Transkript
IM FOKUS
Neues zur ästhetischen Dermatologie
Hyaluronsäurefüller in Aktion
Die ästhetische Dermatologie bildete an der 23. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München einen Programmschwerpunkt mit zahlreichen Firmenveranstaltungen und unabhängigen Vorträgen. Der folgende Bericht fasst einige Highlights zusammen.
Bei der Herstellung moderner Hyaluronsäurefüller wurden in den letzten Jahren grosse Fortschritte erzielt. Mit Hilfe eines elektronischen Injektionssystems kann jetzt auch der Injektionsvorgang optimiert werden, sagte Dr. Gerhard Sattler, Rosenparkklinik, Darmstadt, an einem Mittagsseminar der Firma Anteis. Bei der modernen, dreidimensionalen Weichteilaugmentation geht es nicht mehr nur um einzelne Falten, sondern um die Verbesserung der gesamten Gesichtsform. Das Behandlungsziel besteht nicht so sehr in der Verjüngung des Aussehens, sondern vielmehr in der Verbesserung der Attraktivität. Die Perfusion des Gesichtes ändert sich beim Älterwerden dramatisch. Im Vergleich zur Kindheit wird die Durchblutung um die
Tabelle:
Fokale Zeichen verminderter Attraktivität
• Glabellafalte • Augenbrauenptosis • Dunkle Augenringe • Fettatrophie der proximalen Wangenregion • Zygomatische Falte • Tiefe Nasolabialfalte • Schmaleres Lippenrot • Hängende Mundwinkel mit Marionettenfalte (vom Mundwinkel
schräg gegen den Unterkieferrand verlaufende Falte) • Unterbrochene Kinnkontur • Sublabialfalte
(nach Dr. Gerhard Sattler, Darmstadt)
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Hälfte reduziert, was mit deutlichen Austrocknungseffekten verbunden ist. Hyaluronsäure ist die optimale Substanz, um auch in höherem Alter Flüssigkeit in der Haut zu binden. Hyaluronsäure wirkt nicht nur als Flüssigkeitscontainer, sondern hilft auch bei der Regeneration des Gewebes. Die Alterung beginnt in der Regel im Augenbereich, im Mittelgesicht und perioral – also in Bereichen, in denen praktisch kein oberflächliches Fettgewebe vorhanden ist («Fettglatze»). Deshalb werden Alterungszeichen hier besonders gut sichtbar, wenn die Dermis dünner wird. Während des Alterungsprozesses kommt es zu Veränderungen, die zur Verminderung der Attraktivität beitragen. Die fokalen Zeichen verminderter Attraktivität (Tabelle) erzeugen einen abgeschlagenen, müden, alten, grimmigen Eindruck.
Moderne Füller und ein innovatives Injektionssystem
Ausgehend von derselben Grundsubstanz kann bei der Herstellung von Hyaluronsäurefüllern durch unterschiedliche Stabilisierung erreicht werden, dass der Abbau weniger schnell erfolgt und dass im Gewebe Reize zur Fibroneogenese gesetzt werden, sodass nach wiederholten Behandlungen bleibende Resultate möglich sind. Eine grosse Rolle spielt die Kohäsivität des Materials. Diese Eigenschaft, dass das Material zusammenbleibt und nicht auseinanderbricht, ist für die Ortsständigkeit des Materials von entscheidender Bedeutung, wenn an einzelne Stellen injiziert wird. Moderne monophasische Gele bleiben kohäsiv und gehen in Wasser nicht in Lösung, während früher gebräuchliche biphasische Gele weniger kohäsiv sind und in Wasser in Lösung gehen. Die Präparate unterscheiden sich auch bezüglich der Hyaluronsäurekonzentration (mg/ml), die ein Mass für die Wassermenge darstellt, die vom Material gebunden wird. Neben der Qualität des injizierten Materials spielt auch die Qualität des Injektionsvorgangs eine wichtige Rolle. Die als Herstellerfirma hochwertiger Hyaluronsäureprodukte bekannte Firma Anteis hat ein elektronisches Injektionssystem entwickelt, das sich zur Faltenauffüllung und zur Verbesserung von Gesichtform und Gesichtsvolumen eignet. Das System besteht aus einem Fusspedal, das durch ein Kabel mit der Steuereinheit
