Transkript
EDITORIAL
Arbeiten trotz psychischer Erkrankung: Potenziale sinnvoll nutzen
V or rund drei Jahren hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihre Analyse zur psychischen Gesundheit und Beschäftigung in der Schweiz publiziert (1). Das Fazit lautete, dass die vorhandenen Potenziale wegen der mangelnden Zusammenarbeit zwischen Ärzten, Arbeitgebern und Versicherern zu wenig genutzt werden. Das heisst: Wir machen zu wenig aus unserem sehr gut funktionierenden Arbeitsmarkt, zu wenig aus den vielfältigen Unterstützungsmöglichkeiten unserer Sozial- und Privatversicherungen und zu wenig aus der höchsten Psychiaterdichte in der Schweiz im Vergleich zu allen OECD-Ländern. Wenn bei psychiatrischen Patienten von Arbeitsproblemen die Rede ist, muss man zumindest zwei Situationen unterscheiden: Patienten, die grosse Probleme im ersten Arbeitsmarkt haben, und Patienten, die zumindest teilweise wieder in den Arbeitsmarkt integriert werden sollen. Für Letztere gibt es heute fundierte und wirksame psychiatrische Reintegrationsprogramme, wie das Beispiel aus Lausanne (Seite 13) zeigt. Hinsichtlich der grossen Mehrheit psychisch kranker Personen im ersten Arbeitsmarkt fehlt es
hingegen an Wissen, fachlich fundierten Interven-
tionen und Kontakten zu anderen Akteuren. Am
Beispiel der Psychiatrie Baselland wird aufgezeigt,
wie der Arbeitsfokus in der Behandlung verstärkt
werden kann (Seite 4). Und am Beispiel eines ge-
meinsamen Forschungsprojektes der Psychiatri-
schen Dienste SRO mit den CEO und dem Wirt-
schaftsverbund in der Region Oberaargau (Kanton
Bern) wird deutlich, dass solche Kooperationen zu
Lerneffekten und zu einem verstärkten gegenseiti-
gen Verständnis führen können (Seite 9).
Psychisch bedingte Arbeitsprobleme entfalten
wegen ihrer Unsichtbarkeit, ihrer Tabuisierung
und Stigmatisierung sowie ihrer Beziehungs-
lastigkeit rasch eine komplexe emotionale Dyna-
mik und viel Abwehr. Dem kann man nur gemein-
sam wirkungsvoll begegnen!
Wir wünschen Ihnen eine anregende und span-
nende Lektüre dieser Ausgabe.
G
Dr. Niklas Baer Leiter Fachstelle für Psychiatrische Rehabilitation
Psychiatrie Baselland E-Mail: niklas.baer@pbl.ch
1. OECD (2014) Mental Health and Work: Switzerland. OECD Publishing, Paris.
LESERUMFRAGE
Sehr geehrte Leserinnen und Leser
Diese Ausgabe befasst sich mit Arbeitsproblemen von psychisch erkrankten Menschen. Die Redaktion der «Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie & Neurologie» und Dr. Niklas Baer, Leiter der Fachstelle für psychiatrische Rehabilitation der Psychiatrie Baselland, laden Sie zu einer Leserumfrage ein.
Relevante Verbesserungen der Arbeitssituation lassen sich bei psychisch Kranken auch bei «guter» Behandlung oftmals nicht einfach erreichen. Deshalb interessiert uns vor allem, was Sie von weitergehenden Massnahmen halten würden, beispielsweise von verstärkten Anreizen und gesetzlichen Vorgaben.
Die Umfrage dient einerseits dazu, fachliche Grundlagen in einem aus psychiatrischer Sicht bisher nahezu unerforschten Gebiet zu schaffen, und soll andererseits dabei helfen, die Erfahrungen der Psychiater vermehrt in die öffentliche Diskussion (z.B. die aktuelle Reform der Invalidenversicherung) einzubringen. Schliesslich knüpfen einige Fragen an die von der Schweizerischen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie (SGPP) und der Psychiatrie Baselland 2016 gemeinsam durchgeführte nationale Psychiaterbefragung zum Thema «Umgang mit Patienten mit Arbeitsproblemen» an.
Danke für Ihre Mitarbeit!
Die Umfrage ist vom 5. Mai bis zum 15. August 2017 online möglich und benötigt nur rund 5 Minuten Ihrer Zeit. Link: www.rosenfluh.ch/qr/umfrage-arbeitsprobleme Die Umfrageergebnisse publizieren wir in der Ausgabe «Schweizer Zeitschrift für Psychiatrie & Neurologie» 4/2017.
2/2017
PSYCHIATRIE & NEUROLOGIE
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