Transkript
NEUROLOGIE
Therapien für die Alzheimer-Krankheit
Von etablierten Behandlungen zu neuen Optionen
Die derzeitige Behandlung der Alzheimer-Krankheit stützt sich in erster Linie auf etablierte symptomatische Therapien wie Cholinesterasehemmer und Memantin sowie auf nicht pharmakologische Massnahmen wie kognitive Stimulation und Änderungen der Lebensgewohnheiten. Mit der in der Schweiz erwarteten Zulassung von monoklonalen Antikörpern gegen Amyloid wie Lecanemab und Donanemab entwickelt sich die Therapielandschaft rasch weiter und vollzieht einen bedeutenden Wandel hin zu potenziell krankheitsmodifizierenden Behandlungen, die nicht nur die Symptome, sondern auch die zugrunde liegende Pathologie beeinflussen.
von Bogdan Draganski1,2, Sebastian von Arx1
Einleitung
Die Alzheimer-Krankheit (AD) ist weltweit die häufigste Ursache
für altersassoziierte progrediente neurokognitive
Defizite (1). Obwohl epidemiologische
Studien einen Rückgang der alterss
pezifischen Inzidenz in Ländern mit
hohem Einkommen von etwa 13%
pro Jahrzehnt gezeigt haben (2) –
was auf die bessere Behandlung
von Risikofaktoren im mittleren Le-
bensalter zurückzuführen sein
dürfte – wird die heutzutage ge-
schätzte Prävalenz von über 55
Bogdan Draganski
(Foto: zVg)
Millionen aufgrund der globalen Bevölkerungsalterung voraussicht-
lich stark ansteigen. Der fortschrei-
tende kognitive Verfall, der Gedächtnisverlust
und die Beeinträchtigungen der All-
tagsfunktionen führen zu erhebli-
chen Behinderungen, Verlust der
Selbstständigkeit, erhöhter Morbi-
dität und Mortalität.
AD führt zu einer grossen emoti-
onalen, körperlichen und finanziel-
len Belastung für Patienten, deren
Familienangehörige, Pflegekräfte
Sebastian von Arx
(Foto: zVg)
und Gesundheitssysteme. Hier sind die frühzeitige Erkennung und In-
tervention von entscheidender Be-
deutung. Die zugrundeliegenden pathophysiologischen Pro-
zesse der Amyloid-β-Akkumulation und Tau-Pathologie
1 Memory und Brain Health Klinik, Neurologie, Inselspital, Universität Bern, Bern, Schweiz 2 Institut für diagnostische und interventionelle Neuroradiologie, Inselspital, Universität Bern, Bern, Schweiz
beginnen bereits mehrere Jahre vor dem Auftreten klinischer Symptome (3). Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht die rechtzeitige Pflegeplanung, symptomatische Behandlung und den Zugang zu krankheitsmodifizierenden Therapien und klinischen Studien (1).
Die therapeutischen Möglichkeiten haben sich von Wirkstoffen für die symptomatische Therapie (Cholinesterasehemmer, Memantin) zu monoklonalen Antikörpern gegen Amyloid-β (z.B. Lecanemab, Donanemab) weiterentwickelt. Im Anbetracht der Diskussionen über Wirksamkeit, Sicherheit und anfallende Kosten der Anti-Amyloid-Behandlung, spielt die Patientenauswahl für diese eine wichtige Rolle. Trotz der Fortschritte besteht weiterhin ein erheblicher Bedarf an zusätzlichen wirksamen, breit anwendbaren krankheitsmodifizierenden Therapien.
Überblick über die Pathophysiologie AD ist durch drei wesentliche pathologische Merkmale gekennzeichnet: extrazelluläre Amyloid-β(Aβ)-Plaques, intrazelluläre neurofibrilläre Tangles (NFT) aus hyperphosphoryliertem Tau und fortschreitende Neurodegeneration. Der aktuelle Konsens, unterstützt von empirischer Evidenz (3) lautet, dass die AβAkkumulation im Neokortex das früheste nachweisbare Ereignis ist, gefolgt von der Tau-Pathologie im medialen Temporallappen und Neokortex und schliesslich einem weitreichenden neuronalen Verlust und einer synaptischen Dysfunktion, die den klinischen Symptomen zugrunde liegen. Dementsprechend haben sich die krankheitsmodifizierenden Ziele auf diese pathologischen Merkmale fokussiert.
