Transkript
FORTBILDUNG
Erfahrungen aus dem Europäischen Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie
Systemische Sklerose – interdisziplinäre Therapieansätze
Die Behandlung der systemischen Sklerose (SSc) hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Basierend auf einer langjährigen Expertise am Europäischen Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie hat sich ein interdisziplinärer Therapieansatz für eine zielgerichtete und ganzheitliche Behandlung etabliert. Neben einer Zusammenfassung über die SSc sollen in diesem Artikel die aktuellen medikamentösen und nicht medikamentösen Therapiemöglichkeiten dargestellt werden.
Nicole Nyfeler, Ulrich Gerth
Europäisches Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie An der Reha Rheinfelden wurde 2007 das Europäische Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie gegründet. In den vergangenen Jahren hat sich eine besondere Expertise bei der Behandlung der systemischen Sklerose (SSc) und anderen sklerodermiformen Erkrankungen herausgebildet. Diese beinhaltet neben einer umfassenden interdisziplinären Diagnostik eine breite Palette medikamentöser und nicht medikamentöser Therapien. Seit 2021 ist das Zentrum zudem akkreditiertes Mitglied der EUSTAR (European Scleroderma Trials and Research Group), einem renommierten internationalen ForschungsnetzwerkmitdemZiel,dieTherapie, Lebensqualität und Prognose von Patienten mit SSc zu verbessern. Gemeinsames Ziel ist es, mittels evidenzbasierter Medizin die Bedürfnisse der Patienten mit denen der klinischmedizinischen Beurteilung und wissenschaftlichen Evidenz in Einklang zu bringen. Hierdurch kann den Patienten in einem spezialisierten interdisziplinären Behandlungsteam
MERKPUNKTE
• Das Raynaud-Phänomen ist oft das erste Anzeichen einer systemischen Sklerose, insbesondere beim Auftreten im Erwachsenenalter. Die Bestimmung antinukleärer Antikörper (ANA) und Durchführung einer Kapillarmikroskopie sind erste Schritte zur Diagnosesicherung. Eine frühzeitige Überweisung zum Rheumatologen ist empfehlenswert.
• Die systemische Sklerose ist heutzutage gut behandelbar. Aktuelle EULAR-Leitlinien geben Empfehlungen zur medikamentösen und nicht medikamentösen Therapie.
• Eine rechtzeitige und gezielte Therapie kann Organschäden verhindern. Spezialisierte Zentren bieten eine koordinierte Betreuung, weitergehende Diagnostik und interdisziplinäre Behandlungsmöglichkeiten.
eine Kombination aus medikamentösen und nicht medikamentösen Therapien basierend auf neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen angeboten werden.
Seit 2024 werden zudem in dem vom Kanton Aargau unterstützten ScleroCARE-Projekt die mannigfaltigen Therapiemöglichkeiten im Hinblick auf die Wirksamkeit aus Sicht der Betroffenen und ihrer pflegenden Angehörigen prospektiv wissenschaftlich untersucht. Ziel ist, funktionelle Zustandsverschlechterungen rechtzeitig zu erkennen und durch gezielte therapeutische Massnahmen die Lebensqualität, Leistungs- und Arbeitsfähigkeit zu erhalten.
Systemische Sklerose Bei der SSc handelt es sich um eine chronische, entzündliche Autoimmunerkrankung, bei der verschiedene Organsysteme (u.a. Haut, Gelenke und innere Organe) betroffen sein können. Sie tritt in verschiedenen Formen auf und weist ausgeprägte heterogene Verläufe auf. Erste Symptome treten typischerweise im 30.–60. Lebensjahr auf (1). Frauen haben ein vierbis fünfmal höheres Risiko, an SSc zu erkranken (2). Die Prävalenz variiert je nach Region; in Europa liegt sie bei etwa 15 Fällen pro 100 000 Personen, mit einer jährlichen Inzidenz von 1,6 pro 100 000 Personen (ca. 1400 Personen in der Schweiz betroffen) (3).
Initiale Symptome und Diagnosestellung Die Diagnosestellung der SSc gestaltet sich aufgrund ihrer manchmal unspezifischen und schleichenden Symptomatik häufig schwierig und langwierig. Betroffene berichten oft von einer durchschnittlichen Dauer von 2–3 Jahren zwischen dem Auftreten erster Symptome bis zur Diagnose SSc (4).
