Transkript
SCHWERPUNKT
Suchtbelastete Familien
Hilfe für Kinder und Jugendliche ist eine besondere Herausforderung
Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien zählen zu den am stärksten gefährdeten Menschen für Suchterkrankungen und psychische Störungen. Dennoch gibt es in der Schweiz nur wenig fest verankerte und langfristig angelegte Angebote. Seit über zehn Jahren bietet das Therapieangebot Zebra der Stadt Winterthur für diese Zielgruppe therapeutische Hilfe an. Die Erfahrung zeigt, dass diese Arbeit besonderen Herausforderungen unterworfen ist und daher ein angepasstes Vorgehen benötigt.
Von Georg Kling
Scham und Angst vor Stigmatisierung halten viele suchtkranke Eltern davon ab, Hilfe zu suchen.
Suchterkrankungen bei Eltern sind auch heute noch mit grosser Scham verbunden und führen oft zur Stigmatisierung der Betroffenen und ihren Kindern. Eltern mit einer Suchterkrankung werden häufig als willens- und charakterschwach, als schlechte Eltern und als verantwortungslos ihren Kindern gegenüber angesehen. Die Schuld an der Sucht wird «den Süchtigen» selbst zugeschrieben. Damit aber nicht genug: Diese negativen Zuschreibungen führen meist zu einer Selbststigmatisierung der suchtkranken Eltern. Diese halten sich dann selbst für unfähig, ihren Kindern ein gutes Vorbild zu sein, fühlen sich ohnmächtig und haben ihren Kindern gegenüber häufig Schuldgefühle. Darum hüten sich viele Mütter und Väter mit Suchterkrankung, ihrem Kind adäquate Hilfe zukommen zu lassen, selbst wenn sie dies für nötig halten. Hilfe in Anspruch zu nehmen, käme einem Schuldbekenntnis gleich und löst bei den Eltern grosse Ängste aus: Familiengeheimnisse könnten aufgedeckt werden, das wahre Ausmass des häufig bagatellisierten Substanzkonsums könnte durch die Behandlung des Kindes ans Licht kommen, die Kinder könnten sich von ihren Eltern distanzieren oder durch die Behörden aus der Familie genommen werden. Aber auch aufseiten der Kinder gibt es Scham und viele Ängste: Die Kinder schämen sich für ihre Eltern und begeben sich dadurch oft in soziale Isolation, sie fühlen sich mitschuldig an der Sucht der Eltern und können durch den Versuch, das «Familiengeheimnis Sucht» zu bewahren, in schwere Loyalitätskonflikte geraten. Kinder fühlen sich oft verantwortlich für die Sucht ihrer Eltern und versuchen, diese vom Konsum abzuhalten. Diese Dynamik macht die Kinder zu Geheimnisträgern mit zu viel Verantwortung.
Instabilität der Familie
Eine grosse Herausforderung in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen aus suchtbelasteten Familien stellt die oft massive Instabilität in den suchtbetroffenen Familien dar. Dies liegt vielfach darin begründet, dass die Eltern neben der Suchterkrankung an einer oder mehreren weiteren psychischen Störungen leiden; zirka 80 Prozent der betroffenen Eltern, deren Kinder bei Zebra (Kasten 1) in Behandlung waren, haben neben der Suchterkrankung mindestens eine weitere psychische Störung. Ausserdem sind sie meist durch zusätzliche Probleme wie Armut und Isolation belastet. Kinder können sich nur wenig auf den suchtkranken Elternteil verlassen, werden häufig vernachlässigt und oft inkonsequent und inkonsistent erzogen. Für die Entwicklung einer stabilen Bindung, eines gesunden Selbstwertes und einer positiven Selbstwirksamkeitserwartung sind dies oft keine guten Voraussetzungen. Für die Behandler hat die erwähnte Instabilität ebenfalls weitreichende Konsequenzen. Verpasste Termine, im Gespräch schwer erreichbare Eltern und Konflikte zwischen Behandler und Eltern erschweren die Schaffung eines tragfähigen Behandlungssettings. Oft sind die Eltern nur begrenzt in der Lage, die Kinder bei der Behandlung zu unterstützen. Für die Kinder besteht zusätzlich die Gefahr, in einen Loyalitätskonflikt zwischen Eltern und Behandler zu geraten, wobei die Kinder aus Angst vor schwerwiegenden Konsequenzen in der Regel zu den Eltern halten. Dies kann dazu führen, dass Probleme verharmlost oder verschwiegen, Termine nicht wahrgenommen und Behandlungen oft auch vorzeitig abgebrochen werden. Daher verwundert es auch nicht, dass diese Kinder ein hohes Mass an psychosozialer Gefährdung aufweisen und bis zu sechsmal häufiger eine Suchterkrankung entwickeln als Kinder aus nicht suchtbelasteten Familien (1).