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und schliesslich dem Handstück verbunden ist, das einem grossen Füllfederhalter ähnelt und mit gebrauchsfertigen Hyaluronsäurespritzen bestückt werden kann. Mit dem Fusspedal steuert der behandelnde Arzt die Injektion, entweder im kontinuierlichen Flowmodus oder im Dropmodus mit regelmässiger Tropfenabgabe. Wählbar sind die Durchflussmenge und im Dropmodus die Tropfengrösse und verschiedene Injektionsgeschwindigkeiten. Wenn bei konventioneller manueller Injektion (z.B. bei der Behandlung tiefer Stirnfalten) über längere Zeit ein gleichmässiger Stempeldruck beibehalten werden müsste, ist die komfortable Injektionshilfe für den Anwender eine echte Bereicherung, so der Referent. Injektionen mit dem elektronischen Injektionssystem seien zudem für die Patienten weniger schmerzhaft und mit weniger Hämatomen, Rötungen und Schwellungen verbunden.
Supraperiostale Depottechnik und Towertechnik
Mit der vertikalen supraperiostalen Depottechnik kann in Regionen mit ossärem Untergrund (z.B. an der Orbitakante) oberhalb des Periosts mit der Nadel ein Depot gesetzt werden. Auch die Turmtechnik (Towertechnik) ist eine vertikale Depottechnik, wobei mit der scharfen Nadel eingestochen und beim Zurückziehen ein Turm gezogen wird. Weil das Hyaluronsäurematerial im Bereich der Weichteilhaltebänder gekammert abgelagert wird und nicht modulierbar ist, sollte sehr kohärentes Material verwendet werden, um eine langlebige Korrektur zu erzielen. Mit der kopierten Turmtechnik können mehrere Türme von Depots nebeneinandergesetzt werden. Wenn ein Turm versehentlich zu hoch gezogen wird und im oberflächlichen Gewebe zu viel Wasser gebunden wird, kann oberflächlich etwas Hyaluronidase injiziert werden. Hyaluronidase wirkt bereits innerhalb von 1 Minute, wenn sie genau an die Stelle injiziert wird, an der das Hyaluronsäurematerial sitzt.
Windmilltechnik
Wenn statt scharfer Nadeln stumpfe Kanülen verwendet werden, kann Hyaluronsäurematerial in verschiedenen Ebenen nahezu ohne Gefässtraumata verteilt werden. So kann eine globale Volumisierung erreicht werden. Über eine einzige Zugangsstelle kann bei der Erstbehandlung mit der Windmühlentechnik mittels stumpfer Kanüle ein grosses Gesichtsareal erreicht werden, ohne dass sich Hämatome bilden. Bei der Windmühlentechnik handelt es sich um eine horizontale, parallel zur Hautoberfläche verlaufende Augmentationstechnik.
Fehler mit Füllern
Die am häufigsten vorkommenden Fehler sind interaktionsbedingt, wobei unterschiedliche Erwartungen von Arzt und Patient dafür verantwortlich sind. Andere Fehler sind injektionsbedingt, oder sie gehen auf das Konto der verwendeten Füller. Meistens gibt es allerdings mit Füllern keine Probleme, berichtete Prof. Dr. Berthold Rzany, Leiter der Injectable Filler Safety Study, CharitéUniversitätsmedizin, Berlin, in einem Plenarvortrag.