Die Stadieneinteilung der AD umfasst basierend auf dem erwähnten pathophysiologischen Modell sowohl biologische als auch klinische Kriterien. Die überarbeiteten Kriterien der Alzheimer’s Association definieren biologische Stadien auf der Grundlage des Biomarker-Nachweises von Aβ- und TauPathologie (unter Verwendung von Positronenemissionsto-
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mografie (PET), Liquor- oder Plasma-Markern), wobei vier biologische Stadien die zunehmende Ausbreitung von Tau widerspiegeln. Die klinische Einstufung ist ein separates Konti nuum, das von asymptomatisch bis zu schwerer Demenz reicht und nicht immer mit dem Biomarkerstadium übereinstimmt, da komorbide Pathologien (4) das klinische Erscheinungsbild beeinflussen können (5).
Etablierte Therapien Cholinesterasehemmer Die Cholinesterasehemmer (Donepezil, Rivastigmin, Galantamin) sind etablierte symptomatische Therapien für die AD. Durch die Hemmung der Cholinesteraseaktivität wird der Acetylcholinspiegel in den Synapsen erhöht, was die cholinerge Neurotransmission und die kognitiven Fähigkeiten unterstützen soll. Galantamin moduliert ausserdem die Nikotinrezeptoren, und Rivastigmin hemmt sowohl die Acetylcholinesterase als auch die Butyrylcholinesterase. Mehrere randomisierte kontrollierte Studien und Metaanalysen zeigen, dass diese Medikamente im Vergleich zu Plazebo zu einer moderaten Verbesserung der kognitiven Fähigkeiten (z.B. 1–2,5 Punkte auf der ADAS-Cog- oder MMSE-Skala), der Aktivitäten des täglichen Lebens und der allgemeinen Funktionsfähigkeit führen, wobei die Wirksamkeit der einzelnen Wirkstoffe ähnlich ist. Der klinische Nutzen ist moderat und entspricht möglicherweise einer Verzögerung des kognitiven Abbaus um sechs Monate, aber das Ausmass des klinisch bedeutsamen Nutzens ist nach wie vor umstritten (6).
Alle Wirkstoffe sind in der Schweiz für leichte bis mittelschwere AD-Demenz zugelassen. Gemäss Limitatio sollen alle sechs Monate kurze kognitive Verlaufstests (zum Beispiel Mini Mental-Status, MMSE) durchgeführt und die Behandlung bei einem MMSE-Score < 10 abgesetzt werden, wobei Studienergebnisse (7) darauf hindeuten, dass dies zu einer klinischen Verschlechterung führen kann. Es gibt keine evidenzbasierten Kriterien, die das individuelle Ansprechen auf die Behandlung vorhersagen. Cholinesterasehemmer sind nicht für präsymptomatische oder prodromale Demenzstadien indiziert. Die Empfehlung lautet, mit einer langsamen Titration über 4–8 Wochen zu beginnen, um Nebenwirkungen zu minimieren. Die typische Erhaltungsdosen sind: Donepezil 5–10 mg täglich (23 mg bei schweren Fällen), Galantamin 16–24 mg täglich (aufgeteilt), Rivastigmin 6–12 mg täglich (oral, aufgeteilt) oder 9,5–13,3 mg/24 h (transdermales Pflaster). Die Dosisanpassungen richten sich nach der Verträglichkeit und bei jedem Besuch sollten die Wirksamkeit und Nebenwirkungen überwacht werden.
Die häufigsten Nebenwirkungen bei bis zu 5–20% der Patienten, sind gastrointestinale Symptome mit Übelkeit, Erbrechen oder Durchfall, die bei transdermaler Gabe seltener sind, wohingegen diese trotz der empfohlenen täglichen Rotation der Applikationsstelle zu kutanen Nebenwirkungen führen kann. Weitere Risiken sind Bradykardie, Synkopen und in seltenen Fällen eine Verschlimmerung von Asthma oder Magengeschwüren. Donepezil wird im Allgemeinen besser vertragen als Rivastigmin. Zu den Kontraindikationen zählen bekannte
Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff, bei Patienten mit Herzleitungsstörungen oder aktiven gastrointestinalen Erkrankungen ist Vorsicht geboten.
