Transkript
ESC
Infekte verhindern
Herzschutz via Impfung
In der Prävention von kardiovaskulären Ereignissen sind neben Massnahmen zu klassischen Risikofaktoren auch Impfungen gerückt. Denn Infekte können zur Ruptur von vulnerablen Plaques führen. Wie sich Impfungen gegen RSV und Pneumokokken auf kardiorespiratorisch bedingte Hospitalisation und Mortalität auswirkt und welche Impfungen die European Society of Cardiology (ESC) für die einzelnen Patientengruppen empfiehlt, war an ihrem Jahreskongress zu erfahren.
Das Respiratorische-Synzytial-Virus (RSV) kann bei älteren Menschen und Patienten mit chronischen Krankheiten zu schwerer Erkrankung führen. Die meisten Komplikationen sind respiratorischer Natur. Allerdings liefern Beobachtungsstudien Hinweise dazu, dass eine RSV-Infektion zu kardiovaskulären Erkrankungen und Mortalität beitragen kann, wie Prof. Tor Biering-Sorensen, Gentofte University Hospital, Kopenhagen (DK), erklärte.
Am ESC-Kongress wurde die offene registerbasierte DANRSV-Studie mit dem bivalenten RSVpreF-Impfstoff vorgestellt, die in der Wintersaison 2024/2025 in der nördlichen Hemisphäre durchgeführt wurde. Die Studie untersuchte die Wirksamkeit des Impfstoffs im Vergleich zu keiner RSVImpfung bei Erwachsenen ≥ 60 Jahren hinsichtlich RSV- bedingter und allgemeiner Atemwegserkrankungen sowie kardiorespiratorisch bedingter Hospitalisationen. Als primärer Endpunkt war die Hospitalisation aufgrund einer RSVbedingten Atemwegserkrankung definiert. An der Studie nahmen > 130 000 Teilnehmer teil, die auf die Gruppen mit und ohne Impfung gleichmässig verteilt waren. In den auf die Impfung folgenden 20 Wochen ereigneten sich in der Impfgruppe drei spitalpflichtige respiratorische Events versus 18 in der Kontrollgruppe. Das entspricht einer Impfwirksamkeit von 83,3% (p = 0,007). Nebenwirkungen, auch schwere, traten in beiden Gruppen ähnlich häufig auf (2,1 vs. 2,4%).
Die Impfung war überdies mit einer Reduktion kardiorespiratorischer Erkrankungen jeglicher Ursache assoziiert (1). Damit empfehle sich die Impfung älterer Menschen mit RSVpreF als Teil einer Strategie zur Reduktion schwerer kardiorespiratorischer Komplikationen, so Prof. Biering- Sorensen abschliessend.
Für den Schutz von älteren Personen sind in der Schweiz drei Impstoffe mit dem Prefusions-Oberflächenprotein F (RSVpreF) zugelassen und empfohlen: RSVpreF (Abrysvo®), RSVpreF3 (Arexvy®), RSVpreF (mResvia®, ein mRNA-Impfstoff).
Gegen Pneumokokken impfen lohnt sich Pneumopathien sind eine häufige Ursache für Dekompensation einer Herzinsuffizienz. Daher sind Impfungen gegen Influenza-Viren und Pneumokokken von der European Society of Cardio-logy (ESC) empfohlen, um herzinsuffizienz-
bedingte Hospitalisationen zu verhindern (2). Trotz dieses bekannten Zusammenhangs sind einer französischen Untersuchung zufolge nur gerade 3% der Patienten mit Herzinsuffizienz gegen Pneumokokken geimpft (3). Aus diesem Grund startete die Forschungsgruppe um Prof. François Roubille, Universitätsspital Arnaud de Villen-euve, Montpellier (F), eine offene und randomisierte Studie unternommen, bei der ca. 6000 durchschnittlich 78-jährige Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und deren Hausärzte (ca. 2000) zeitlich versetzt zweimal einen Brief per Post erhielten, worin sie über die möglichen Folgen einer Pneumopathie durch Pneumokokken informiert und zur Impfung eingeladen wurden. Die Kontrollgruppe (ca. 6000 Patienten und ca. 2000 Hausärzte) erhielt keinen Brief und wurde nur beobachtet. Als primäre Endpunkte war die Teilnahmerate an der Impfkampagne nach 1 Jahr sowie die Mortalitätsrate definiert.
