Transkript
UPDATE ERNÄHRUNG
Positionspapier des SVDE
Erweiterte Kompetenzen in der Ernährungsberatung
Larissa Flückiger, Adrian Rufener
Advanced Practitioner nehmen Einzug ins Schweizer Gesundheitssystem. Was aber bedeuten die Rollen in der Ernährungsberatung? Was sind Voraussetzungen dafür? Und wo können Personen in einer Advanced Practice Dietitian (APD)-Rolle eingesetzt werden? Diese und weitere Fragen werden im neuen Positionspapier des Schweizerischen Verbandes der Ernährungsberater und Ernährungsberaterinnen (SVDE) geklärt, welches im Folgenden vorgestellt wird.
Larissa Flückiger Adrian Rufener
Einführung
Der prognostizierte Wandel im Gesundheitswesen, aufgrund demografischer und epidemiologischer Entwicklungen, hat die Diskussion um die künftige Rolle nicht-ärztlicher Gesundheitsberufe in den letzten Jah ren international wie auch in der Schweiz vorangetrieben. Grund dafür ist der steigende Versorgungsbedarf. Immer mehr pflegebedürftige, multimorbide Menschen mit häufig chronischen Erkrankungen stehen einem drohenden Mangel an qualifizierten Fachkräften im Gesundheitswesen gegenüber. Im Fokus der Diskussion steht die Entwicklung von integrierten Versorgungsmodellen, bei welchen eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Ärzteschaft und nicht-ärztlichen Gesundheitsfachpersonen angestrebt wird. Dies soll dazu beitragen, die künftigen Lücken zwischen dem Versorgungsbedarf und dem Angebot an qualifiziertem Gesundheitspersonal zu schliessen (1–3). Eine Möglichkeit bieten hier Advanced Practice-Rollen.
Arbeitsgruppe APD des SVDE
In der Strategie 2019–2022 wurde im Bereich Bildung der Schwerpunkt auf die Definition und Ausarbeitung von APD-Rollen im klinischen Setting gelegt. Im Frühling 2021 wurde vom SVDE infolgedessen die Arbeitsgruppe «Advanced Practice Dietitian (APD)» gegründet. Ziel der Arbeitsgruppe war es, APD-Rollen im klinischen Setting zu definieren und die Implementierung dieser neuen Rollen seitens des Berufsverbands in der Praxis zu unterstützen. Im Rahmen eines Positions-
Definition: Advanced Practice (AP)
papiers wurde ein Leitfaden für die Entwicklung von APD-Rollen erarbeitet, welcher Handlungsfelder sowie Voraussetzungen für eine APD-Rolle erläutert. Da eine APD-Rolle immer abhängig vom jeweiligen Kontext und der Institution ist, war die fertige Erstellung von APD-Profilen nicht Ziel des Positionspapiers.
Rollen und Handlungsfelder einer/eines APD
APD arbeiten in einer Vielzahl unterschiedlicher Berufsfelder, eingebettet in interprofessionelle Teams oder auch selbstständig. Sie bewältigen komplexe Probleme in allgemeinen und spezialisierten Bereichen (5,6). Der Begriff Advanced Practice wird wie bei der Pflege als Oberbegriff verwendet, unter dem sich verschiedene Profile und Rollen entwickeln können. Die Rollen, welche die APDs übernehmen, sind je nach klinischem Kontext und dessen Anforderungen unterschiedlich ausgeprägt. In Grossbritannien wurde die Advanced Practice durch das Vorhandensein von vier wesentlichen Säulen definiert (6, 7): • Klinische Tätigkeit • Management und Leadership • Bildung • Forschung (und evidenzbasierte Praxis). Die Ausprägung der vier Säulen kann je nach klinischem Kontext, in welchem die APD-Rolle implementiert ist, unterschiedlich sein. Die klinische Tätigkeit macht dabei in jedem Fall einen wichtigen Teil der APD-Rolle aus. Ausgehend von den Bedürfnissen des klinischen Kontextes können die restlichen drei Säulen unterschiedlich sein und müssen nicht zwingend in einer Anstellung abgedeckt werden.