NMDA-Rezeptorantagonisten Memantin ist ein nicht-kompetitiver NMDA-Rezeptor-Antagonist mit moderater Affinität, der die pathologisch erhöhte glutamaterge Aktivität blockiert, wodurch die exzitotoxische neuronale Schädigung reduziert wird. Memantin wird in der symptomatischen Behandlung von mittelschwerer bis schwerer AD-Demenz (MMSE ≤ 20) eingesetzt, bei leichter AD gibt es keinen bedeutenden Nutzen, und es ist für dieses Stadium nicht zugelassen (8).
Die Dosierung beginnt in der Regel mit 5 mg einmal täglich und wird wöchentlich in Schritten von 5 mg auf eine Tagesdosis von 20 mg erhöht. Eine langsame Dosistitration minimiert Nebenwirkungen. Memantin kann allein oder zusammen mit einem Cholinesterasehemmer (z.B. Donepezil) ohne signifikante Zunahme von Nebenwirkungen angewendet werden.
Eine neulich publizierte Metaanalyse von randomisierten kontrollierten Studien (n = 17 785 AD-Patienten) belegte die positiven Effekte auf die Kognition von Galantamin 32 mg täglich oder Donepezil 10 mg täglich in Kombination mit Memantin 20 mg täglich verglichen mit Plazebo bei Patienten mit milder bis moderater AD-Demenz (Galantamin), bzw. für moderate bis schwere AD-Demenz (Donepezil plus Memantin) (9).
Mögliche Nebenwirkungen sind Schwindel, Kopfschmerzen, Verwirrtheit und Obstipation; Unruhe tritt möglicherweise seltener auf als unter Plazebo. Kontraindikationen sind Überempfindlichkeit gegenüber Memantin; bei schwerer Nierenfunktionsstörung ist Vorsicht geboten.
Nicht-pharmakologische Interventionen Die kognitive Stimulation und Rehabilitation sind etablierte nicht-pharmakologische Interventionen bei AD. Die kognitive Stimulation wird in der Regel in Gruppen durchgeführt mit moderaten, jedoch signifikanten Effekten auf Gedächtnis, die Aktivitäten des täglichen Lebens und depressive Symptome (10). Kognitives Training und kognitive Rehabilitation in der Form einer strukturierten kognitiven Stimulationstherapie haben ebenfalls positive Effekte auf die allgemeine Kognition und Lebensqualität, insbesondere in Kombination mit physischer Aktivität (11).
Randomisierte kontrollierte Studien und Metaanalysen bestätigen die vorteilhafte Auswirkung von körperlicher Bewegung und Änderungen des Lebensstils auf AD (12). Regelmässige aerobe Übungen einschliesslich Kraft- und Gleichgewichtstraining können Verhaltenssymptome reduzieren und den kognitiven Abbau beeinflussen (13). Bisher konnte keine individuell angepasste Zeitmenge oder Mindestschwelle für den Nutzen von Bewegung ermittelt werden. Ebenfalls unbeantwortet bleibt die Frage des Wirkmechanismus der physischen Aktivität auf die Kognition – hierbei werden «direkte» Effekte mit Reduktion der Neuroinflammation, Förderung der Neurogenese, aber auch «indirekte» positive Effekte mit Minderung von kardiovaskulären Risiken diskutiert. In diesem Kontext sind weitere Änderungen des Lebensstils wie die
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Einhaltung einer mediterranen Ernährung, ausreichender Schlaf und soziale Kontakte ebenfalls empfohlen (14).
Die Aufklärung und Unterstützung von Familienangehörigen und Pflegepersonen sind weitere wesentliche Bestandteile einer umfassenden AD-Behandlung. Psychoedukative Interventionen, Mehrkomponentenprogramme und Selbsthilfegruppen können die Belastung der Pflegepersonen verringern, depressive Symptome bei den Patienten reduzieren und die Lebensqualität verbessern (15). Interventionen mit psychotherapeutischen Komponenten und achtsamkeitsbasierten Ansätzen sind besonders wirksam für die Stimmung und das Wohlbefinden der Pflegepersonen. Ferninterventionen können im Vergleich zu reinen Informationsangeboten zu einer leichten Verringerung der Belastung der Pflegepersonen und der depressiven Symptome führen, aber die Effekte sind minimal und können von der Verfügbarkeit der üblichen Dienstleistungen abhängen (16).