Die Impfrate schnellte jeweils nach dem Briefversand in die Höhe und erreichte nach einem Jahr 35%, während die Impfrate in der Kontrollgruppe bei 3,5% blieb (4). Die Gesamtmortalitätsrate sank nach einem Jahr durch die Impfung um 22% (5). Das zeigt, dass eine Impfaktion per brieflicher Einladung zu einer 15-fachen Impfrate und zu einer markanten Mortalitätssenkung in einem Jahr führen kann, wie Prof. Roubille am ESC-Kongress die Resultate kommentierte.
Impfungen sind die neue kardiovaskuläre Prävention Das Bewusstsein für die Auswirkungen viraler und bakterieller Infektionen auf das Herz-Kreislauf-System hat im Allgemeinen zugenommen. Auch bezüglich der Tatsache, in welchem Ausmass Infektionskrankheiten kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität auslösen können. Pulmonale wie auch systemische Infektionen können die kardiovaskuläre Gesundheit auf vielfältige Weise beeinflussen: einerseits durch Erhöhung des myokardialen Sauerstoffverbrauchs und dadurch bedingte ischämische Ereignisse bei Risikopatienten, andererseits durch die Aktivierung inflammatorischer Signalwege, die eine koronare Plaqueruptur oder eine Erosion auslösen können. Ein weiteres Risiko ist die Beeinträchtigung der myokardialen Kontraktilität, was zu einer Herzinsuffizienz führt oder eine bestehende verschlimmert. Es wird geschätzt, dass etwa 3% der Todesfälle und
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5% der Spitalaufenthalte aufgrund von Influenza oder Pneumonie bei Patien-ten mit Herzinsuffizienz der Influenza auftreten.
Impfungen sind daher nicht nur wirksame präventive Massnahmen gegen spezifische Infektionen, sondern sie sind zunehmend auch zur kardiovaskulären Prävention bei Hochrisikopatienten anerkannt. Insbesondere wächst die Evidenz dafür, dass Impfstoffe gegen Influenza, SARS-CoV-2, das Respiratory-Syncytial-Virus (RSV), Herpes zoster (Shingrix®) und andere Viren Infektionen deutlich reduzieren und im Fall der Influenza auch das Auftreten schwerwiegender kardiovaskulärer Ereignisse bei geimpften Personen verringern. Vor diesem Hintergrund hat die European Society of Cardiology (ESC) ein Konsensus-Papier zur Impfung als kardiovaskuläre Prävention herausgegeben. Darin sind für Patienten mit chronischen kardiovaskulären Erkrankungen, Herzinsuffizienz und Koronarer Herzkrankheit die jährliche Influenzaimpfung vor Winterbeginn, Impfungen gegen Pneumokokken (Prevenar®), RSV, Herpes zoster (Shingrix®) und Diphterie/Pertussis/Polio empfohlen. Für Schwangere rät die ESC zu Impfungen gegen Influenza, Keuchhusten, SARSCoV-2 und RSV. Patienten, die vor einer Herztransplantation stehen, sollten mit Impfungen gegen Masern/Mumps/Röteln (MMR), Varizellen, Herpes zoster, Rotavirus, SARS-CoV-2, Influenza, Pneumokokken, Tetanus, Pertussis, Hepatitis A und B sowie dem humanen Papillomavirus (HPV) (Gardasil®) geschützt werden (6).
Valérie Herzog
Quelle: «Late-Breaking Clinical Trials: vaccinations in cardiovascular prevention» und «ESC Expert Consensus on vaccination for cardiovascular risk reduction». Jahreskongress der European Society of Cardiology, 28. August bis 1. September 2025, Madrid
Referenzen: 1. Lassen MCH et al.: RSV Prefusion F Vaccine for Prevention of Hospitali-
zation in Older Adults. N Engl J Med. Published online August 30, 2025. doi:10.1056/NEJMoa2509810 2. McDonagh TA et al.: 2021 ESC Guidelines for the diagnosis and treatment of acute and chronic heart failure. Eur Heart J.
2021;42(36):3599-3726. doi:10.1093/eurheartj/ehab368 3. Wyplosz B et al.: Pneumococcal and influenza vaccination coverage
among at-risk adults: A 5-year French national ob-servational study. Vaccine. 2022;40(33):4911-4921. doi:10.1016/j.vaccine.2022.06.071 4. Guillermou H et al.: Pneumococcal vaccination incentive campaign in chronic heart failure patients in France: a cluster-randomized trial. Eur J Prev Cardiol. Published online August 29, 2025. doi:10.1093/eurjpc/zwaf529 5. Guillermou H et al.: in process 6. Heidecker B et al.: Vaccination as a new form of cardiovascular prevention: a European Society of Cardiology clinical consensus statement. Eur Heart J. Published online June 30, 2025. doi:10.1093/eurheartj/ehaf384
Foto: vh
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