Gesundheitsfachpersonen in Advanced Practice-Rollen verfügen über vertiefte wissenschaftliche und fachliche Kompetenzen. Dank diesen können sie Aufgaben übernehmen, die über ihren klassischen Verantwortungsbereich hinausgehen. Sie treffen komplexe Entscheidungen und handeln mit mehr Autonomie, klinischer Verantwortung und Rechenschaftspflicht. Darüber hinaus sind sie in der Lage, ihre Profession durch Forschungsaktivitäten evidenzbasiert weiterzuentwickeln oder in der Lehre tätig zu sein (4).
Anforderungen und Voraussetzungen für eine APD-Rolle
Ziel ist es, dass sich Personen in einer wie oben beschriebenen erweiterten Rolle bis 2026 als APD-CH registrieren können. Eine erfolgreiche Registrierung berechtigt, den markenrechtlich geschützten Titel
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«APD-CH» zu tragen. Die bisher definierten Kriterien für eine Registrierung werden im Folgenden dargelegt.
Bildungsvoraussetzung Als Bildungsvoraussetzung gilt, wie in vielen anderen Ländern, eine Ausbildung auf Masterstufe (Master of Science) nach der Grundausbildung als BSc in Ernährung und Diätetik. In der Schweiz gibt es seit geraumer Zeit Master of Science-Studiengänge mit einem Fokus auf die erweiterten Kompetenzprofile in der Disziplin Ernährung und Diätetik. Die Ausbildung von APD ist auf Master of ScienceStufe angesiedelt und muss ein Minimum von 90 ECTS aufweisen
Abbildung: Die vier Säulen der Advanced Practice-Rolle und deren unterschiedliche Ausprägung. Links: Klinische Rolle mit hohem Anteil Management; rechts: Klinische Rolle mit hohem Anteil Forschung und Ausbildung (adaptiert nach 8).
Berufserfahrung Um sich als APD-CH registrieren lassen zu können, ist die Minimalanforderung, dass die Person 5 Jahre Berufserfahrung im klinischen Bereich als Ernährungsberater oder Ernährungsberaterin aufweisen kann.
Berufserfahrung von fünf Jahren im klinischen Bereich
Klinische Tätigkeit Obwohl die akademische Ausbildung für die APD essenziell ist, stützt sich die Anerkennung als APD nicht allein auf einen akademischen Abschluss. Vielmehr ist es eine Kombination von weiterführender akademischer Ausbildung nach der Grundausbildung und klinischer Expertise in Ernährung und Diätetik. Eine regelmässige praktische Tätigkeit mit Patient/ innen ist eine zentrale Voraussetzung, um als APD anerkannt zu werden. Der Nachweis der klinischen Tätigkeit muss zwingend erbracht werden.
APD stehen in ihrer klinischen Tätigkeit in direktem Patient/innenkontakt
Fortbildungs- und Supervisionspflicht Nebst der vorausgesetzten Ausbildung und der klinischen Tätigkeit bildet die Fortbildungs- und Supervisionspflicht die dritte Säule der Anerkennung als APD. APD verpflichteten sich dazu, ihre Kompetenzen und Fähigkeiten à jour zu halten und hierzu gezielt Fortbildungsangebote im Umfang der im Fortbildungsreglement des SVDE definierten Fortbildungspflicht zu besuchen. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht in den vergangenen Jahren wird bei der Registrierung überprüft. Zudem müssen für eine Registrierung 50 Stunden mentorierte/supervidierte Praxis vorgewiesen werden. Genauere Möglichkeiten werden erarbeitet. Für erfahrene APD, welche sich erstmals registrieren lassen, werden Übergangsbestimmungen ausgearbeitet. Für die Registrierung als APD-CH müssen für die vergangenen 5 Jahre die Erfüllung der Fortbildungspflicht des SVDE sowie eine mentorierte/supervidierte/intervidierte Praxis im Umfang von 50 Stunden nachgewiesen werden.