Das erste Anzeichen der Erkrankung ist häufig das Raynaud-Phänomen, bei dem es zu einer vorübergehenden Durchblutungsstörung der Finger durch Gefässkontraktionen kommt, die sich klinisch durch Blässe, Zyanose und anschliessende Rötung (Weiss-, Violett- und Blaufärbung als Tricolore) äussert. Dieses Symptom findet sich bei etwa 75–95% der
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Patienten und kann Jahre vor der eigentlichen Diagnose auftreten (5,6).
Zur Klassifikation der SSc dienen die ACR/EULAR-Klassifikationskriterien von 2013 (7). Zentrale diagnostische Elemente sind der immunologische Nachweis antinukleärer Antikörper (ANA) mit entsprechendem Fluoreszenzprofil sowie SSc-spezifische Autoantikörper (u.a. Anti-Centromer-Antikörper [ACA], Anti-Topoisomerase I [Anti-Scl-70], Anti-RNAPolymerase-III). Letztere erlauben zudem eine Aussage über die Organbeteiligung und den Verlauf der Erkrankung. Zudem sollten eine standardisierte Hautbeurteilung anhand des modifizierten Rodnan Skin Score und eine kapillarmikroskopische Untersuchung zur Evaluation einer etwaigen Vaskulopathie bei der initialen Diagnosestellung erfolgen.
Verlauf mit möglicher Organbeteiligung Nach dem Raynaud-Phänomen stellen sogenannte «puffy fingers», bei denen die Finger diffus anschwellen und sich weich anfühlen (Beweglichkeit noch vorhanden, jedoch eingeschränkt) ein typisches Symptom dar. Diese Schwellungen gehen oft mit morgendlichen Schmerzen einher und können im Verlauf der Erkrankung in eine Verdickung und Verhärtung der Haut bis zu einer Sklerodaktylie übergehen (oft FlexionsKontrakturen mit Streck- und Beugedefizit). Weitere komplikative Symptome an den Händen sind Fingerkuppennekrosen (sog. «pitting scars») und digitale Ulzera.
Im weiteren Verlauf können sich bei der diffusen Form die Hautveränderungen über die Hände hinaus auf andere Kör-
LINKTIPPS
Europäisches Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie, Reha Rheinfelden
ScleroCARE-Projekt
perregionen ausbreiten. Charakteristisch für die Erkrankung sind zudem das sogenannte «Maskengesicht», das durch eine eingeschränkte Mimik entsteht, sowie die Bildung eines «Tabaksbeutelmundes», bei dem die Mundöffnung verkleinert ist. Diese Veränderungen können zu funktionellen Einschränkungen führen wie beispielsweise Schwierigkeiten beim Sprechen oder Schlucken. Zudem können auch Teleangiektasien und Kalzinosen entstehen. Beispiele für diese Symptome sind in Abbildung 1 aufgezeigt.
Neben den Hautsymptomen können auch innere Organe betroffen sein. Bei 25% der Patienten kommt es innerhalb von drei Jahren zu einer Beteiligung der Lunge, was sich in Symptomen wie Atemnot und Husten äussern und zu einer interstitiellen Lungenerkrankung (z.B. scleroderma-associated interstitial lung disease, SSc-ILD) führen kann (8).
Auch der Verdauungstrakt kann betroffen sein, was in Beschwerden wie gastroösophagealem Reflux oder Schluckstörungen resultieren kann. Andere Manifestationen betreffen das Herz, wobei vor allem eine pulmonal arterielle Hypertonie
Raynaud-Phänomen
Teleangiektasien
«puffy fingers»
Sklerodaktylie
Bilder: Reha Rheinfelden
Typisches Maskengesicht mit Tabaksbeutelmund
Digitale Ulzera
Abbildung 1: Klinische Zeichen der systemischen Sklerose
«pitting scars»
Calcinosis cutis
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zu erwähnen ist, die Niere, mit Niereninsuffizienz bis hin zu einer renalen Krise, und den Bewegungsapparat mit Myalgien bzw. Myositiden und Arthralgien bzw. Arthritiden.
Im Verlauf der Abklärungen werden weitergehende bildgebende und funktionelle Untersuchungen zur Erkennung von Organmanifestationen durchgeführt. Dazu gehören Lungenfunktionstests (Bodyplethysmografie mit Diffusionsmessung), hochauflösende Computertomografie (HRCT) der Lunge (SScILD?), Echokardiografie und gegebenenfalls Rechtsherzkatheter bei Verdacht auf pulmonale Hypertonie.
