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Metainformationen


Titel
Alkohol ist eine Volksdroge, mit der wir überall konfrontiert sind
Untertitel
-
Lead
Alkohol ist hierzulande gesellschaftlich akzeptiert und weit verbreitet. Wir sprachen mit PD Dr. med. Jochen Mutschler, Chefarzt und stellvertretender ärztlicher Direktor an der Privatklinik Meiringen, über die Risiken der Alkoholsucht im Erwachsenen- und Jugendalter und die Glaubwürdigkeit von Studien zum Suchtmittelgebrauch im Allgemeinen.
Datum
12. Oktober 2018
Journal
ARS MEDICI 20/2018
Autoren
Renate Bonifer
Rubrik
MEDIZIN — Interview / Bericht
Schlagworte
-
Artikel-ID
37721
Kurzlink
https://www.rosenfluh.ch/37721
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Transkript


«Alkohol ist eine Volksdroge, mit der wir überall konfrontiert sind»

INTERVIEW

Alkohol ist hierzulande gesellschaftlich akzeptiert und weit verbreitet. Wir sprachen mit PD Dr. med. Jochen Mutschler, Chefarzt und stellvertretender ärztlicher Direktor an der Privatklinik Meiringen, über die Risiken der Alkoholsucht im Erwachsenen- und Jugendalter und die Glaubwürdigkeit von Studien zum Suchtmittelgebrauch im Allgemeinen.

Herr Dr. Mutschler, wie gross ist das Problem der Alkoholsucht in der Schweiz? PD Dr. med. Jochen Mutschler: Generell geht der Alkoholkonsum in der Schweiz erfreulicherweise zurück. Gemäss aktuellen Statistiken sinkt der Pro-Kopf-Konsum, aber im Suchtbereich muss man alle Statistiken mit Vorsicht interpretieren. Die Realität ist dann doch oftmals eine andere. Meist beruhen die Statistiken zum Alkoholkonsum oder auch zum Konsum anderer Substanzen auf Umfragen. Die Befragten antworten aber in der Regel nicht ehrlich, weil das Thema so schambesetzt ist.
«Im Suchtbereich muss man alle Statistiken mit Vorsicht interpretieren.»

Im aktuellen Monitoring von Sucht Schweiz heisst es, dieser Anstieg der Opioidverordnungen sei als verbesserte Schmerztherapie und nicht als Suchtproblem zu interpretieren. Was meinen Sie dazu? Mutschler: Das kann schon so sein, aber nach unserer Erfahrung und aus Studien wissen wir eben auch, dass doch ein beträchtlicher Anteil der Patienten abhängig wird. Wir sehen solche Patienten zwar nicht massenhaft, aber häufiger als früher. Sie kommen mit einem sehr hohen Schmerzmittelkonsum zu uns in die Klinik. In der Schweiz besteht im Gegensatz zu den USA nicht das Problem, dass die Verschreibung der Substanzen eines Tages aufhört, sondern bei uns wird sehr liberal substituiert. Ich denke schon, dass es doch ein Opioidproblem in der Schweiz gibt, aber dass es nicht so augenscheinlich wird wie in den USA, weil die Verschreibungen weiterlaufen und es letztlich die Krankenkassen zahlen.

Glauben Sie, dass das Alkoholproblem in der Schweiz in Wahrheit grösser ist? Mutschler: Das ist schwer zu sagen ohne objektive Studien. In anderen Bereichen haben wir bereits einige Studien durchgeführt, die auf eine Objektivierung von Suchtverhalten abzielen, beispielsweise bei Opioidsubstituierten oder bei Onlinespielsucht. Bei den Opioidsubstituierten haben wir den tatsächlichen Konsum aller möglichen Suchtstoffe mittels Haaranalysen untersucht. Bei der Studie zur Onlinespielsucht haben wir mit Unterstützung eines grossen Kommunikationsanbieters in der Schweiz zwei Wochen lang eine führende Website für Onlinepoker gescreent, und zwar bezüglich Usern, die mit mobilen Geräten darauf zugreifen. Dabei zeigte sich unter anderem, dass auch Personen unter 18 Jahren mitspielen, obwohl das eigentlich verboten ist. Eine weitere Frage zum Wahrheitsgehalt solcher Statistiken ist die Problematik der Opioidabhängigkeit. Es gibt damit grosse Probleme in den USA, und die Frage ist, ob das auch in der Schweiz der Fall sein könnte. Man liest zwar in den Medien, dass das in der Schweiz kein Problem sei, aber die Verschreibungsraten bei den Opioidpräparaten gehen eben doch nach oben.