Zusammenfassend sind kognitive Stimulation, strukturierte körperliche Bewegung und umfassende Unterstützung für Pflegekräfte die etabliertesten nicht pharmakologischen Interventionen bei AD, mit moderaten, aber klinisch bedeutsamen Vorteilen für Patienten und pflegende Angehörige.
Kürzlich von der FDA und EMA zugelassene Therapien Monoklonale Anti-Amyloid-Antikörper sind die ersten krankheitsmodifizierenden Therapien für AD, die in randomisierten kontrollierten Studien mit einer relativen Verlangsamung der kognitiven und funktionellen Progredienz um etwa 25–30% über einen Zeitraum von 18 Monaten einhergehen. Sie sind bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (mild cognitive impairment, MCI) oder leichter Demenz indiziert. Zu den Wirkstoffen, die bereits zugelassen sind oder sich in der späten Entwicklungsphase befinden, gehören Aducanumab, Lecanemab und Donanemab. Diese Antikörper zielen auf aggregierte Formen von Amyloid-β ab, was zu einer signifikanten Verringerung der Amyloid-Plaque-Belastung führt (17,18).
Die Patientenauswahl erfordert eine Bestätigung der Amyloidpathologie durch Biomarker, in der Regel mittels AmyloidPET oder Liquor-Analyse. Eine Magnetresonanztomografie (MRT) vor der Behandlung ist unerlässlich, um das zerebrovaskuläre Risiko, insbesondere das Vorhandensein einer zerebralen Amyloidangiopathie zu beurteilen. Bei der Therapie können amyloidassozieerte Bildgebungsanomalien (amyloid‐related imaging abnormalities - ARIA) – einschliesslich ARIA-E (Ödem) und ARIA-H (Hämorrhagie) – häufig auftreten, insbesondere bei APOE-ε4 homozygoten Trägern und Personen mit vorbestehender vaskulärer Kopathologie. Die ARIA-Überwachung umfasst serielle MR-Untersuchungen, insbesondere während der ersten 3 – 6 Monaten mit einem geschätzten ARIA Risko zwischen 24% und 12%, jedoch mit 1% bis 6% symptomatischen ARIAs (19).
Aducanumab Aducanumab ist ein humaner monoklonaler Antikörper, der selektiv an Aβ-Aggregate im Gehirn bindet, die mikrogliale Clearance der Plaques erleichtert und möglicherweise die
nachgeschaltete Tau-Pathologie moduliert. Die FDA erteilte eine beschleunigte Zulassung aufgrund der Fähigkeit des Medikaments, die Amyloid-Plaques zu reduzieren, und nicht aufgrund eines nachgewiesenen klinischen Nutzens. Die beiden zulassungsrelevanten Phase-III-Studien (EMERGE und ENGAGE) lieferten widersprüchliche Ergebnisse: EMERGE zeigte eine moderate Verringerung des kognitiven Abbaus (0,39 Punkte auf der CDR-sum-of-boxes Skala), während ENGAGE seinen primären Endpunkt nicht erreichte.
Die praktische Anwendung wird durch den Bedarf an spezialisierter diagnostischer Infrastruktur, häufigen MRT-Kontrollen, hohen Kosten und dem Risiko schwerwiegender unerwünschter Ereignisse erschwert. Diese Faktoren sowie der ungewisse klinische Nutzen haben die Akzeptanz von Aducanumab eingeschränkt und Ende 2024 zu seiner Marktrücknahme in den USA geführt.
Lecanemab Lecanemab ist ein ebenfalls ein humanisierter monoklonaler Antikörper, der gegen die lösliche Aβ-Protofibrillen gerichtet ist. Die Phase-III-Studie Clarity AD zeigte, dass Lecanemab, verabreicht in einer Dosis von 10 mg/kg intravenös alle zwei Wochen, über einen Zeitraum von 18 Monaten zu einer statistisch signifikanten, aber moderaten Verlangsamung des kognitiven und funktionellen Abbaus im Vergleich zu Plazebo führte (20).
