Transkript
Infektiologie
Erkältungen und CRP-Schnelltest
Antworten auf drei Fragen aus der Praxis
Man hört und liest immer wieder über eine schnelle Bestimmung des C-reaktiven Proteins (CRP) in der eigenen Praxis oder im Notdienst, um virale von bakteriellen Infektionen zu unterscheiden und so eine sichere Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie zu treffen. Was hat es damit auf sich? Antworten hat Professor Tobias Tenenbaum von der Universitätsklinik für Kinder und Jugendmedizin in Mannheim, Bereich Pädiatrische Pulmologie, Infektiologie und Allergologie.
F rage 1: Wie funktioniert so ein Schnelltest in der Praxis überhaupt? Prof. Tobias Tenenbaum: Das CRP kann mit Hilfe verschiedener kommerziell erwerblicher Schnellteste sowohl aus kapillärem als auch aus venösem Blut (Vollblut, Serum, Plasma) bestimmt werden. Die benötigten Probenvolumina sind meist sehr gering. Die Schnelltests, sogenannte Point-of-Care-(POC-)Tests, können je nach Herstellerprodukt den CRP-Wert entweder qualitativ oder semiquantitativ anzeigen. In der Regel handelt es sich um einen chromatografischen Immunoassay. Die Entscheidung für oder gegen eine antiinfektive Therapie kann letztendlich nicht sicher mit einer CRP-Bestimmung allein getroffen werden. Klinische Kriterien und die Berücksichtigung bakterieller Ursachen für ein erhöhtes CRP sind zu berücksichtigen.
Frage 2: In welchen Behandlungssituationen kann ein solcher CRP-Schnelltest hilfreich sein? Gibt es auch unklare Ergebnisse? Tenenbaum: In folgenden Situation kann ein POC-CRP hilfreich sein: 1. Die Anamnese, die Symptome und das Ergebnis einer
sorgfältigen klinischen Untersuchung des Kindes lassen oftmals keine sichere Unterscheidung zwischen einer viralen und einer bakteriellen Atemwegsinfektion zu. Hieraus wächst in der Praxis die Unsicherheit, ob ein Antibiotikum verordnet werden soll oder nicht. Ein negatives CRP kann die Entscheidung gegen eine Antibiotikaverordnung unterstützen und Verordnungen «nur zur Sicherheit» reduzieren. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass einige lokale bakterielle Infektionen, zum Beispiel eine bakterielle Otitis media oder ein Erysipel, auch mit einem negativen CRP-Wert einhergehen. Andererseits können auch Virusinfektionen (z.B. Adenoviren) mit einem erhöhten CRP-Spiegel einhergehen.
2. Wenn ein Kinder- und Jugendmediziner kein Anti-
biotikum verschreiben möchte, die Eltern des Kindes
jedoch sehr in Richtung eines Anti-
biotikums drängen, kann ein nega- Ein negatives CRP kann
tives CRP eine Argumentationshilfe die Entscheidung gegen
darstellen. Den Eltern sollte jedoch eine Antibiotikaverord-
auch primär vermittelt werden, nung unterstützen.
dass die klinische Einschätzung des
Kinderarztes aufgrund seiner klinischen Untersuchung
massgeblich für die Entscheidung für oder gegen eine
Antibiotikaverordnung ist.
3. Der POC-CRP-Wert kann ausserdem für die Einschät-
zung der Schwere des Krankheitsbildes hilfreich sein.
So kann eine schwere invasive bakterielle Infektion mit
einem negativen CRP weitestgehend ausgeschlossen
werden, sofern die Erkrankungszeit nicht zu kurz ist,
das heisst nicht unter 12 beziehungsweise 24 Stun-
den. In diesem Fall kann der CRP-Anstieg noch nach-
hinken. Bei einem sehr hohem CRP, über 60 bis
80 mg/l, wird eine schwere bakterielle Infektion jedoch wahrscheinlicher. Allein vom CRP eine ambulante Antibiotikatherapie oder Hospitalisierung abhängig zu machen, ist jedoch nicht sinnvoll, da zum Beispiel Säuglinge und junge
Eine ambulante Antibiotikatherapie oder eine Hospitalisierung allein vom CRP abhängig zu machen, ist jedoch nicht sinnvoll.
Kleinkinder auch mit einer viralen
Infektion ein schweres Krankheitsbild entwickeln kön-
nen. Daher ist die klinische Einschätzung für die ärzt-
liche Entscheidung für oder gegen Antibiotika bezie-
hungsweise Hospitalisation essenziell.
Frage 3: Gibt es dazu aktuelle Daten aus der Pädiatrie? Tenenbaum: Die aktuelle Studienlage zum Einsatz der POC-CRP deutet zumindest bei Erwachsenen darauf hin, dass bei einem gezielten Einsatz dieses Labortests der
5/18 Pädiatrie
23
Infektiologie
Die klinische Einschätzung bleibt essenziell.