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SCHWERPUNKT
Es braucht Vertrauen
Der zentrale Faktor für eine gelingende Behandlung ist, das Vertrauen der Eltern zu gewinnen, was bereits beim Erstkontakt beginnt. Dieser wird stark an die Bedürfnisse der Eltern angepasst. So findet er nicht zwingend in den Räumlichkeiten des Therapieangebotes Zebra statt, sondern oft auch bei einem Zuweiser, wenn möglich unverbindlich und wenn gewünscht ohne Kind. Beispielsweise wird dann das «Angebot Zebra» zunächst allgemein vorgestellt. Mit den Eltern wird darüber gesprochen, wie sie als Eltern und wie das Kind von einer Behandlung profitieren könnten. Es können auch mehrere dieser Kontaktund Informationsgespräche eingeplant werden, um eine Vertrauensbasis zu schaffen. Hilfreich sind dabei oft vermeintliche Details, wie das Kennenlernen der Therapieräumlichkeiten oder eine sorgfältige Erklärung, wie eine Behandlung ablaufen könnte. Der inhaltliche Fokus wird zunächst auf das Problem des Kindes und weg von der Sucht gelegt: Welche Probleme haben Eltern mit ihrem Kind? Wie verhält sich das Kind? Warum ist es wichtig, dass das Kind über die Sucht informiert ist, auch wenn die Sucht vermeintlich nicht mehr besteht? Dabei gilt es in besonderem Masse auf Befürchtungen der Eltern einzugehen und ihnen diese so weit wie möglich zu nehmen. Es gilt zum Beispiel zu vermitteln, dass auch suchtkranke Eltern gute Eltern sein können oder dass die Behandlung hilfreich sein kann, damit das Kind den Eltern nicht weggenommen wird.
Vernetzung ist unabdingbar
Ein weiterer wichtiger Faktor für den Erfolg des Angebots ist zudem die Pflege einer gut funktionierenden Vernetzung mit verschiedenen Institutionen, die mit suchtkranken Eltern und deren Kindern häufiger zu tun haben. Beim Therapieangebot Zebra sind dies vor allem die Suchthilfe Winterthur selbst und das Kinder- und Jugendhilfezentrum Winterthur (kjz). Andere Institutionen wie schulpsychologische Dienste, kinder- und jugendpsychiatrische Fachstellen (KJPP/PUK, SPZ), Schulen, Kindertagesstätten, Heime, Kinderärzte und Psychiater sind selten Zuweiser, aber oft wichtige Netzwerkpartner während der Behandlung. Der wichtigste Netzwerkpartner für das Therapieangebot Zebra ist das Kinder- und Jugendhilfezentrum Winterthur (kjz). Mit diesem haben viele Kinder aus Familien mit einer Suchtproblematik bereits in irgendeiner Weise zu tun, sei es wegen der Trennung der Eltern, wegen einer Gefährdungsmeldung von Dritten, weil die Kinder bereits einen Beistand haben, fremdplatziert sind oder ihre Eltern eine freiwillige Beratung in Anspruch nehmen oder «nehmen müssen». Diese Zusammenarbeit ist besonders wichtig, weil durch den einerseits intensiven gegenseitigen Austausch und die andererseits klare Abgrenzung der Aufträge beide Seiten profitieren können. Das Therapieangebot Zebra ermöglicht durch Abklärung und Behandlung des Kindes eine bessere Einschätzung der psychosozialen Situation und der Bedürfnisse des Kindes. Das kjz ist durch das Installieren geeigneter Massnahmen (wie Familienbegleitung organisieren, finanzielle Hilfen erschliessen oder Entlastungsfami-
lien suchen) in der Lage, strukturelle Grundlagen zu schaffen, die eine Behandlung erst ermöglichen. Durch regelmässigen fachlichen Austausch zwischen Zebra und dem kjz Winterthur wird diese Kooperation gepflegt und weiterentwickelt.