Die Sicht des Patienten In der Betrachtung und Bewertung einzelner Aspekte der SSc bestehen unterschiedliche Schwerpunkte und Sichtweisen zwischen Arzt und Patient. Aus Sicht des Patienten sind insbesondere Symptome mit besonderer Krankheitslast für Betroffene schwerwiegend, das sind die Abnahme der Handfunktion und deren Muskelkraft, Gelenkschmerzen, Atemnot, Müdigkeit, Schlaf- und Verdauungsstörungen sowie ein inneres Kältegefühl oder auch allgemeine Schmerzen (oft sekundäre Fibromyalgie). Dazu kommt bei vielen Patienten eine FatigueSymptomatik, die die Lebensqualität zusätzlich reduziert (2). Hierbei werden von Betroffenen sowohl SSc-spezifische, aber auch sekundäre unspezifische Symptome geschildert, die es bei der Festlegung der einzelnen Therapiebausteine zu berücksichtigen gilt. In Tabelle 1 sind die häufigsten Symptome sowie ihre Häufigkeit in der Schweiz, inklusive deren Vergleich international, aufgelistet (5,6).
Die frühe Erkennung dieser Symptome ist entscheidend, um eine rechtzeitige Diagnose und entsprechende Behandlung einzuleiten. Nur so lässt sich ein Organschaden (Damage) vermeiden, der durch die erkrankungsbedingte Inflammation und Vaskulopathie eintritt. Aufgrund der relativ niedrigen Prävalenz, heterogenen Verläufe sowie oft unspezifischen Symptomatik der SSc ist jedoch eine fachärztliche Betreuung (oft in spezialisierten Zentren) mit weitergehenden Untersuchungen erforderlich.
Aktuelle EULAR-Empfehlungen Die Behandlung der SSc hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. So konnte durch die Weiterentwicklung der Therapien die Prognose der vor vielen Jahren noch als schicksalhaft und nicht heilbar angesehenen Erkrankung deutlich verbessert werden. Die aktuellen Leitlinien der EULAR (vormals European League Against Rheumatism, jetzt European Alliance of Associations for Rheumatology) aus 2023 bieten eine evidenzbasierte Grundlage für die medikamentöse und nicht medikamentöse Therapie dieser komplexen Multisystemerkrankung. Ziel der Behandlung ist es, die Krankheitsaktivität zu kontrollieren, Organschäden zu verhindern und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Therapie der SSc erfordert ein individuell angepasstes, multidisziplinäres Management.
Medikamentöse Therapie Die Wahl der medikamentösen Therapie richtet sich nach dem Organbefall und dem klinischen Verlauf. Eine Übersicht der aktuellen medikamentösen Therapieempfehlung ist in Tabel-
Tabelle 1: Häufigkeit von SSc-Symptomen: die Schweiz im Vergleich
Symptome
Häufigkeit
Total Schweiz weitere
Länder*
n = 1001 n = 50 n = 951
% % %
Fatigue
91 85 (76–96)
Raynaud-Phänomen
88 83 (84–98)
Gelenkschmerz
82 83 (81–92)
Steifheit der Hände
80 73 (59–91)
Schlafstörungen
75 80 (69–84)
Erektile Dysfunktion
74 100 (50–100)
Muskelschmerz
73 79 (70–86)
Hautstraffung
73 79 (68–79)
Empfindliche Gelenke
71 69 (49–79)
Schwierigkeiten beim Halten
69 63 (51–85)
von Gegenständen
Kurzatmigkeit
68 84 (63–86)
Mundtrockenheit
68 69 (55–79)
Sodbrennen
67 74 (59–76)
Schwierigkeiten
66 73 (62–69)
beim Treppensteigen
Schwierigkeiten,
65 49 (41–76)
die Faust zu machen
Jucken
63 69 (48–70)
Schwierigkeiten
62 77 (55–75)
bei der Konzentration
Änderung der Hautfarbe
62 40 (55–78)
Trockene Augen
60 66 (53–67)
Erweiterte Handgefässe
60 44 (49–74)
Schwierigkeiten beim Erinnern
60 79 (49–70)
Schwierigkeiten beim Schlucken
59
77 (53–70)
Geschwollene Gelenke
59 57 (48–70)
Schwierigkeiten beim Gehen
58 66 (55–63)
Vaginale Trockenheit
56 76 (52–68)
Taubheit
55 63 (52–69)
Durchfall
54 60 (50–67)
Hautschmerzen
54 53 (45–58)
Schwierigkeiten, beim Auto
52 61 (42–59)
ein-/auszusteigen
Verstopfung
51 65 (42–64)
* Frankreich, Niederlande, Spanien, Vereinigtes Königreich, Kanada: zusammengefasst angegeben als Range zwischen niedrigstem und höchstem Wert
SSc: systemische Sklerose
Quelle: Daten aus Patientenbefragungen aus Europa (5) und Kanada (6), Symptome mit einer Häufigkeit von > 50%
le 2 aufgezeigt. Die Aufgabe des behandelnden Rheumatologen ist dann, regelmässig nach entsprechenden Organmanifestationen zu suchen und dem Patienten evidenzbasiert die entsprechenden Therapien zu offerieren.
