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KONGRESSBERICHT
Gastrointestinale Tumoren
Fortschritte durch Immuntherapie und zielgerichtete Strategien
Die Beiträge zu gastrointestinalen Tumoren auf dem ASCO 2025-Kongress spiegeln die Vielschichtigkeit der aktuellen Forschungslandschaft wider. Neben kurativen Ansätzen bei Ösophagus-, Magen- und gastroösophagealem Übergangskarzinom standen innovative Therapiekonzepte im metastasierten und adjuvanten Setting für kolorektale Karzinome im Fokus.
Magen- und Ösophaguskarzinom: Neue Optionen im kurativen Ansatz Die Phase-III-Studie CheckMate 577 untersucht Nivolumab als adjuvante Therapie nach neoadjuvanter Radiochemotherapie und R0-Resektion bei Patienten mit einem Karzinom des Ösophagus (EC) oder des gastroösophagealen Übergangs (GEJC) im Stadium II/III (1). Bereits frühere Zwischenanalysen hatten eine signifikante Verlängerung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) gezeigt. Auf dem ASCO 2025-Kongress präsentierten Kelly et al. erstmals reife OSDaten: Das mediane DFS war unter adjuvanter Gabe von Nivolumab (n = 532) mit 21,8 vs. 10,8 Monaten doppelt so lang wie unter Plazebo (n = 262; Hazard Ratio [HR]: 0,76; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 0,63–0,91). Auch beim medianen OS zeigte sich mit 51,7 vs. 35,3 Monaten ein Trend zugunsten von Nivolumab (HR: 0,85; 95%-KI: 0,7–1,04; p = 0,1064); dieser war jedoch statistisch nicht signifikant. Ein besonders deutlicher OS-Vorteil ergab sich bei Patienten mit Tumoren des Ösophagus und PD-L1 CPS ≥ 1. Diese Ergebnisse bestätigen Nivolumab als adjuvanten Standard in dieser Patientengruppe, auch wenn der OS-Hauptendpunkt nicht signifikant erreicht wurde.
In der Phase-III-Studie MATTERHORN erhielten Patienten mit einem resektablem Magen- oder Adenokarzinom des gastroösophagealen Übergangs (AEG) im Stadium II, III und IVA ohne Evidenz für Metastasen und ohne Vorbehandlung zusätzlich zur perioperativen FLOT-Chemo therapie Durvalumab oder Plazebo (je 2 Dosen von Durvalumab/Plazebo zusammen mit 4 Dosen FLOT prä- und postoperativ sowie anschliessend 10 Dosen Durvalumab oder Plazebo) (2). Insgesamt 948 Patienten aus Asien, Europa und Nord- sowie Südamerika wurden 1:1 randomisiert. Wie Janjigian et al. berichteten, konnte unter Durvalumab plus FLOT eine signifikante Verbesserung des ereignisfreien Überlebens (EFS) gegenüber FLOT allein erzielt werden (HR: 0,71; 95%-KI: 0,58–0,86; p < 0,001) – und das ohne neue Sicherheitssignale. Das mediane Follow-up betrug 31,6 vs. 31,4 Monate. Die OS-Daten sind zwar noch unreif, zeigen aber einen positiven Trend (HR: 0,78; 95%-KI: 0,62–0,97; p = 0,025). Durvalumab könnte den Autoren
zufolge in Kombination mit FLOT die neue Referenztherapie in dieser Indikation werden. Die Studie wurde zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert (3).
HER2+ Magen/AEG-Karzinom: Verbesserungen in metastasierter Situation Die Phase-III-Studie DESTINY-Gastric04 vergleicht Trastuzumab-Deruxtecan (T-DXd) mit Ramucirumab + Paclitaxel in der Zweitlinie bei HER2-positivem, metastasiertem Magen- oder AEG-Karzinom nach Progress unter Trastuzumabhaltiger Therapie (4). In der palliativen Situation konnte unter T-DXd eine signifikante Verbesserung des OS erreicht werden (primärer Endpunkt). Patienten unter T-DXd erreichten ein OS von 14,7 vs. 11,4 Monaten (HR: 0,70; 95%-KI: 0,55–0,90; p = 0,044). Das Toxizitätsprofil entsprach den Erwartungen, es gab keine neuen Sicherheitssignale: Die häufigsten arzneimittelbezogenen Nebenwirkungen unter T-DXd waren Müdigkeit, gastrointestinale oder hämatologische Nebenwirkungen; bei RAM + PTX waren dies Müdigkeit, Neuropathie und hämatologische Nebenwirkungen. Auch diese Studie wurde zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert (5).
Kolorektales Karzinom – Strategien im adjuvanten und metastasiertem Setting In der randomisierten Phase-III-Studie ATOMIC wurde geprüft, ob die Zugabe von Atezolizumab zu einer adjuvanten Chemotherapie, gefolgt von einer sechsmonatigen Erhaltungstherapie mit Atezolizumab das krankheitsfreie Überleben (DFS) bei Patienten mit einem Stadium-III-Kolonkarzinom und dMMR verlängert (6). Es ergab sich für die Patienten unter der Kombination ein DFS von 86,4% gegenüber 76,6% unter mFOLFOX6 allein (HR: 0,50; 95%-KI: 0,34–0,72; p < 0,0001). Das Sicherheitsprofil lag im erwarteten Rahmen. Damit bestätigt sich der Nutzen einer Chemo-Immuntherapie auch im adjuvanten Setting bei molekular definierter Hochrisikogruppe.