Arzt und Patient haben oft unterschiedliche Vorstellungen davon, was mit Füllern erreichbar ist. Sorgfältige Aufklärungsgespräche mit Vorher-Nachher-Fotos sowie ein umfassender Therapieplan sind deshalb wichtig. Zu den injektionsbedingten Fehlern gehören Hämatome, die durch Camouflage abgedeckt werden können. Um die Rückbildung von Hämatomen zu beschleunigen, kommen topische Präparate mit Vitamin K oder Arnika in Betracht. In einer kleinen, randomisierten, kontrollierten Doppelblindstudie mit experimentellem Setting konnte die Hämatomrückbildung durch Arnikasalbe 20% (2-mal täglich während 2 Wochen) im Vergleich zu Plazebo verbessert werden (1). Gegenüber einer Vitamin-K-Creme 5 Prozent war Arnika nicht überlegen. In dieser Studie wurden bei Freiwilligen mit Laser an den Oberarmen standardisierte Hämatome von 7 mm Durchmesser induziert und mit Vitamin-K-Creme, Arnikasalbe oder Vaseline als Plazebo behandelt. Die prophylaktische Anwendung von homöopathischen Arnikazubereitungen sei nicht überzeugend, so der Referent.
Füllerbedingte Fehler
Hyaluronsäure muss gereinigt werden, damit das Risiko entzündlicher Reaktionen reduziert wird. Prof. Rzany stellte die Hypothese auf, dass das Risiko unerwünschter Reaktionen umso höher sei, je billiger ein Hyaluronsäurefüller ist. Das Berliner Register sammelt alle unerwünschten Wirkungen von injizierbaren Füllmaterialien und wertet sie im Rahmen der Injectable Filler Safety Study aus (www.derma-filler.de). Zu den füllerbedingten Fehlern gehören Überkorrekturen mit zu viel Volumen oder die oberflächliche Injektion eines Füllers, der für die tiefe Injektion bestimmt ist. Wenn unästhetisch viel Volumen injiziert wurde, schafft Hyaluronidase Abhilfe. Wenn bei feinen periokulären Fältchen ein zu dicker Füller, der für tiefe Injektionen geeignet ist, oberflächlich in die sehr dünne Haut injiziert wird, können sich kleine Papeln bilden. Narben können nach Gefässokklusion durch Hyaluronsäurefüller entstehen, z.B. im Glabella- oder im Nasenflügelbereich. Bei guter Vorbereitung lassen sich solche Narben verhindern. Wenn sehr starke Schmerzen und eine Weissverfärbung auf eine Okklusion hinweisen, muss sofort Hyaluronidase injiziert werden. «Wer Hyaluronsäure injiziert, sollte Hyaluronidase im Kühlschrank haben», betonte der Referent.
Perfekte Lippen sind gefragt
Sind perfekte Lippen göttlich? Jedenfalls spielt bei den Lippen die göttliche Proportion, also der goldene Schnitt, eine wichtige Rolle, berichtete Dr. Tatjana Pavicic, Leiterin der Abteilung Ästhetische Dermatologie, Klinik für Dermatologie und Allergologie, LudwigMaximilians-Universität, München, in einem Plenarvortrag. Ausgehend von der Symmetrietheorie der Attraktivität kann das Gesicht in 3 gleich grosse Anteile – oberes, mittleres und unteres Gesichtsdrittel – unterteilt werden. Bei weiterer Unterteilung des unteren Gesichtsdrittels
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Bei deutschen Dermatologen gilt die Bundeskanzlerin Angela Merkel als Marionettenfalten-Model.