Wie geht es nach dem Erstkontakt weiter?
Neben dem sehr flexibel und offen gestalteten Erstkontakt soll die Behandlung dann in einem möglichst zuverlässigen und strukturierten Rahmen stattfinden. Neben der regulären psychodiagnostischen Abklärung der Kinder wird, soweit möglich, die Problematik der Eltern ebenfalls erfasst, weil diese in der Regel mit der Problematik der Kinder eng verknüpft ist. Das setzt eine fundierte Kenntnis von Suchterkrankungen und anderen psychischen Störungen bei Erwachsenen voraus. Zudem wird eine Einschätzung der Gefährdung des Kindswohls vorgenommen. Bei hoher Gefährdung ist der Kontakt der Behandler mit dem kjz eine Bedingung, damit eine Behandlung begonnen werden kann. Das Fallbeispiel in Kasten 2 gibt einen Eindruck, wie eine Behandlung in der Praxis ablaufen kann.
Psychoedukation als Schlüssel
Entgegen der Annahme vieler Betroffener, aber auch einiger Bezugspersonen, ist es für die Kinder von grösster Wichtigkeit, über die Suchterkrankung der Eltern Bescheid zu wissen. Die aus Erwachsenensicht häufig geäusserten Befürchtungen, dass ein Kind mit den Informationen nicht umgehen kann, sich gegen die Eltern wendet oder sogar «zusammenbricht», hat sich bei Zebra bisher noch nie bewahrheitet. Das altersgemässe Wissen über die Entstehung von Sucht und die Behandlungsmöglichkeiten sind im Gegenteil wichtige Schutzfaktoren hinsichtlich einer zukünftigen Suchterkrankung für die Kinder selbst. (2) Bei Zebra lernen die Kinder, ihrem Alter entsprechend die Suchterkrankung des Elternteils zu verstehen. Sie lernen, was eine Sucht ist, wie sie entsteht, was eine Therapie ist und was Kinder in schwierigen Situationen tun können. Dies bringt für die meisten Kinder in erster Linie eine grosse Entlastung, weil damit meis-
Kinder aus suchtbelasteten Familien entwickeln häufiger eine Suchterkrankung als andere Kinder.
Kasten 1: Therapieangebot Zebra
Das Therapieangebot Zebra besteht seit 2005 und bietet Behandlungen für Kinder und Jugendliche im Alter von 5 bis 18 Jahren aus suchtbelasteten Familien in der Region Winterthur an. Zebra ist ein Angebot der Integrierten Suchthilfe der Stadt Winterthur, das in Kooperation mit der Integrierten Psychiatrie Winterthur-Zürcher Unterland betrieben wird. Das Angebot ist auch ärztlich geleitet. Therapien können über die Krankenkasse verrechnet werden. Beratungen, Abklärungen und Behandlungen im Einzel- und Gruppensetting und Coaching für Fachpersonen. Das Durchschnittsalter der behandelten Kinder und Jugendlichen liegt bei ungefähr 10 Jahren. Bisher wurden bei Zebra über 160 Kinder behandelt. Über 80 Prozent der Kinder wurden durch die Suchthilfe Winterthur (ISW) oder das Kinder- und Jugendhilfezentrum (kjz) zugewiesen. Der Rest wurde durch die Eltern selbst oder andere Institutionen wie Schule, Kinderärzte oder kinderund jugendpsychiatrische Fachstellen (KJPP/PUK, SPZ) angemeldet.
