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Titel
Perspektiven Hausarztmedizin – die meisten Ärzte und Versicherer können Risiken nicht korrekt einschätzen
Untertitel
Interview mit Dr. med. Isabelle Fuss Allgemeine Innere Medizin FMH Hausarztpraxis MZ Brugg Brugg
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Datum
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Rubrik
Rückblick 2018/Ausblick 2019
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Artikel-ID
38978
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Rückblick 2018/Ausblick 2019

PERSPEKTIVEN HAUSARZTMEDIZIN
Dr. med. Isabelle Fuss Allgemeine Innere Medizin FMH Hausarztpraxis MZ Brugg Brugg
Die meisten Ärzte und Versicherer können Risiken nicht korrekt einschätzen
Was hat Sie als Hausärztin 2018 am meisten gefreut?
Wir sind in unserer Praxis zunehmend dabei, uns mit Spezialistenkollegen zu vernetzen. Schon länger arbeitet eine unserer Ärztinnen einen Tag pro Woche bei einem Dermatologen mit und kann uns anderen Hausärzte im Bereich Dermatologie sehr gut beraten. Wenn mein Patient über Hautprobleme berichtet und ich unsicher bin, kommt sie kurz dazu für ein Konsil. Der Patient ist gut und rasch behandelt, ich habe etwas Neues gelernt und die Kosten sind niedrig. Da wir als unabhängige Hausarztpraxis in einem Zentrum mit diversen Spezialisten arbeiten, haben wir das Glück, kurze Wege zu haben. Wir haben mit diversen Spezialisten die Möglichkeit, Aktenkonsilien durchzuführen. Wenn wir bei einem Patienten einen spezialärztlichen Rat möchten, jedoch eine spezielle Untersuchung wie Herzecho oder grosse Lungenfunktion wahrscheinlich nicht nötig ist, vereinbaren wir mit dem Spezialisten einen Termin und besprechen den Fall. Wir stellen dem Spezialisten die Patientendaten sowie bisherige Untersuchungsresultate zur Verfügung. Die Patienten müssen vorgängig nach ihrem Einverständnis gefragt werden und erhalten vom Spezialisten eine Rechnung für das Konsil. Die Erfahrung zeigt, dass Patienten sehr dankbar sind für diese Möglichkeit. Manchmal ist eine Vorstellung beim Spezialisten dann doch nötig, meistens ist dies aber nicht der Fall.
Was hat Sie am meisten geärgert?
Das Ärgernis wird für Sie, falls Sie ebenfalls hausärztlich tätig sind, keine Überraschung sein: Es geht um die Tariflimitierungen. Man muss teilweise schon recht erfinderisch sein, um die erbrachten Leistungen abrechnen zu können. Eine Überweisung und Abdelegierung des Problems wäre einfacher, dient aber nicht unbedingt der Allgemeinheit.

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Gab es im vergangenen Jahr einen Fall, der Sie besonders beschäftigt oder berührt hat?
Es war kein Fall, sondern ein Vortrag an den «Trendtagen Gesundheit» von Prof. Gerd Gigerenzer, Direktor am MaxPlanck-Institut für Bildungsforschung sowie des HardingZentrums für Risikokompetenz, Berlin. Es ging darum, wie wir Entscheidungen treffen und wie wir Risiken einschätzen. Es zeigte sich, dass die meisten Ärzte und Versicherer Risiken nicht korrekt einschätzen können. Dies hängt vor allem damit zusammen, wie die Risiken kommuniziert werden. Ich empfehle Ihnen einen Blick auf die Faktenboxen zum Thema Krebsfrüherkennung (siehe Kasten). Wahrscheinlich sollten wir Ärzte uns mehr darauf konzentrieren, Patienten bezüglich gesunder Lebensweise zu informieren, statt viele Checkup-Untersuchungen durchzuführen. Falls Sie das Thema interessiert, das Buch «Risiko» von Prof. Gigerenzer kann ich wärmstens empfehlen. Seine anderen Bücher habe ich (noch) nicht gelesen.
Was erhoffen Sie sich von 2019, medizinisch wie gesundheitspolitisch?
Da die Hausarztmedizin ein wichtiger Pfeiler des Gesundheitswesens ist und mit zunehmender Multimorbidität noch wichtiger wird, hoffe ich, dass die Politik dem Rechnung trägt. Leider sind aber viel mehr Versicherer als Leistungserbringer politisch tätig (diese haben wahrscheinlich mehr Zeit), was das Bild dann verzerrt. An Kosteneinsparungen sind alle interessiert. Die Frage ist nur, wie dies umgesetzt werden kann. Da nach wie vor viele unnötige oder sogar schädliche Untersuchungen durchgeführt werden, fände ich dies als Ansatzpunkt viel wichtiger als die Zeitlimitierungen.
L
Die Faktenboxen zum Thema Krebsfrüherkennung geben Informationen zu Nutzen und Risiken der Früherkennung von Brust-, Eierstock-, Prostata- und Darmkrebs.
Sie finden diese unter: www.rosenfluh.ch/qr/faktenboxen
oder direkt via QR-Code.

ARS MEDICI 1+2 | 2019

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