Das Sicherheitsprofil ist vor allem mit Augenmerk auf ARIA zu sehen, insbesondere bei homozygoten APOE-ε4-Trägern und erfordert ebenfalls eine regelmässige MR-Überwachung. «Real-world»-Daten aus spezialisierten Memory Kliniken zeigen, dass ARIA bei etwa 22% der behandelten Patienten auftritt, wobei etwa 6% symptomatische ARIA und 1% schwerwiegende Symptome aufweisen. Das Risiko für ARIA ist bei Patienten mit leichter Demenz höher als bei Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder sehr leichter Demenz. Wichtig ist, dass in diesen Kohorten keine Makroblutungen oder Todesfälle beobachtet wurden und die Gesamtabbrecherquote aufgrund unerwünschter Ereignisse unter 10% lag (19).
Donanemab Donanemab ist ebenfalls ein monoklonaler Anti-Amyloid- Antikörper, der alle vier Wochen intravenös 700 mg für die ersten drei Dosen und danach in einer Dosis von 1400 mg verabreicht wird. In der Phase-III-Studie TRAILBLAZER-ALZ 2 verlangsamte Donanemab im Vergleich zu Plazebo den kognitiven und funktionellen Verfall in der primären Zielpopulation über einen Zeitraum von 18 Monaten um etwa 35%. Die Studie verwendete einen «Treat-to-Clear»-Ansatz, bei dem serielle Amyloid-PET-Scans die Behandlungsdauer bis zum Unterschreiten einer Schwelle der zerebralen Amyloid-Pathologie bestimmten; 52% der Teilnehmer wurden innerhalb von zwölf Monaten Amyloid-PET-negativ (21). Der Nutzen wird klinisch als gering eingeschätzt, und die Wirkung war bei Patienten mit hohen Ausgangswerten für Tau (als Marker einer weiter fortgeschrittenen Erkrankung) abgeschwächt, was die Bedeutung
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einer frühzeitigen Intervention und einer taubasierten Stratifizierung unterstreicht (22).
Das therapiebedingte Auftreten von ARIA, insbesondere ARIA-E (mit Ödem) bleibt als befürchtete Nebenwirkung. Bei 24% der mit Donanemab behandelten Patienten traten ARIA auf, davon 5,8% symptomatische ARIA-E und 1,5% schwerwiegende ARIA-E. ARIA-H (mit Hämosiderinablagerung) traten unter Donanemab mit 31,3% häufiger auf als unter Plazebo. Die meisten ARIA-Ereignisse traten innerhalb der ersten drei Monate auf und waren häufiger bei APOE-ε4-Homozygoten und bei Personen mit vorbestehenden Zeichen einer zerebralen Amyloidangiopathie.
Donanemab zeigt einen moderaten klinischen Nutzen bei der frühen symptomatischen Alzheimer-Krankheit mit einem Nebenwirkungsprofil, das von ARIA dominiert wird. Es bedarf ebenfalls einer sorgfältigen Patientenauswahl, auf Biomarkern basierende Einschlusskriterien und einer intensiven MRTÜberwachung, insbesondere in den ersten sechs Monaten der Therapie.
Antipsychotika Antipsychotika sind nur für Patienten mit mittelschwerer bis schwerer Alzheimer-Krankheit geeignet, die unter anhaltender, belastender oder gefährlicher Unruhe oder Psychosen leiden, die auf nicht medikamentöse Massnahmen nicht ansprechen.
Metaanalysen zeigen eine geringe, aber statistisch signifikante Verringerung der Unruhe bei atypischen Antipsychotika, jedoch nur minimale Auswirkungen auf Psychosen. Brexpiprazol zeigte in Phase-III-Studien eine mässige Wirksamkeit bei Unruhezuständen; Risperidon und Aripiprazol weisen die besten Belege für Psychosen auf (23,24).
Grundprinzip ist es, die niedrigste wirksame Dosis zu verwenden und langsam zu titrieren. Bei Brexpiprazol sollte mit 0,5 mg/Tag begonnen und während zwei Wochen auf 2–3 mg/Tag titriert werden (23). Bei Risperidon liegen die typischen Anfangsdosen bei 0,25–0,5 mg/Tag, titriert auf maximal 1–2 mg/Tag. Hierzu gehört auch die regelmässige Kontrolle der Wirksamkeit und Nebenwirkungen sowie eine Überprüfung der Therapiefortsetzung.