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SCHWERPUNKT
Der inhaltliche Fokus wird zunächst auf das Problem des Kindes und weg von der Sucht gelegt.
tens ein Geheimnis gelüftet wird. Auch hilft Psychoedukation den Kindern, das wenig vorhersagbare, instabile Verhalten des suchtkranken Elternteils besser zu verstehen, weniger mit sich selbst in Verbindung zu bringen und damit weniger Schuldgefühle zu entwickeln. Zudem kann Psychoedukation helfen, den Kindern die Verantwortung für die Erkrankung der Eltern abzunehmen. Sie müssen ihre Eltern nicht mehr therapieren, sondern dürfen sich von dieser Aufgabe abgrenzen. Die Psychoedukation wird individuell an die bestehende Situation der Familie angepasst. Dabei wird der betroffene Elternteil so weit wie möglich einbezogen. Ob die Eltern den Kindern ihre Suchterkrankung selbst erklären, für Rückfragen zur Verfügung stehen oder die Erklärung der Fachperson überlassen, ist dabei weniger wichtig als die Bereitschaft der Eltern, sich dieser schwierigen Auseinandersetzung zu stellen. Bei der Wissensvermittlung zu Sucht und Suchtmitteln werden verschiedene Methoden und Medien verwendet, zum Beispiel passende Geschichten, Bücher, Internetrecherchen, Quiz, Spiele oder Videos.
Notfälle planen
Das Planen von Handlungsmöglichkeiten für Eltern und Kinder in schwierigen Situationen wie Rückfälle, Gewalt, Vernachlässigung ist ein anderer spezifischer Bestandteil der Behandlung. Die Planung wird in der Regel transparent mit Eltern, Kind und wenn nötig mit weiteren Vertrauenspersonen durchgeführt. So kann die Gewissheit für das Kind, dass es in einem Notfall Hilfe holen darf und nicht selber helfen muss, stabilisierend und beruhigend wirken. Auch für die Eltern kann die Vorhersehbarkeit der Konsequenzen bei einem Notfall Ängste nehmen.
Ressourcenaufbau
Sehr viele Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien stützen mit ihrem Verhalten einerseits die Sucht der Betroffenen in der Familie und verfügen andererseits oft über wenig eigene Ressourcen. Das wiederum erhöht das Risiko der Kinder, selbst eine Suchterkrankung oder eine andere psychische Störung zu entwickeln (1). Der gezielte Aufbau von Ressourcen wie Humor, soziale Kompetenzen, Freizeitgestaltung oder Verbesserung der Frustrationstoleranz ist deshalb meist ein wichtiges Ziel der Behandlung. Daneben sollen auch ausserfamiliäre Ressourcen (mindestens eine stabile und zuverlässige Person, Freunde etc.) aufgebaut oder gestärkt werden.
Psychotherapie
Ein weiteres Angebot ist die Psychotherapie im engeren Sinne. Viele Kinder suchtkranker Eltern zeigen bereits psychische Auffälligkeiten (1). Bei der Behandlung ist zu beachten, dass die Symptomatik des Kindes trotz der Erkrankung des Elternteils im Zentrum stehen soll. Als besonders wichtig erscheint dabei – unabhängig von den gewählten Therapieverfahren – der Einbezug spielerischer Methoden. Gerade bei jüngeren Kindern können Spass und Spiel zu einer grossen Entlastung führen und das Erreichen der Therapieziele deutlich erleichtern.
