Metainformationen


Titel
Internistische Telemedizin – telemedizinische Beratung auf dem Vormarsch
Untertitel
Interview mit Prof. Dr. med. Christiane Brockes CEO alcare AG, Wil
Lead
-
Datum
Autoren
-
Rubrik
Rückblick 2018/Ausblick 2019
Schlagworte
-
Artikel-ID
38980
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/38980
Download

Transkript


Rückblick 2018/Ausblick 2019

Internistische Telemedizin
Prof. Dr. med. Christiane Brockes CEO alcare AG, Wil Professorin an der Universität Zürich zum Thema Klinische Telemedizin und eHealth
Telemedizinische Beratung auf dem Vormarsch
Welche Entwicklungen des letzten Jahres in Ihrem Fachgebiet fanden Sie besonders spannend?
Die Beratung auf Distanz erhielt in Deutschland deutlichen Rückenwind. «Auf einmal soll alles ganz schnell gehen», ist im Brennpunkt «Diagnose aus der Ferne» Mitte Mai 2018 im deutschen Gesundheitsmagazin Apotheken Umschau zu lesen. Die Beteiligten am deutschen Ärztetag in Erfurt haben mit grosser Mehrheit dafür gestimmt, dass Ärzte künftig auch unbekannte Patienten per Telefon, E-Mail oder Videosprechstunde beraten und eine Therapie einleiten dürfen. Begonnen hatte es im Frühjahr mit einem Pilotprojekt in BadenWürttemberg, initiiert von der Kassenärztlichen Vereinigung, um die Praxen zu entlasten und die Fernbehandlung zu erproben. Mindestens genauso wichtig sei es, den Patienten eine qualitativ hochwertige telemedizinische Dienstleistung anzubieten, betonte Dr. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer. Da die mündigen Bürger und Patienten mehr und mehr solche Dienste im Internet beziehungsweise per App nutzen, wollen wir sie nicht an irgendwelche Callcenter im Irgendwo verlieren, erklärte Dr. Clever in der Apotheken Umschau. Auch in der Schweiz werden immer mehr telemedizinische Beratung und Behandlungen durchgeführt. Die Telemedizin kann helfen, aktuelle Herausforderungen wie den demografischen Wandel, den Mangel an medizinischem Fachpersonal und die wachsenden Gesundheitskosten zu meistern. Weiter fördert sie gezielt das «Patient Empowerment» und die Gesundheitskompetenz jedes Einzelnen. Der informierte Patient von heute möchte mitreden und -entscheiden. Diese Entwicklung ist nicht mehr aufzuhalten, sie geht mit der Digitalisierung einher. Allerdings zeigte die europäische Health-Literacy-Studie 2015 (siehe unten), dass die Schweiz hier einen ordentlichen Nachholbedarf hat: Bei über 50 Prozent der Befragten ist demnach nur eine unzureichende und mangelnde Gesundheitskompetenz vorhanden. Die Schweiz liegt im Ländervergleich unter dem Durchschnitt, konkret hinter
Gesundheitskompetenz in der Schweiz
Die zusammengefassten Informationen zur Health-Literacy-Studie 2015 finden Sie unter https://blog.careum.ch/koproduktion-20/ oder direkt via QR-Code.

Holland, Polen, Griechenland und Deutschland. Auch deswegen ist die Förderung der Gesundheitskompetenz im elektronischen Patientendossier verankert.

Inwieweit wird das Diagnose und/oder Therapie in der Schweizer Hausarztpraxis künftig verändern?
In der Arzt-Patienten-Beziehung bleibt der klassische persönliche Kontakt das Wichtigste. Die Konsultationen müssen aber nicht immer physisch vor Ort, sondern können telemedizinisch auch ergänzend auf Distanz stattfinden. Eigene Auswertungen von über 20 000 telemedizinischen Beratungen zeigen, dass die Fragesteller den Nutzen einer medizinischen Onlineberatung sehr positiv bewerten. Ebenso setzt sich das Remote-Telemonitoring in der Praxis mehr und mehr durch. Die vom Patienten gemessenen Vitalparameter, die digital möglichst direkt in die eigene Praxissoftware übermittelt werden, können beispielsweise das Hypertoniemanagement mit «mehr Sicherheit» optimieren, der Arzt kann zeitnah reagieren. Auf der Hochdruckligatagung im November 2018 in Berlin war eine eindrucksvolle Vielzahl von Herstellern beziehungsweise Anbietern solcher Blutdruckmessgeräte vertreten.

Und was «fürchten» Sie für die Zukunft am meisten?
Fehlende strukturierte Unterstützung/Weiterbildung des Fachpersonals und fehlende Transparenz im Datenschutz. Es gibt zig Gesundheits- und Fitness-Apps: Bei den vielen weder geprüften noch zertifizierten Apps steht die Sammlung grosser Datenmengen im Vordergrund. Wichtig zu wissen ist dabei, was mit den gesammelten Daten passiert, wo sie gespeichert und ob sie an Dritte transferiert oder sogar verkauft werden. Die Qualität der Medical-Apps hingegen hängt von der Kompetenz und dem telemedizinischen Know-how der involvierten Ärzte ab, daher sollten die Nutzer genau schauen, wer dahintersteckt. Es ist gar nicht einfach, aus der Fülle der telemedizinischen Möglichkeiten die richtige und sinnvollste für das eigene Spital, für die individuelle Pflegeeinrichtung oder für die Praxis beziehungsweise ambulant tätige Institution auszuwählen und individuell anzupassen. Hier sind die diversen Beteiligten von Anfang an miteinzubeziehen; hilfreich sind in diesem Zusammenhang Workshops, Bedürfnisanalysen, Interviews, Pflichtenheft, Testläufe und so weiter. Genauso essenziell ist die Weiterbildung des medizinischen Fachpersonals. Ziel ist das Schaffen von telemedizinischen Kompetenzen mit Standards und Richtlinien, damit sie die Patienten in der digitalen Welt nach State of the Art unterstützen, behandeln und betreuen können.

Wie lautet Ihre wichtigste Botschaft für die Kolleginnen und Kollegen in der Hausarztpraxis 2019?

Viele Bürger und Patienten nutzen bereits Angebote der digi-

talen Gesundheit. Die Verankerung der virtuellen medizini-

schen Versorgung in der Praxis kann die bestehenden Struk-

turen gewinnbringend ergänzen und das Personal mittel- und

langfristig entlasten.

L

ARS MEDICI 1+2 | 2019

21