Transkript
PRAXIS
Phytotherapeutische Magistralrezepturen in der Gynäkologie
Eine Apothekerin stellt ihr reichhaltiges Sortiment vor
Regula Berger
Ausgangslage
Wenn man im Kompendium «Phytotherapeutika/pflanzliche Arzneimittel» (Falch1) blättert, so findet man unter Frauenheilkunde nur orale Präparate bei Wechseljahbeschwerden und PMS. Seit ein paar Jahren erschienen einige vaginale Produkte wie Salben, Spülungen und Ovula, welche aber als «Medizinalprodukte» gelten und entsprechend zusammengesetzt sind. Diese bieten sich für einen phytotherapeutisch arbeitenden Arzt nicht als wirksames und verschreibungsfähiges Medikament an. So ist es ein grosses Bedürfnis, wirksame, lokale und erstattungsfähige Heilmittel zur Verfügung zu haben. Die Ärztinnen und Apothekerinnen des Netzwerkes Herbadonna (eine Arbeitsgruppe der SMGP) treffen sich viermal jährlich zu Weiterbildungen und Workshops. Es geht dabei ausschliesslich um die Frau mit ihren spezifischen Leiden und Erkrankungen und um die dabei einsetzbaren pflanzlichen Heilmittel. Gemeinsam werden dort Therapiekonzepte erarbeitet, vorgestellt, und zusammen wird mit den Apothekerinnen nach Lösungen gesucht, wie die Produkte hergestellt werden könnten. Es ist offenbar für die Ärzte und Ärztinnen nicht einfach, Produkte zu erhalten, welche sie gerne einsetzen möchten. Einerseits nehmen nur noch sehr wenige Apotheken den Aufwand auf sich, arbeitsintensive Rezepturen herzustellen und das ganze grosse Sortiment an ätherischen Ölen, Urtinkturen, Wirkstoffölen am Lager zu haben, andererseits machen es das Heilmittelgesetz, die kantonalen Gesetze, GMP-
1 Das Kompendium ist direkt bei der Autorin erhältlich: E-Mail: bfalch@gmx.ch
und andere Vorschriften auch immer anspruchsvoller und komplizierter, diese Produkte herzustellen und zu verkaufen. Das Bedürfnis wäre aber da, vonseiten der Ärztinnen und vonseiten der Frauen sowieso.
Trägermasse
Aus diesem Grund wurde ich vor zwei Jahren angefragt, ob wir in der Kreuz Apotheke Zollikofen bereit wären, bereits bewährte Ovula- und Salbenrezepturen herzustellen. Darauf folgte ein ganzes Jahr Entwicklungsarbeit in der Freizeit, denn die Produkte sollten nicht nur wirksam, sondern auch in galenischer Hinsicht perfekt für die Frau sein.Wir übernahmen nicht die Rezepturen mit vorgefertigter Salbengrundlage, sondern entwickelten diverse neue Salben, welche zu 100 Prozent aus natürlichen, pflanzlichen Zutaten bestehen. Wir machten es uns zur Bedingung, vollständig ohne Emulgatoren, Konservierungsmittel und Erdölprodukten auszukommen. Dies aus der persönlichen und von anderen Frauen gemachten Erfahrung, dass die kranke oder hochempfindliche Intimschleimhaut einer Frau relativ stark auf diese Hilfsstoffe reagieren kann. Eine ungünstig zusammen-
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gesetzte Salbengrundlage kann auch ohne Wirkstoffe schon zu Brennen und Jucken führen. Deshalb werden Ovula bei uns nur aus Kakaobutter hergestellt: Das ist eine sehr aufwendige Arbeit, denn diese «Schokolademasse» muss ganz langsam bei 31 bis 35° C geschmolzen werden. Das bedeutet, dass der Ansatz am Morgen aufs Wasserbad gestellt wird, am Abend die Ovula gegossen und erst am nächsten Tag dann verpackt und verwendet werden. So viel Liebe und Geduld ist aber absolut sinnvoll, wenn man ein Kakaobutterovulum mit einem normalen Zäpfchen, bestehend aus Whitepsol, einer Art weisser Kerzen-
www.herbadonna.ch
Das Phyto-Gyni-Netzwerk Herbadonna wurde 2003 von der Gynäkologin Regina Widmer und der Apothekerin Beatrix Falch als unabhängige Arbeitsgruppe der Schweizerischen Medizinischen Gesellschaft für Phytotherapie (SMGP) gegründet. Das Ziel von Herbadonna ist, das Erfahrungswissen über pflanzliche Behandlungsmöglichkeiten von frauenheilkundlichen und geburtshilflichen Gesundheitsproblemen zu sammeln, zu sichten und zu bewerten sowie in der täglichen Praxis anzuwenden und für zukünftige Generationen zu dokumentieren. Die Workshops dienen der Weiterbildung von medizinischen Fachpersonen. Der Erfahrungsaustausch findet in Workshops, im direkten E-Mail-Austausch und mit dem Internetforum Moodle statt.