Fordern Sie als Konsequenz, die Gabe von Opioiden in der Schmerztherapie wieder einzuschränken? Mutschler: Nein, ich will die liberale Verschreibungspraxis in der Schweiz nicht kritisieren. Wer Schmerzen hat, soll die notwendigen Medikamente unbedingt bekommen. Es sollte uns Ärzte aber alarmieren, dass die Verschreibungen zunehmen. Man sollte das auch kritisch hinterfragen, denn aus Studien ist bekannt, dass sich bei Schmerzpatienten, die abhängig werden, die Motive für die Einnahme des Medikaments mit der Zeit dann doch ändern. Schaut man genau hin, spielen beispielsweise nach vier, fünf Jahren Dauergebrauch die Schmerzen zwar auch noch eine Rolle, aber das Bedürfnis, Entzugssymptome und Ängste zu bekämpfen, wird zunehmend wichtiger. Darum muss man bekannten Regeln bei der Opioidverordnung beachten, die das Risiko einer Suchtentwicklung minimieren, wie zum Beispiel langwirksame Opioide und retardierte Präparate zu verwenden. Auch sollte man nicht unkritisch hohe Mengen verschreiben.
Was wäre eine hohe Menge? Mutschler: Ich bin kein Schmerztherapeut, sodass ich diese Frage für die Opioide nicht beantworten möchte. Ich denke, es wird hier vor allem problematisch, wenn man rasch wirksame Präparate und Kombinationen verschiedener Opioide verordnet.

ARS MEDICI 20 | 2018

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INTERVIEW

Zur Person
PD Dr. med. Jochen Mutschler ist seit 2016 Chefarzt und stellvertretender ärztlicher Direktor an der Privatklinik Meiringen. Er war zuvor an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich tätig. Seine klinischwissenschaftlichen Schwerpunkte sind die Psychopharmakologie affektiver Erkrankungen, die Schizophrenie und Abhängigkeitserkrankungen.

Risiko hat, entwickelt eine Abhängigkeit allenfalls schneller und frühzeitiger. Selbstverständlich spielen soziale Faktoren auch eine grosse Rolle. Nicht zu unterschätzen ist aber ein ganz offensichtlicher Umweltfaktor: Adoleszente können sich sehr leicht Alkohol verschaffen. Hierzulande haben so gut wie alle Jugendlichen im Alter von 16 Jahren Erfahrung mit Alkohol gemacht. Alkohol ist eine Volksdroge, mit der wir überall konfrontiert sind. Der Pro-Kopf-Verbrauch an reinem Alkohol beträgt in der Schweiz rund 8 Liter pro Jahr. Damit liegen wir zwar nicht an der Spitze, aber, wie ganz Europa, weltweit mit im Spitzenfeld. Alkohol ist billig und einfach zu haben. Damit steigt das Risiko, dass vulnerable Personen mit einer bestimmten Genetik- und Umweltkonstellation eine Alkoholabhängigkeit entwickeln. Verfügbarkeit und soziale Umstände sind wichtig für die Abhängigkeitsentwicklung.

Mit einer zu hohen Menge meine ich zum Beispiel Benzodiazepinpackungen mit 100 oder 200 Tabletten, wie sie Patienten ohne detaillierte Anweisung zum Gebrauch verordnet bekamen, die am Ende – nachdem sie innert kürzester Zeit eine Abhängigkeit entwickelten – bei uns zur Behandlung eingewiesen wurden.
Kommen wir zurück zum Alkohol. Gibt es Risikofaktoren, die es wahrscheinlicher machen, dass Adoleszente eine Alkoholabhängigkeit entwickeln? Mutschler: Das gängige Modell der Suchterkrankung besagt, dass etwa 50 bis 60 Prozent des Risikos genetisch bedingt sind, der Rest durch Umweltfaktoren. Die IMAGEN-Studie (Kasten 1) zeigte, dass beispielsweise Impulsivität, soziale Probleme oder Ängstlichkeit eine Rolle dabei spielen, aber auch neurophysiologische Eigenschaften der Kontroll- und Belohnungszentren im Gehirn. Wer ein höheres genetisches
Kasten 1
IMAGEN-Studie
In dieser Studie werden rund 2000 Personen seit ihrem 14. Lebensjahr verfolgt, um den Faktoren für die Entwicklung psychischer Gesundheit sowie den Risikofaktoren für psychische Erkrankungen im späteren Leben auf die Spur zu kommen. Die Probanden wurden bisher im Alter von 14, 16 und 19 Jahren untersucht, demnächst beginnt die nächste Untersuchung im Alter von 22 Jahren. Verwendet werden folgende Methoden:
L Bildgebung des Gehirns L Tests kognitiver Funktionen und Verhaltensweisen L Selbstauskunftsbögen zu Themen wie Beziehungen, Gefühlen und
Persönlichkeit L Fragebögen zu Alkohol- und Drogenkonsum L Blut- und Speichelproben für genetische und biologische Analysen
Beteiligt sind acht Zentren in vier europäischen Ländern: Vereinigtes Königreich, Deutschland, Frankreich und Irland. Weitere Informationen, Publikationen und Zusammenfassungen von Studienergebnissen: https://de.imagen-europe.com/