Nicht medikamentöse Therapie Die nicht medikamentöse Therapie stellt einen unverzichtbaren Bestandteil im multidisziplinären Management der Erkrankung dar. Sie zielt darauf ab, funktionelle Einschränkungen zu verhindern, Komplikationen zu reduzieren und die Lebensqualität der Patienten nachhaltig zu verbessern. Die
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Tabelle 2: Leitliniengerechte Behandlung der systemischen Sklerose (nach Organmanifestation)
Raynaud-
Digital-
Pulmonale
Haut-
ILD
Muskulo- Magen-
Syndrom
ulzera
Hypertonie
fibrose
skelettal Darm-Trakt
A PDE-5-Hemmer, PDE-5-Hemmer, PDE-5-Hemmer, HSCT, HSCT,
Iloprost,
Bosentan,
ERA,
Rituximab, Rituximab,
CCB
Iloprost
Prostanoide MTX MMF,
CYC,
Nintedanib
B
Riociguat,
MMF
TCZ
PPI
Iloprost
C
kein Warfarin TCZ
Prokinetika
D
MTX Antibiotika
Renale Krise
keine ACEHemmer zur Prävention ACE-Hemmer
ILD: interstitial lung disease; Prostanoide: Epoprostenol, Iloprost oder Treprostinil; ERA: Endothelinrezeptorantagonist (Ambrisentan, Bosentan oder Macitentan); CCB: Kalziumkanalblocker; CYC: Cyclophosphamid; HSCT: hämatopoetische Stammzelltransplantation; MMF: Mycophenolat-Mofetil; MTX: Methotrexat; PDE: Phosphodiesterase; TCZ: Tocilizumab; A–D: Evidenzklassen A bis D; ACE: angiotensin-converting enzyme
Quelle: adaptiert nach (13)
Abbildung 2: Oben: Steigerung der Beweglichkeit vor (links) und nach (rechts) Ergotherapie; unten: Handmobilisation in warmen Körnern (links) und individuell angefertigte Schienenanpassung zur Wiederherstellung der Beweglichkeit bei Sklerodaktylie und Beugekontrakturen (rechts)
Abbildung 3: Wärmeanwendungen bei Patienten mit systemischer Sklerose: links: wIRA®-Ganzkörper-Hyperthermie; rechts: Paraffinbad der Hände
EULAR-Leitlinien 2023 betonen die Bedeutung dieser Therapieformen und empfehlen deren systematische Integration in die Versorgung von Menschen mit SSc (9). Wichtig zu erwähnen ist, dass man mit den medikamentösen Therapien zwar Durchblutung, Inflammation und Fibrose beeinflussen kann, nicht jedoch Kraft, Ausdauer, Zufriedenheit und Akzeptanz. Hier liegt der Schwerpunkt bei den nicht medikamentösen Therapien, wobei im Zentrum an der Reha Rheinfelden eine langjährige Expertise diesbezüglich vorhanden ist.
Ein zentraler Baustein ist die physio- und ergotherapeutische Begleitung. Sie umfasst Atemmuskeltraining, sekretlösende Techniken, Schulung in energieeffizientem Atmen sowie Ausdauertraining im Rahmen pulmonaler Rehabilitationsprogramme. Diese Massnahmen verbessern die körperliche Leistungsfähigkeit und reduzieren die Dyspnoe. Insbesondere bei Patienten mit interstitieller Lungenerkrankung oder pulmonaler arterieller Hypertonie sind atemtherapeutische Massnahmen von besonderer Relevanz.
In der Ergotherapie durchgeführte Gelenkmobilisationen – sowohl aktiv als auch passiv – dienen dem Erhalt der Gelenkbeweglichkeit und der Prävention von Kontrakturen (10,11). Bei fortgeschrittenen Befunden kann zudem eine individuell angefertigte Schienenanpassung zur Wiederherstellung der Beweglichkeit bei Sklerodaktylie und Beugekontrakturen hilfreich sein. Beispiele finden sich in Abbildung 2.