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wachs, in ihren Eigenschaften vergleicht. Die Zäpfchengrundlage ist nicht nur Trägermasse von Wirkstoffen, sondern unterstützt selber in ihrer sanft fettenden Eigenschaft die Wirkung. Auch wenn das Ovulum geschmolzen ist und im Laufe der Nacht langsam aus der Scheide herausläuft, bleibt die Wirkung erhalten und dehnt sich auf die gesamte innere und äussere Intimregion aus.
Ätherische Öle
Ein Jahr später lernte ich an einer Herbadonna-Fortbildung die deutsche Apothekerin und Aromatherapeutin Dorothea Hamm (www.larome.de) kennen und war beeindruckt von ihrer langjährigen wissenschaftlichen Arbeit zur Wirksamkeit ätherischer Öle in der gynäkologischen Anwendung. Ätherische Öle sind flüchtige Bestandteile aus Pflanzen und chemisch gesehen komplexe Mischungen von unter Umständen mehreren Hundert Einzelbestandteilen organischer Natur. Sie wirken nicht nur antiseptisch, antibakteriell, fungizid und antiviral, sondern entfalten zahlreiche Wirkungen auf Geist und Körper. Frau Hamm hat während 9 Jahren 1100 Aromatogramme ausgewertet, 80 Prozent davon bezogen sich auf Vaginalinfekte. Die Resultate wurden individuell auf den Pa-
Kasten:
Ätherische Öle bei Infekten
Im alten Ägypten: Die keimhemmende und desinfizierende Wirkung der ätherischen Öle wurden bei der Mumifizierung genutzt.
1918: In Krankenhäusern wurde eine antiseptische Seife mit ätherischen Ölen verwendet, um Verbandsmaterial zu waschen.
Indochinakrieg 1950–1952: Wundinfektionen wurden mit grossem Erfolg mit ätherischen Ölen durch Dr. Jean Valent behandelt.
1971: Maurice Girault testet die Wirkung ätherischer Öle gegenüber bestimmter Keime analog zu einem Antibiogramm.
Heute: Eine Datenbank aus Grossbritannien bietet eine Vielzahl an Studien über die Wirkung von ätherischen Ölen (www.essentialoilresource.com).
tienten angewendet, aber Frau Hamm führte über all die Jahre eine Statistik und konnte so eindeutig eine ganze Reihe von ätherischen Ölen mit einer ausgeprägten Wirksamkeit auf spezifische Erreger zuteilen.
Rezepturen für die Praxis
Eine individuelle Therapie mit dem exakt passenden, ausgetesteten ätherischen Öl ist sicherlich die optimale Behandlung. Durch das Austesten jedoch kann mit der Therapie erst nach einer langen Zeitdauer begonnen werden. Auch werden so hohe Kosten generiert. Als Alternative dazu wurden von Frau Hamm Rezepturen zusammengestellt, welche 3 bis 5 Öle enthalten, die in den meisten Fällen eine hohe Aktivität zeigten. Gewisse Öle wurde gewählt, weil sie maximale keimhemmende Eigenschaften besitzen und somit so niedrig dosiert werden können, dass sie keine schleimhautreizenden Eigenschaften haben. Die anderen Öle in den Rezepturen sind sogenannte Terrainöle, welche hautpflegende, regenerierende und gegebenenfalls phytoöstrogene Eigenschaften aufweisen. In einigen Ölen sind beide Wirkungen vereint, so etwa in der Damaszenerrose, in Neroli und Lavendel. Diese Rezepturen mit ätherischen Ölen durfte ich freundlicherweise übernehmen – im Sinne, dass noch mehr Erfahrungen über die Therapieerfolge gesammelt werden können. Unterdessen hat sich unser Sortiment erweitert, weitere Produkte entstanden in Zusammenarbeit mit Ärztinnen oder Heilpraktikerinnen. Es ist eine sehr spannende Arbeit! (vgl. Tabelle). Diese Rezepturen können als PM-Präparateliste in der Kreuz Apotheke angefordert werden. Es sind keine Dosierungen und Indikationen vermerkt. Wenn man keine eigenen Erfahrungen mit solchen oder ähnlichen Produkten hat, empfiehlt es sich, einem Therapieleitfaden zu folgen. Solche Leitfäden haben sich bereits bewährt und werden immer wieder aktualisiert. Diese sind zu verschiedenen Themen auch in der Kreuz Apotheke zu beziehen.
Wie rezeptiert man eine Magistralrezeptur?
Möglichkeit 1: Es werden alle Inhaltsstoffe mit der geforderten Menge aufgeschrieben. Das ist immer dann sinnvoll, wenn eine eigene, individuelle Rezeptur erstellt
wird. Damit das Produkt von der Grundversicherung bezahlt wird, müssen alle Inhaltsstoffe in der ALT (Arzneimittelliste mit Tarif) aufgeführt sein. Möglichkeit 2: Es wird eine bestehende, der Apotheke bekannte Rezeptur verschrieben, welche durch eine PM-Nummer klar identifizierbar ist.
Wie vorgehen beim Bestellen?