Die häufigsten Nebenwirkungen sind Somnolenz, extrapyramidale Symptome, Stürze, zerebrovaskuläre Ereignisse sowie höhere Mortalität, insbesondere im fortgeschrittenen Alter. Zu den Kontraindikationen zählen eine positive Anamnese für malignes neuroleptisches Syndrom, schwere HerzKreislauf-Erkrankungen und frühere schwere Nebenwirkungen auf Antipsychotika.
klinische Studien in frühen Phasen, um die Sicherheit und Wirksamkeit solcher Strategien zu bewerten. Bis jetzt hat jedoch keine kombinierte Anti-Amyloid-/Anti-Tau-Therapie in gross angelegten Studien einen eindeutigen klinischen Nutzen gezeigt (26).
Darüber hinaus können Kombinationsschemata auch die gemeinsame Verabreichung von Anti-Amyloid-Therapien mit Wirkstoffen, die auf Neuroinflammation oder synaptische Dysfunktion abzielen, sowie den Einsatz fortschrittlicher Verabreichungssysteme zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit im Zentralnervensystem umfassen. Die Begründung für diese Ansätze wird durch die begrenzte Wirksamkeit von Monotherapien und die komplexe Pathophysiologie der AD gestützt.
Praktische klinische Überlegungen Patientenbewertung und -auswahl Der aktuelle Konsens betont einen klinisch-biologischen Ansatz für die AD-Diagnose, bei dem die kognitive Beurteilung mit der Bestätigung durch Biomarker kombiniert wird. Die Alzheimer's Association und das National Institute on Aging empfehlen, dass die Diagnose der symptomatischen AD den Nachweis einer kognitiven Beeinträchtigung und die Bestätigung der AD-Pathologie durch validierte Biomarker umfasst (27). Blutbasierte Biomarker (insbesondere Plasma-p-tau217) dürften bald verfügbar sein und können als erste Screeninginstrumente dienen (28), womit Liquor- oder PET-Tests in Zukunft der Bestätigung für unklare Fälle vorbehalten bleiben. Die internationale Arbeitsgruppe empfiehlt darüber hinaus, die Interpretation der Biomarker im Kontext des kognitiven Phänotyps zu vorzunehmen, um eine Überdiagnostizierung zu vermeiden, insbesondere bei leichter kognitiver Beeinträchtigung (29). Vor Beginn der Therapie ist es unerlässlich, alternative Ursachen auszuschliessen und Begleiterkrankungen zu beurteilen.
Prognosegespräche sollten sich mit dem zu erwartenden Verlauf des kognitiven Abbaus, der geringen Wirksamkeit der derzeitigen krankheitsmodifizierenden Therapien und den möglichen Nebenwirkungen befassen (18).
Die American Academy of Neurology postuliert, dass eine gemeinsame Entscheidungsfindung von entscheidender Bedeutung ist, insbesondere bei der Therapie mit monoklonalen Anti-Amyloid-Antikörpern. Dieser Prozess sollte eine klare Kommunikation über die Ziele der Therapie, insbesondere der Verlangsamung des Fortschreitens ohne Verbesserung, über die Risiken wie z.B. ARIA, Infusionsreaktionen, und über die logistischen Belastungen, d.h. häufige Infusionen, MRT-Überwachung und finanzielle Auswirkungen umfassen.
Neue therapeutische Ansätze Angesichts der multifaktoriellen Natur der Alzheimer-Erkrankung, zu der Amyloid, Tau, Neuroinflammation und vaskuläre Dysfunktion beitragen, wächst das Interesse an kombinierten Therapieansätzen. Dazu gehören die gleichzeitige Verabreichung von Anti-Amyloid- und Anti-Tau-Antikörpern sowie die Entwicklung bispezifischer Antikörper, die gleichzeitig auf Aβ und Tau abzielen oder die Durchlässigkeit der Blut-Hirn-Schranke verbessern können (25). Derzeit laufen
Künftige Ausrichtung Präventionsstrategien und Risikominderung fokussieren sich zunehmend auf potenziell modifizierbare Risikofaktoren. Die Weltgesundheitsorganisation und die Lancet-Kommission haben bis zu 14 Risikofaktoren identifiziert, unter anderem Bluthochdruck, Hörverlust, Bewegungsmangel, Ernährung, soziale Isolation, wobei Schätzungen zufolge die Bekämpfung dieser Faktoren die Demenzinzidenz um bis zu 45% senken könnte (14). Allerdings sind die Ergebnisse randomisierter
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kontrollierter Studien für die meisten Interventionen nach wie vor nicht eindeutig.