Die kanadische Phase-III-Studie CHALLENGE, die ebenfalls zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert wurde (7,8) untersuchte einen ganz anderen Aspekt.
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KONGRESSBERICHT
Sie beschäftigte sich mit dem Einfluss eines strukturierten, supervidierten Sportprogramms auf das krankheitsfreie sowie das Gesamtüberleben bei Patienten nach Behandlung eines Kolonkarzinoms (Stadium III oder HochrisikoStadium II). Die Intervention bestand über insgesamt 36 Monate hinweg aus 3 Phasen. Die Patienten wurden randomisiert und erhielten entweder nur eine Gesundheitsedukation oder neben der Information und Schulung auch eine begleitete körperliche Aktivität. Letztere profitierten in mehrfacher Hinsicht: Das strukturierte Aktivitätsprogramm erhöhte die körperliche Aktivität, verbesserte die physiologische Fitness und die körperliche Funktion, was sich in einer deutlichen Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens niederschlug: DFS-HR: 0,72; OS-HR: 0,63 zugunsten des Interventionsarms. Die Ergebnisse unterstreichen, dass körperliche Aktivität als Teil des onkologischen Gesamtkonzepts Rezidivrisiken messbar senken kann – und mehr ist als nur nur eine «Quality of life»-Intervention.
In der Phase-III-Studie BREAKWATER wurde die Dreifachkombination Encorafenib + Cetuximab + mFOLFOX6 mit Standardtherapie bei Patienten mit einem BRAFV600Emutierten, metastasierten Kolorektalkarzinom in der Erstlinie verglichen (9). Das mediane PFS lag bei 12,8 Monaten (EC+mFOLFOX6) und 7,1 Monaten unter Standardtherapie. Die Kombination aus Encorafenib + Cetuximab zeigte auch ohne Chemotherapie mit einer numerisch höheren ORR, einem vergleichbaren PFS und einem längeren medianen OS eine gute Wirksamkeit – bei besserer Verträglichkeit. EC+mFOLFOX6 kann damit als neue Standardoption in dieser molekular definierten Subgruppe angesehen werden. Auch diese Studie wurde zeitgleich im «New England Journal of Medicine» publiziert (10).
Die GI-Tumorstudien des ASCO 2025 zeigen den hohen Stellenwert der molekularen Stratifizierung in allen Stadien. In der kurativen Situation verstärken Immuncheckpoint-
Inhibitoren in Kombination mit Chemotherapie den Trend zu multimodalen Konzepten. In der metastasierten Erkrankung bieten zielgerichtete Substanzen und optimierte Kombinationsstrategien substanzielle Überlebensgewinne bei definierten Subgruppen.
Christine Mücke
Quelle: 2025 American Society of Clinical Oncology (ASCO) Annual Meeting, 30. Mai – 3. Juni 2025, Chicago & online.
Referenzen: 1. Kelly R et al.: Adjuvant nivolumab in resected esophageal or gastroeso-
phageal junction cancer (EC/GEJC) following neoadjuvant chemoradiotherapy (CRT): First results of overall survival (OS) from CheckMate 577. ASCO 2025, Ab-stract 4000. 2. Janjigian YY et al.: Event-free survival (EFS) in MATTERHORN: A randomized, phase 3 study of durvalumab plus 5-fluorouracil, leucovorin, oxaliplatin and docetaxel chemotherapy (FLOT) in resectable gastric/gastroesophageal junction cancer (GC/GEJC). LBA5, ASCO 2025, Abstract LBA5. 3. Janjigian YY et al.: Perioperative Durvalumab in Gastric and Gastroesophageal Junction Cancer. N Engl J Med. 2025;393(3):217-230. doi:10.1056/NEJMoa2503701. 4. Shitara K et al.: Trastuzumab deruxtecan (T-DXd) vs ramucirumab (RAM) + paclitaxel (PTX) in second-line treatment of patients (pts) with human epidermal growth factor receptor 2-positive (HER2+) unresectable/ metastatic gastric cancer (GC) or gastroesophageal junction adenocarcinoma (GEJA): Primary analysis of the randomized, phase 3 DES-TINYGastric04 study. ASCO 2025, LBA4002. 5. Shitara K et al.: Trastuzumab Deruxtecan or Ramucirumab plus Paclitaxel in Gastric Cancer. N Engl J Med. 2025;393(4):336-348. doi:10.1056/NEJMoa2503119 6. Sinicrope FA et al.: Randomized trial of standard chemotherapy alone or combined with atezolizumab as adjuvant therapy for patients with stage III deficient DNA mismatch repair (dMMR) colon cancer (Alliance A021502; ATOMIC). ASCO 2025, Abstract LBA1. 7. Booth CM et al.: A randomized phase III trial of the impact of a structured exercise program on disease-free survival (DFS) in stage 3 or high-risk stage 2 colon cancer: Canadian Cancer Trials Group. ASCO 2025, Abstract .BA 3510. 8. Courneya KS et al.: Structured Exercise after Adjuvant Chemotherapy for Colon Cancer. N Engl J Med. 2025;393(1):13-25. doi:10.1056/NEJMoa2502760 9. Elez E et al.: Encorafenib, Cetuximab, and mFOLFOX6 in BRAF-Mutated Colorectal Cancer, ASCO 2025, Abstract LBA 3500. 10. Elez E et al.: Encorafenib, Cetuximab, and mFOLFOX6 in BRAF-Mutated Colorectal Cancer. N Engl J Med. 2025;392(24):2425-2437. doi:10.1056/NEJMoa2501912
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