Die Vaskulopathie mit Raynaud-Phänomen ist ein zentrales Anliegen vieler Patienten und erfordert gezielte nicht medikamentöse Massnahmen. Dazu zählen Kälteschutz durch geeignete Kleidung, thermoregulierende Hilfsmittel wie beheizbare Handschuhe, das Vermeiden von Stress und der vollständige Nikotinverzicht. Ergänzend können Techniken wie Biofeedback oder autogenes Training zur Reduktion vasospastischer Anfälle beitragen. Ergänzend führt die gezielte Wärmeanwendung mittels wIRA®(wassergefiltertes Infrarot A)-Ganzkörper-Hyperthermie und Paraffinbädern an den Extremitäten zur Symptomlinderung und wirkt sich oft auch positiv auf die Schmerzwahrnehmung aus (12) (Abbildung 3).
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Bilder: Reha Rheinfelden
Bilder: Reha Rheinfelden
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Bilder: Reha Rheinfelden
Durch spezielle Lymphdrainagen und Bindegewebsmassagen lässt sich ein Lymphödem lindern (Abbildung 4). Dehntechniken unterstützen zudem die Aufrechterhaltung der Hautelastizität. Therapeutische Massnahmen fördern die Handfunktion und Feinmotorik und helfen dabei, alltägliche Aktivitäten trotz eingeschränkter Mobilität möglichst selbstständig zu bewältigen.
Darüber hinaus umfasst die interdisziplinäre und ganzheitliche Therapie der multiplen Beschwerden von SSc-Patienten Aspekte der Hautpflege bis zur Wundversorgung und zu Infusionstherapien bei bestehenden Ulzera durch erfahrenes medizinisches Personal.
Bei verschiedenen gastrointestinalen Symptomen (z.B. gastroösophagealer Reflux, Motilitätsstörungen, Malabsorption) können Ernährungstherapie und logopädische Massnahmen helfen.
Aufgrund der hohen psychischen Belastung durch die chronische Erkrankung können zudem ergänzende psychologische Unterstützungsangebote inklusive Verhaltenstherapie, Entspannungsverfahren sowie der Zugang zu Selbsthilfegruppen oder psychosozialer Beratung die Krankheitsverarbeitung unterstützen und Symptome lindern.
Zudem betonen die EULAR-Leitlinien die Bedeutung strukturierter Patientenschulungen. Ziel ist es, die Betroffenen zu befähigen, Symptome frühzeitig zu erkennen, therapeutische Massnahmen besser zu verstehen und aktiv in die eigene Versorgung eingebunden zu werden. Entsprechende Schulungen werden regelmässig in unserem Zentrum durchgeführt und umfassen unter anderem den Umgang mit Medikamenten, Warnzeichen von Organkomplikationen, Hautpflege, Kälteschutz, Ernährung und psychosoziale Aspekte der Erkrankung.
Die nicht medikamentöse Therapie der SSc muss individuell angepasst und regelmässig evaluiert werden. Eine enge interprofessionelle Zusammenarbeit ist entscheidend, um die komplexen Bedürfnisse der Betroffenen adäquat zu adressieren. In Verbindung mit den organbezogenen medikamentösen Massnahmen bildet sie die Grundlage einer modernen, ganzheitlichen und evidenzbasierten Versorgung von Menschen mit SSc.
PD Dr. med. Dr. rer. nat. Ulrich Gerth Stv. Chefarzt, Reha Rheinfelden Leiter Europäisches Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie Leiter Muskuloskelettale Rehabilitation und Rheumatologie Leiter Weiterbildungsstätte Rheumatologie
Nicole Nyfeler Europäisches Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie Reha Rheinfelden
Korrespondenzadresse: PD Dr. med. Dr. rer. nat. Ulrich Gerth Europäisches Zentrum für die Rehabilitation der Sklerodermie Reha Rheinfelden Salinenstrasse 98, 4310 Rheinfelden, Schweiz rheuma@reha-rhf.ch
Interessenlage: U. Gerth und N. Nyfeler sind Mitarbeiter der Reha Rheinfelden.
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Abbildung 4: Anwendung einer Lymphdrainage (rechts) und Bindegewebsmassage (rechts) im Rückenbereich von Patienten mit systemischer Sklerose
LESETIPPS
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