bei Frauen mit Brustkrebs. Es umfasst vaginale Atrophie, Dyspareunie, rezidivierende Harnwegsinfekte und eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität. Besonders Aromatasehemmer verstärken GSM-Symptome durch konsequente Östrogendeprivation. Obwohl vaginale Östrogene als effektivste Therapieoption gelten, bestehen erhebliche Bedenken hinsichtlich ihrer Anwendung bei Frauen mit einer Brustkrebs erkrankung in der Anamnese – insbesondere aufgrund regulatorischer Vorgaben (z. B. EMA-Kontraindikation) und fehlender randomisierter Studien. Dies führt in der Praxis häufig zu einer therapeutischen Zurückhaltung, selbst bei stark symptomatischen Patientinnen.
Prof. Dr. med. Petra Stute Gynäkologische Endokrinologie und Repro
duktionsmedizin Universitätsfrauenklinik Bern
Zusammenfassung der Studie von Beste und Kollegen Das aktuelle systematische Review und die Metaanalyse untersuchte die Sicherheit vagi naler Östrogene hinsichtlich Brustkrebsrezi diven sowie brustkrebsspezifischer Mortalität und Gesamtmortalität. Eingeschlossen wur den acht hochwertige Beobachtungsstudien (Teilnehmerinnen: n = 61’695), in denen aus schliesslich vaginale, nicht-systemische Öst rogenpräparate verwendet wurden.
In den meisten Studien kamen estradiol haltige Präparate (Tabletten, Crèmes, Vaginal ringe) zum Einsatz. Einige Studien schlossen auch estriolhaltige Produkte ein (z. B. nied rigdosierte Crèmes oder Vaginalzäpfchen). Die genaue Formulierung wurde nicht in allen Studien spezifiziert; wenn angegeben, domi nierten Estradiolpräparate.
Die dokumentierte Therapiedauer lag in den meisten Studien zwischen 1 Jahr und über 10 Jahren (Agrawal et al.: mittlere Dauer 1 Jahr; Dew et al.: durchschnittlich 5,5 Jahre; O'Meara et al.: bis zu 10 Jahre; in anderen Studien war die Therapiedauer nicht exakt angegeben, wurde jedoch als «langfristig» bezeichnet; die Sund-Studie unterschied explizit zwischen kurzzeitiger (<90 Tage) und langzeitiger An wendung(>90Tage).
Ergebnisse der Metaanalyse Bezüglich der hinterfragten Risiken der vagi nalen Ostrogenpräparate ergaben sich fol gende Resultate: • Brustkrebsrezidiv: Kein erhöhtes Risiko
(Odds Ratio (OR) 0,48 (95%-KI; 0,23-0,98), allerdings hohe Heterogenität (I2 = 95,8%), Fragility Index = 1. • Brustkrebsspezifische Mortalität: Kein signifikanter Anstieg (OR 0,60; 95%-KI; 0,18–1,95), robustes Ergebnis (reverse FI = 69). • Gesamtmortalität: Signifikant reduziert (OR 0,46; 95%-KI; 0,42–0,49), ohne He terogenität (I2 = 0%).
Kommentar Diese Metaanalyse bietet erstmals eine um fassende und systematisch aufgearbeitete Evidenz zur Sicherheit vaginaler Östrogene bei Frauen mit Brustkrebs. Die Ergebnisse sprechen gegen ein erhöhtes Risiko durch die Anwendung lokaler Estradiol- oder Estriol präparate – auch bei mehrjähriger Anwen dung. Der weiterhin bestehende «healthy user bias» – also die tendenzielle Verordnung an gesündere, sexuell aktivere Patientinnen mit besserer Prognose – könnte die beobach tete Mortalitätsreduktion zum Teil erklären.
Besprochene Studie: Beste ME, Kaunitz AM, McKinney JA, Sanchez-Ramos L.: Vaginal estrogen use in breast cancer survivors: a systematic review and meta-analysis of recurrence and mortality risks. Am J Obstet Gynecol. 2025; Mar;232(3):262-270.e1.
Dennoch untermauern die konstant niedrigen systemischen Estrogenspiegel unter vaginaler Therapie sowie die fehlende Risikoerhöhung in Subgruppenanalysen die Annahme einer sicheren Anwendung. Die Metaanalyse stärkt die Position vaginaler Östrogene als sichere und effektive Therapieoption bei GSM nach Brustkrebs. Wir als Frauenärztinnen und -ärzte sind aufgerufen, evidenzbasiert und individuell zu beraten – statt pauschal abzulehnen.
Prof. Dr. med. Petra Stute E-Mail: petra.stute@insel.ch Internet: www.meno-pause.ch
Interessenkonflikte in Zusammenhang mit diesem Artikel: keine.
38 gynäkologie 3 | 2025