Registrierung und Re-Registrierung Die erste Voraussetzung, um sich als APD-CH registrieren zu können, ist die Mitgliedschaft beim SVDE. Der Name «APD-CH» darf nur führen, wer zertifiziert wurde. Die für den Registrierungsprozess notwendigen Dokumente können dem Positionspapier entnommen werden. Eine Registrierung als APD ist nicht auf Lebenszeit gültig, sondern muss in einem gewissen Turnus erneuert werden. Dabei muss der Nachweis erbracht werden, dass eine klinische Tätigkeit aufrechterhalten wird und die Fachkompetenzen auf dem neusten Stand gehalten werden. Die Eckpunkte der Re-Registrierung sind aktuell nicht abschliessend geklärt und werden noch entwickelt. Eine Re-Registrierung erfolgt alle 5 Jahre. Titelführung Der SVDE empfiehlt den registrierten Personen, für den Wiedererkennungswert den Titel APD-CH zu verwenden. Dieser wird bei der Zertifizierung durch den Berufsverband verliehen und ist markenrechtlich geschützt. Ob und was vor dem Kürzel APD steht, wird durch die Klinik und die jeweilige Person mitgestaltet. Beispiele aus der bisherigen Praxis sind: • Fachexpert/in APD-CH • Therapieexpert/in APD-CH • Ernährungsexpert/in APD-C. Ausblick Die Reglementierung der APD-CH und die Schaffung der Möglichkeit, sich als APD-CH zu registrieren, ist der erste grosse Meilenstein des SVDE, welcher bis 2026 umgesetzt werden soll. Offen ist zum aktuellen Zeitpunkt, wie die Zertifizierung konkret umgesetzt und die Registrierung operationalisiert wird. Um die APD-Rollen nachhaltig in der Praxis zu implementieren, müssen die Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit der erbrachten Leistungen überprüft und nachgewiesen werden. Welche Indikatoren überprüft werden, um diesen Nachweis zu erbringen, ist aktuell nicht abschliessend geklärt. Hierzu werden von der Projektgruppe in den kommenden Jahren Empfehlungen erarbeitet, welche für die Implementierung und Evaluation der APD-Rollen genutzt werden können.
www.rosenfluh.ch/qr/svde-ap
Korrespondenzadresse: Larissa Flückiger, MSc Fachexpertin APD Intensivmedizin, PhD cand. Stv. Leiterin Ernährungsberatung/-therapie Abteilung Gastroenterologie und Ernährung Universitäts-Kinderspital Zürich – Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75 8032 Zürich E-Mail: larissa.flueckiger@kispi.uzh.ch Referenzen in der Online-Version des Beitrags unter www.sze.ch
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Referenzen: 1. Künzi et al. (2013): Aktueller Stand der schweizerischen Diskussion
über den Einbezug von hoch ausgebildeten nichtärztlichen Berufsleuten in der medizinischen Grundversorgung. 2014_BAG_2013_BerichtUpdateNichtaerzte_final.pdf 2. DBfK, ÖGKV und SBK (2013): Advanced Nursing Practice in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Eine Positionierung von DBfK, ÖGKV und SBK. Positionspapier-ANP-DBfK-ÖGKV-SBK-St and-2013-01-23. 3. Golz C (2018): Fachkräftemangel: Gemeinsam zu einem gesunden Gesundheitssystem – knoten & maschen (knoten-maschen.ch). 4. Berner Fachhochschule Gesundheit, Departement Gesundheit, Advanced Practice (o.D.): Advanced Practice kurz erklärt | BFH – Berner Fachhochschule (Stand August 2023). 5. EFAD (2012): European Dietetic Advanced Competencies (EDAC). european-dietetic-advanced-competences.pdf (efad.org). 6. NHS (2017): Multiprofessional framework for advanced clinical practice in England. multi-professionalframeworkforadvancedclinicalpracticeinengland.pdf (hee.nhs.uk). 7. BDA (2021): Post Registration Professional Development Framework. post-registration-professional-development-framework.pdf (bda.uk.com). 8. NHS, 2017, S. 14.
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