Anteil letztlich nicht begründeter Verschreibungen von Antibiotika im ambulanten Versorgungssektor reduziert werden kann. Es geht hierbei vor allem um Atemwegsinfektionen, die den grössten Teil aller entsprechenden Konsultationen in der Praxis für Kinder- und Jugendmedizin und im kinderärztlichen Notdienst ausmachen. Ob sich diese Ergebnisse auf Kinder übertragen lassen, muss in weiteren Studien geklärt werden. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass kürzlich eine Konsensusempfehlung (s. Linktipp) verschiedener pädiatrischer Fachgesellschaften und des Berufsverbandes der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte in Deutschland veröffentlicht wurde, welche die klinischen Symptome und die Diagnostik sowie die Indikationen für eine leitlinienkonforme antibiotische Therapie von Atemwegsinfektionen, exklusive Pneumonie, beschreibt. Sie soll Kinder- und Jugendmediziner bei einem restriktiven Antibiotikaeinsatz, bei der Auswahl des bestmöglichen Antibiotikums und im Hinblick auf eine möglichst kurze Therapiedauer unterstützen. Des Weiteren werden Atemwegsinfektionen beschrieben, bei denen keine Antibiotikatherapie erfolgen sollte oder bei denen nur sehr selten eine Antibiotikatherapie erforderlich ist.
Linktipp
Zur gemeinsamen Empfehlung verschiedener pädiatrischer Fachgesellschaften und des Berufsverbandes der niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte in Deutschland gelangt man über die Homepage der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie e.V. (DGPI): www.dgpi.de Rubrik «Publikationen»: Diagnose und Therapie von Atemwegsinfektionen (ohne ambulant erworbene Pneumonie) bei ambulant behandelten Kindern ohne schwerwiegende Grunderkrankung).
Korrespondenzadresse:
Prof. Dr. Tobias Tenenbaum
Pädiatrische Infektiologe und Pneumologe
Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin
Theodor-Kutzer Ufer 1–3
D-68167 Mannheim
E-Mail: Tobias.Tenenbaum@umm.de
Interessenlage: Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt in Zusammenhang mit diesem Beitrag besteht.
Dieser Beitrag ist die leicht überarbeitete Version eines Artikels, der zuerst in der Zeitschrift «Kinderärztliche Praxis» 1/2018 erschienen ist. Die Fragen wurden von der Redaktion der Zeitschrift «Kinderärztliche Praxis» gestellt. Der Abdruck erfolgte mit freundlicher Genehmigung durch Autor und Verlag.
Weiterführende Literatur: Aabenhus RA et al.: Biomarkers as point-of-care tests to guide prescription of antibiotics in patients with acute respiratory infections in primary care. Cochrane Database Syst Rev 2014; 11:CD010130. Cals JW et al.: Effect of point of care testing for C reactive protein and training incommunication skills on antibiotic use in lower respiratory tract infections: cluster randomised trial. BMJ 2009; 338: b1374. Grossman Z et al.: Antibiotic prescribing for upper respiratory infections: European primary paediatricians’ knowledge, attitudes and practice. Acta Paediatr 2012; 101: 935–940. Huang Y et al.: Association between point-of-care CRP testing and antibiotic prescribing in respiratory tract infections: a systematic review and meta-analysis of primary care studies. Br J Gen Pract 2013; 63: e787–e794. Lemiengre MB et al.: Optimizing antibiotic prescribing for acutely ill children in primary care (ERNIE2 study protocol, part B): a cluster randomized, factorial controlled trial evaluating the effect of a point-of care C-reactive protein test and a brief intervention combined with written safety net advice. BMC Pediatr 2014; 14: 246. Nijman RG et al.: C-reactive protein, procalcitonin and the Iab-score for detecting serious bacterial infections in febrile children at the emergency department: a prospective observational study. Pediatr lnfect Dis J 2014; 33 (11): e273–e279. Simon A et al.: Atemwegsinfektionen bei Kindern. Wann Antibiotika indiziert sind - und wann nicht - Status 2016: Diagnose und Therapie von Atemwegsinfektionen bei ambulant behandelten Kindern ohne schwerwiegende Grunderkrankung oder ambulant erworbene Pneumonie. Deutsches Ärzteblatt 2016; Supplement Perspektiven der lnfektiologie 2016: 1–16. Verbakel JY et al.: Diagnosing serious infections in acutely ill children in ambulatory care (ERNIE 2 study protocol, part A): diagnostic accuracy of a clinical decision tree and added value of a point-of-care C-reactive protein test and oxygen saturation. BMC Pediatr 2014; 14: 207.
24
Pädiatrie 5/18