«Die Assoziation von Tabak- und Alkoholkonsum ist so typisch, dass man eine Alkoholabhängigkeit bei einem Nichtraucher schon fast ausschliessen könnte.»
Macht es der Alkohol wahrscheinlicher, dass auch andere Suchtmittel konsumiert werden, oder umgekehrt? Mutschler: Das ist eine komplexe Frage. Sehr häufig sind Alkohol und Rauchen miteinander kombiniert. Obwohl die Raucherquote in den letzten Jahren generell etwas gesunken ist, rauchen doch noch recht viele Jugendliche. Die Assoziation von Tabak- und Alkoholkonsum ist so typisch, dass man eine Alkoholabhängigkeit bei einem Nichtraucher schon fast ausschliessen könnte. Auch andere Substanzsüchte sind fast regelhaft mit dem Rauchen assoziiert. Auch bei Verhaltenssüchten, wie beispielsweise Onlinegames, findet sich häufig eine Verknüpfung mit dem Rauchen; gerade beim pathologischen Spielen ist der Anteil der Raucher sehr hoch. Wenn wir von Komorbiditäten bei Alkoholabhängigkeit sprechen, müssen wir auch erwähnen, dass bei psychiatrischen Patienten durchweg eine erhöhte Suchtrate besteht.
Um welche Süchte geht es bei diesen Patienten? Mutschler: Beispielsweise ist Alkoholkonsum recht häufig bei Patienten mit einer Angsterkrankung, sozialer Phobie oder einer Depression. Die Prävalenz des Rauchens ist bei psychiatrischen Patienten besonders hoch, vermutlich aufgrund einer genetischen Prädisposition, die gleichermassen das Risiko für eine psychiatrische Erkrankung als auch für die Neigung zum Rauchen erhöht. Den Suchtmittelgebrauch bei psychiatrischen Patienten kann man als Selbstmedikation sehen, sprich: Diese Patienten behandeln ihre Symptome mit der jeweiligen Droge oder Substanz. Umgekehrt gibt es aber auch psychiatrische Erkrankungen, die durch Suchtmittel getriggert werden können. Ein bekanntes Beispiel hierfür ist Cannabis und Schizophrenie: Je intensiver der Cannabiskonsum, desto höher auch das Risiko, eine Schizophrenie zu entwickeln.