Einbezug der Eltern
Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen wird bei Zebra immer versucht, die suchtkranken Eltern über die Behandlung zu informieren und sie, wenn möglich, auch einzubeziehen. Wegen der oft grossen Loyalität der Kinder gegenüber ihren suchtkranken Eltern kann durch die Kooperation mit den Eltern ein besserer Behandlungserfolg erzielt werden.
Kasten 2: Fallbeispiel
Ein 11-jähriger Junge, dessen alleinerziehende Mutter unter massiven Alkoholproblemen litt, wurde mit Unterstützung des kjz (Kinder- und Jugendhilfezentrum) durch die Mutter angemeldet. Der Sohn wies depressive Symptome wie Interessenverlust, depressive Stimmung, sozialen Rückzug, aber auch aggressives Verhalten auf. Es zeigte sich, dass er aus Scham, Wut und Sorge um seine Mutter kaum eigene Ressourcen aufbauen konnte. Er kümmerte sich sehr oft um seinen kleinen Bruder, der Schulprobleme hatte. Freunde hatte er aus Angst, die Mutter könnte betrunken sein, nie mit nach Hause gebracht. In seiner Freizeit war er meist zu Hause, kontrollierte seine Mutter und machte ihr Vorwürfe, wenn sie getrunken hatte. In der Therapie lernte er zunächst, die Sucht seiner Mutter als Krankheit zu verstehen, und dass er weder daran schuld noch für die Kontrolle ihres Konsums verantwortlich war. Das offene Gespräch der Mutter mit ihren Söhnen über ihre Sucht brachte eine deutliche Entspannung der Situation. Mit dem Aufbau neuer Ressourcen gelang es dem Jungen auch, sich besser von seiner Mutter abzugrenzen, was in der Folge zu einem Rückgang der Symptomatik führte. Er trat in einen Fussballverein ein, verabredete sich vermehrt mit Freunden, besuchte einen Computerkurs und durfte mit seinem Bruder in der Wohnung der erwachsenen Halbschwester übernachten, wenn die Mutter stark betrunken war. Für den jüngeren Bruder wurde eine Aufgabenhilfe organisiert.
Einzel- und Gruppenbehandlung
Neben der Einzelbehandlung, die sehr individuell auf jedes Kind abgestimmt wird, bietet das Therapieangebot Zebra auch Gruppenbehandlungen an. Hierbei handelt es sich um ein strukturiertes Programm, welches eigens für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien entwickelt wurde (3). Im Unterschied zur Einzelbehandlung haben die Teilnehmenden hier die Möglichkeit, sich untereinander auszutauschen. Auch gelingt es oft besser, Kompetenzen im Umgang mit anderen oder dem suchtkranken Elternteil zu diskutieren und zu trainieren. Allerdings möchten viele Kinder und ihre Eltern nicht, dass die Behandlung in der Gruppe stattfindet, weil die Öffnung in einer Gruppe mit Ängsten und Schamgefühlen verbunden ist. Es gibt auch Kinder, die nicht in der Lage sind, an einer Gruppe teilzunehmen, weil die Situation zu Hause zu instabil oder ihr Verhalten in einer Gruppe nicht tragbar ist. Nicht zuletzt ist die Organisation einer Gruppenbehandlung gerade mit instabilen Familien eine grosse Herausforderung.