Das Heilmittelgesetz sieht vor, dass Magistralrezepturen nicht auf Lager in Arztpraxen geliefert werden dürfen. Sie müssen direkt an die Patientin abgegeben werden. Ein verschreibender Arzt kann aber bei uns sein Rezept in die Apotheke schicken. Sollte die Auslieferung des Produkts länger als 2 bis 3 Tage dauern, wird er umgehend informiert. Nun kann die Patientin das vorbereitete Produkt nur noch abholen. Apotheken mit Versandhandelsbewilligung dürfen auch direkt an die Patientin verschicken.
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Tabelle: Gynäkologische Magistralrezepturen der Kreuz-Apotheke
Indikationsgebiet Vaginalinfekte
Tägliche Pflege und Prophylaxe Für die Liebe Hochempfindliche, hyperreaktive Schleimhaut
Frauenmischungen
Präparat Lavendel comp Ovula (D. Hamm) Lavendel comp Salbe Zitronengras comp Ovula (D. Hamm)
Zitronengras comp Salbe
Milchsäure-Ovula (nicht mit Kakaobutter)
Melaleuca comp Ovula (D. Hamm) Melisse comp Ovula (D. Hamm)
Neroli comp Ovula (D. Hamm) Konzentrat für Vaginalspülungen mit ätherischen Ölen Labienöl Badesalzmischung für Sitzbad Manuka comp Salbe
Lavendel comp Balsam/ Palmarosa comp Balsam* Bilsenkraut Creme Sheacreme/PUR
Granatapfel Balsam Rosengeranie comp Balsam*
Muskateller comp Balsam*
Rose comp Ovula/Rose comp Salbe
Rose-Rotklee Salbe (A. Kramer)
Rose-Rotklee Ovula (A. Kramer)
Jasmin comp Öl (D. Hamm)
Salbei-Ylang comp Öl (D. Hamm)
Granatapfel comp Salbe
Wird angewendet bei: Candida-Infektion, sanfte Wirkung Candida-Infektionen und zur Prophylaxe Candida-Infektionen, starke Wirkung, nicht in Schwangerschaft anwenden Candida-Infektionen, starke Wirkung, nicht in Schwangerschaft anwenden, evtl. zur Partnertherapie (Mann) Ansäuern des Scheidenmilieus, zur Prophylaxe von Vaginalinfekten und zur Nachbehandlung nach Therapie Escherichia coli und Mischinfektionen mit Candida albicans HPV nicht in Schwangerschaft anwenden B-hämolysierende Streptokokken in der Schwangerschaft
juckende, evtl. infizierte Affektionen am After (auch für Männer) Aufbau und Schutz der Intimschleimaut vor Infektionen (Vagina und Blase) Gleitcreme auf Sheabutter-Basis mit Bilsenöl, aphrodisierend Gleitcreme auf Sheabutter-Basis, mit oder ohne ätherische Öle zum Verwöhnen oder Verwöhnt-werden Reizharnröhre, postkoitale Reizung, hypersensible Schleimhaut. für junge Frauen bis zur Menopause Reizharnröhre, postkoitale Reizung, hypersensible Schleimhaut für Frauen ab Menopause bei trockener, sensibler Schleimhaut ab Menopause schützend, aufbauend, prophylaktisch gegen Infektionen, aphrodisierend pflegt trockene Schleimhaut, wirkt schützend und sanft aphrodisierend pflegt trockene Schleimhaut, wirkt schützend und sanft aphrodisierend bei Periodenbeschwerden: krampflösend, schmerzstillend, «Mens-auslösend» (lässt die Blutung fliessen) nicht in Schwangerschaft oder bei starken Blutungen anwenden ausgleichende, regulierende Wirkung bei Wechseljahrbeschwerden, Periodenschmerzen, Dysmenorrhö, überfälliger Menarche Phytoöstrogensalbe für Frauen ab Menopause, schleimhautpflegend und -aufbauend, schützend
* Mit Balsam wird hier eine leicht eingedickte Form von Ölen verstanden, die einfacher anwendbar ist und länger wirkt.
Verrechnung an die Krankenkasse?
Wenn das Rezept korrekt ausgefüllt ist (mit PM-Nummer und Name des Produkts sodass ersichtlich ist, dass es sich um eine Magistralrezeptur handelt – Infos dazu finden sich auch in der PM-Präparateliste der Kreuz-Apotheke) werden die Produkte im Allgemeinen von der Grundversicherung bezahlt.
◆ Die Apotheke verrechnet direkt an die Krankenkasse. Dafür benötigt die Apotheke die Patientendaten wie Versicherungsnummer und Deckungsgrad (wir haben dazu vorgefertigte Faxformulare).
oder ◆ Die Produkte werden zusammen mit ei-
ner Rechnung an die Patientin abgegeben (geschickt), welche diese als Rück-
forderungsbeleg zusammen mit dem
Rezept an die Krankenkasse einschicken
kann.
◆
Anschrift der Autorin dipl. pharm. Regula Berger Kreuz Apotheke Zollikofen AG Bernstrasse 150 3052 Zollikofen regi@kazag.ch
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