Die Präzisionsmedizin gewinnt auch bei der Alzheimer-Erkrankung mit individualisierten Behandlungsplänen, die auf genetischen, Biomarker- und klinischen Profilen basieren, an Bedeutung. Studien deuten darauf hin, dass eine auf patientenspezifische Faktoren der Neurodegeneration (z.B. ApoE-Genotyp, Komorbiditäten, Biomarkerstatus) zugeschnittene Behandlung im Vergleich zur Monotherapie zu besseren Ergebnissen führen kann. Allerdings sind gross angelegte randomisierte Studien erforderlich, um die Wirksamkeit zu ermitteln.
Digitale Therapeutika und Fernüberwachung entwickeln sich rasant weiter. Digitale Tools – darunter computergestütztes kognitives Training, mobile Anwendungen, Wearables und Fernüberwachungsplattformen – haben sich bei der Verbesserung der kognitiven und funktionellen Ergebnisse bei älteren Erwachsenen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder Demenz als wirksam erwiesen. Diese Technologien erleichtern auch die individuelle Pflege, die Früherkennung von Verschlechterungen und die Unterstützung von Pflegekräften, obwohl die Umsetzung in der Praxis weiterhin eine Herausforderung darstellt (30–32).
Schlussfolgerung Aktuelle evidenzbasierte Empfehlungen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit (AD) betonen eine Kombination aus pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen. Die pharmakologische Erstlinientherapie bei leichter bis mittelschwerer AD besteht aus Cholinesterasehemmern. Bei mittelschwerer bis schwerer AD ist Memantin, ein NMDARezeptorantagonist, zugelassen und kann allein oder in Kombination mit einem Cholinesterasehemmer angewendet werden. Diese Wirkstoffe bieten moderate, aber anhaltende kognitive und funktionelle Vorteile und können die Einweisung in eine Pflegeeinrichtung verzögern und die Belastung der
MERKPUNKTE
• Bei leichter bis mittelschwerer AlzheimerKrankheit Cholinesterasehemmer einsetzen; bei schwerer Erkrankung auf Memantin umstellen.
• Bei geeigneten Patienten im Frühstadium der Erkrankung Anti-Amyloid-Therapien in Betracht ziehen (Zulassung in der Schweiz ausstehend) und dabei Nutzen und Risiken abwägen.
• Bei Verhaltenssymptomen nicht medikamentöse Behandlung priorisieren; Antipsychotika sollten nur mit Vorsicht und zeitlich limitiert eingesetzt werden.
• Überprüfen Sie regelmässig die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie und beziehen Sie Pflegekräfte in die Pflegeplanung mit ein.
LINKTIPP
Therapieempfehlungen der Swiss Memory Clinics
Pflegepersonen verringern, obwohl sie das Fortschreiten der Krankheit nicht aufhalten (8).
Für Patienten mit leichter kognitiver Beeinträchtigung (MCI) oder leichter AD-Demenz sind die monoklonalen Anti-Amyloid-Antikörper (Lecanemab, Donanemab) noch im Prozess der Zulassung bei Swissmedic. Nicht pharmakologische Interventionen – wie kognitive Stimulation, strukturierte Aktivitäten und Verhaltensstrategien – werden als Erstbehandlung für Verhaltensauffälligkeiten und psychische Symptome bei Demenz empfohlen, während pharmakologische Wirkstoffe schweren oder therapieresistenten Symptomen vorbehalten sind.
Korrespondenzadresse: Prof. Bogdan Draganski, MD MAE Universitätsklinik für Neurologie Memory Klinik Inselspital Bern Rosenbühlgasse 25 3010 Bern E-Mail: bogdan.draganski@insel.ch
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