Vernetzung während der Behandlung
Die Instabilität bei Familien mit Suchtproblematik erfordert auch während einer Behandlung immer wie-
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der schnelles Reagieren und Anpassen der Hilfe. Dabei sind Personen aus dem Umfeld, wie Schule, Kinderbetreuung oder Verwandte, wichtige Bezugspunkte, die unter Umständen mit wenig Aufwand ein wichtiger Stabilisierungsfaktor für das Kind werden. Auf der strukturellen Ebene kann die Hilfe am besten vom kjz geleistet werden, zum Beispiel bei der Organisation von Entlastungsfamilien, zu denen Kinder an einzelnen Tagen gehen können, Erziehungshilfen oder auch bei der Platzierung eines Kindes in einem Heim oder einer Pflegefamilie. Zusätzlich bedarf es manchmal auch einer besonderen Schulung des weiteren Umfeldes. Durch sorgfältige Informationen über Suchterkrankungen und die damit verbundenen psychischen Störungen kann der Therapieerfolg günstig beeinflusst werden.
Behandlungsdauer
Die Behandlungsdauer der Kinder beim Therapieangebot Zebra beträgt derzeit im Durchschnitt deutlich über 18 Monate. Es hat sich gezeigt, dass die Kinder durch die besondere Situation, in der sie leben – Instabilität in der Familie, Rückfälle, Todesfälle –, immer wieder sehr krisenhafte Situationen erleben, die zu einem erneuten Auftreten oder einer Verschlimmerung der ursprünglichen Symptomatik führen können. Darum ist es aus therapeutischer Sicht sinnvoll, diese Schwierigkeiten zu berücksichtigen und Behandlungen dementsprechend zu planen. Schliesslich kann eine langfristige therapeutische Begleitung ein wichtiger Stützpfeiler für eine gesunde Entwicklung des Kindes sein.
Evaluation der Behandlung
In einer internen Evaluation von 2005 bis 2015, die auf eine ersten Evaluation (2005 bis 2008) aufbaut (4), wurde die Situation der behandelten Kinder und Jugendlichen bei Zebra untersucht. Verglichen wurden Symptome in Anlehnung an die gängigen psychischen Störungen (nach ICD-10) vor und nach der Behandlung. Es wurden 58 Kinder und Jugendliche im Alter von 7 bis 17 Jahren untersucht, bei denen mindestens ein Elternteil an einer Suchtstörung litt. Beurteilt wurden die Symptome der Kinder und Jugendlichen von den Eltern, den Kindern selbst oder wichtigen Bezugspersonen aus deren Umfeld. Nach der Behandlung zeigten sich die Symptome der Kinder und Jugendlichen aus der Sicht der Eltern und der Kinder signifikant verbessert. Die Kinder beurteilten ihre Lebensqualität zudem teilweise als signifikant verbessert. Aus den Resultaten konnte gefolgert werden, dass trotz der geringen Probandenzahl, der unterschiedlichen Behandlungsmethoden und der teilweise schwierigen Bedingungen von einer positiven Wirkung der Behandlungen ausgegangen werden kann.
Korrespondenzadresse: Georg Kling, lic. phil. Fachpsychologe für Psychotherapie FSP Therapieangebot Zebra Integrierte Suchthilfe Winterthur Technikumstrasse 1 8403 Winterthur E-Mail: georg.kling@win.ch Internet: www.zebra.winterthur.ch
Literatur: 1. Klein M: Kinder und Jugendliche aus alkoholbelasteten Familien. Stand der Forschung, Situations- und Merkmalsanalyse, Konsequenzen. Schriftenreihe Angewandte Suchtforschung Bd. 1, Regensburg: Roderer, 2005. 2. Lenz A: Interventionen bei Kindern psychisch kranker Eltern. Hogrefe Verlag 2007. 3. Kling G: Gruppentraining für Kinder und Jugendliche aus suchtbelasteten Familien. Therapiemanual Integrierte Suchthilfe Winterthur 2007. 4. Fahrenkrug H, Kling G, Gmel G: Therapeutisches Angebot für Kinder aus Familien mit Alkohol- und anderen Suchtproblemen der Winterthurer Fachstelle für Alkoholprobleme. Schweizerische Fachstelle für Alkohol- und andere Drogenprobleme; www.tinyurl.com/zebra-2008, Zugriff 31. März 2016.
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