Quelle: http://fr.wikipedia.org; © Armin Kübelbeck
ist die Lippe am Übergang des oberen zum mittleren Drittel platziert. Zwischen Oberlippe und Nase beträgt der Abstand idealerweise 18 bis 20 mm, zwischen Unterlippe und Kinnkante 36 bis 40 mm. Die Oberlippe ist schmäler (⅓) als die Unterlippe (⅔). Oberhalb des Amorbogens (der bogenförmigen Grenzlinie des Oberlippenrots), der die Lippe so sinnlich macht, sind die Philtrumsäulen deutlich erkennbar, welche das Philtrum (vertikale Rinne, die von der Nase bis zur Mitte der Oberlippe verläuft) links und rechts begrenzen. Die durch die Gesichtsproportionen festgelegte Lippenlänge entspricht idealerweise genau dem Abstand der beiden Pupillen. Immer sollten die Lippen der Patientinnen nicht nur frontal, sondern auch seitlich im Profil betrachtet werden, so die Referentin. Im Profil überragt die Oberlippe die Unterlippe um 1 bis 2 mm. Der goldene Schnitt gilt als ideales Prinzip ästhetischer Proportionierung. Alles, was dem goldenen Schnitt entspricht, nehmen wir als schön wahr. Beim goldenen Schnitt verhält sich die grössere Länge (a) zur kleineren Länge (b) wie die Summe beider Längen (a+b) zur grösseren Länge (a). Als Formel ausgedrückt: a : b = (a + b) : a = φ (die goldene Zahl Phi = 1,618). Überall im Gesicht taucht bei der Berechnung von Gesichtsproportionen die Zahl φ auf. Beispielsweise entspricht das Verhältnis zwischen Oberlippenrot und Unterlippenrot der Zahl φ. Auch Männerlippen weisen dieselben Proportionen
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auf, sind aber meistens etwas schmäler als weibliche Lippen und fallen im Gesicht weniger auf. Deshalb sollte bei Männern noch zurückhaltender behandelt werden nach dem Motto: mehr ist nicht immer besser. Oft kommen junge Frauen zur Behandlung in die Praxis, weil sie sich noch vollere und sinnlichere Lippen wünschen. Bei diesen Frauen steht die Behandlung des Lippenrots und des Philtrums im Vordergrund. Mit zunehmendem Alter nimmt der kutane Anteil der Oberlippe zu, das Lippenrot wird schmäler, und das Philtrum flacht sich ab. Durch dauernd wiederholte mimische Bewegungen kommt es zu perioralen Fältchen (lipstick lines), bei denen der Lippenstift auslaufen kann. Das Mittelgesicht sackt ab, hängende Mundwinkel und Marionettenfalten prägen dann das Aussehen, wie beispielsweise bei der deutschen Bundeskanzlerin. Bei vorgealterten Patientinnen gilt es, zur Verjüngung nicht nur die Lippen, sondern durch Kombinationsbehandlungen auch das ganze periorale Areal zu behandeln. Bei der Behandlung der Lippen kann die Lippenkontur und/oder das Volumen günstig beeinflusst werden. Nie sollten die Philtrumsäulen vergessen werden, mahnte die Referentin. Bei der Behandlung ganz symmetrische Resultate zu erreichen, ist anspruchsvoll. Weil viele Patientinnen eine angeborene Asymmetrie der Lippen aufweisen, sollten sie vor der Behandlung darauf aufmerksam gemacht werden. «Alles, was man vor der Behandlung sagt, ist Aufklärung, und alles was man nachher sagt, ist Entschuldigung», so die Referentin. Zur Behandlung der Kontur kann mit der Nadel entlang des Lippenrotrandes intradermal injiziert werden. Zur Volumenbehandlung kann unter den Muskel injiziert werden. Bei der Unterlippe wird oft der Fehler gemacht, dass zu wenig injiziert wird, sodass die idealen Proportionen von Ober- und Unterlippe (⅓ : ⅔) verloren gehen. Volumen kann auch mit atraumatischen Kanülen (nicht scharf, vorne abgerundet) injiziert werden. Es ist möglich, von einem einzigen Einstich seitlich an der Wange sowohl die Ober- als auch die Unterlippe zu injizieren. Wenn weichere Übergänge erwünscht sind, sollten Füller mit geringerer Viskosität und Elastizität gewählt werden. Wenn mehr Volumen erreicht werden soll, sind Füller mit höherer Viskosität und Elastizität geeignet. Überkorrekturen sollten auf jeden Fall vermieden werden. Von permanenten Materialien riet die Referentin entschieden ab, da sie permanente Probleme verursachen können.
Alfred Lienhard
Redaktioneller Bericht ohne Sponsoring.
1. Leu S et al. Accelerated resolution of laser-induced bruising with topical 20% arnica: a rater-blinded randomized controlled trial. Br J Dermatol 2010; 163: 557–563.
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