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ARS MEDICI 20 | 2018

INTERVIEW

Gibt es wesentliche Unterschiede bezüglich der Substanzsucht zwischen Jugendlichen und Erwachsenen? Mutschler: Beim Alkohol neigen Jugendliche häufiger zum sogenannten Binge-Drinking-Verhalten, also nicht regelmässig, dann aber in sehr grossen Mengen Alkohol zu konsumieren. Adoleszente sind generell vulnerabler bezüglich der Schäden, die eine Substanzsucht bewirken kann. Drogen wirken bei ihnen neurotoxischer als bei Erwachsenen. Allerdings können wir nicht vorhersagen, ob und welche Folgen beispielsweise der Alkohol für den Adoleszenten im Einzelfall haben wird. Schliesslich kennt man rund 200 Folgeerkrankungen, die mit Alkohol assoziiert sind. Wir können für keine von ihnen vorhersagen, ob sie eintreten wird oder nicht. Genausowenig können wir mit Sicherheit vorhersagen, ob ein Jugendlicher, der Alkohol trinkt, davon abhängig werden wird oder nicht. Klar ist allerdings schon, dass bei einer positiven Familienanamnese für Alkoholabhängigkeit eine genetische Prädisposition wahrscheinlich ist.
«Adoleszente sind generell vulnerabler bezüglich der Schäden, die eine Substanzsucht bewirken kann.»
Unterscheidet sich die Therapie bei einer Alkoholabhängigkeit bei Jugendlichen und Erwachsenen? Mutschler: Im Prinzip sind es die gleichen Therapien, aber ein Jugendlicher kommt nicht zu uns, sondern primär in eine Kinder- und Jugendpsychiatrie. Wir nehmen Patienten erst ab 18 Jahren auf. Die Behandlung an sich ist aber schon recht ähnlich. Es gibt ambulante, teilstationäre und stationäre Behandlungsmöglichkeiten mit ähnlichen Therapieformen, also Entzugsbehandlungen und Verhaltens- oder Psychotherapie. Bei Alkoholabhängigkeit gibt es auch Medikamente zur Rückfallprophylaxe, die allerdings alle erst ab 18 Jahren zugelassen sind: Acamprosat (Campral®), Disulfiram (Antabus®) und die Opioidantagonisten Naltrexon (Naltrexin®) und Nalmefen (Selincro®). Die höchste Effektstärke hat das Disulfiram, aber dafür müssen die Patienten bereit sein, Abstinenz anzustreben. Bei den anderen Präparaten ist die Effektstärke moderat, aber alle vier bringen letztlich etwas. Leider werden sie viel zu selten eingesetzt.

Tauscht man damit nicht eine Abhängigkeit gegen eine andere aus? Mutschler: Nein, das ist ganz und gar nicht der Fall. Diese Medikamente machen nicht abhängig. Anders als beispielsweise das Baclofen, das off label versucht wurde, um Alkoholabhängigkeit zu behandeln; da kann man sich schon fragen, ob das nicht auch in Einzelfällen zu einer Abhängigkeit führte.
Wann sollte ein Arzt bei einem Jugendlichen an Alkoholabhängigkeit denken? Mutschler: Zum Beispiel wenn der Jugendliche ins Spital eingewiesen wurde wegen Intoxikationen, Verletzungen oder Schlägereien, da müssen die Alarmglocken läuten. Und man sollte natürlich verdächtige Anzeichen nicht ignorieren, aber das betrifft eher andere Personen im Umfeld des Jugendlichen. Wenn ein Jugendlicher zum Beispiel mit einer Alkoholfahne in die Schule kommt, muss man das ansprechen und thematisieren.
Wie sehen die Erfolgsaussichten bei Therapien gegen Alkoholabhängigkeit aus? Mutschler: Ich spreche jetzt eher von den Erwachsenen, denn manifester Alkoholismus ist im Jugendalter glücklicherweise doch recht selten. Das hat auch damit zu tun, dass eine Abhängigkeitsentwicklung in der Regel viele Jahre dauert – aber selbstverständlich ist die Adoleszenz eine kritische Lebensphase, in der diese Entwicklung starten kann. Darum ist die Früherkennung und eine frühe Intervention so wichtig. Bis sich drei der sechs definierten Abhängigkeitskriterien im Zusammenhang mit dem Alkohol manifestieren (Kasten 2), sind die meisten Betroffenen bereits im Erwachsenenalter. Bis ein Alkoholabhängiger letztlich dann zu uns zur Behandlung kommt, vergeht in der Regel viel Zeit. Unsere alkoholabhängigen Patienten sind typischerweise in einem Alter um die 40 Jahre, aber ich habe auch schon schwere Alkoholiker gesehen, die deutlich jünger waren.
«Wenn der Jugendliche ins Spital eingewiesen wurde wegen Intoxikationen, Verletzungen oder Schlägereien, müssen die Alarmglocken läuten.»

Kasten 2
Kriterien der Abhängigkeit
L Craving (Suchtverlangen, zwanghafter Konsum) L Toleranzentwicklung (immer höhere Dosis erforderlich) L Kontrollverlust L Entwicklung von Entzugssymptomen bei Absetzen L soziale Folgeprobleme L Konsum trotz bereits eingetretener psychischer und/oder körper-
licher Folgeschäden Wenn drei der sechs Kriterien erfüllt sind, spricht man von Abhängigkeit.

Die Erfolgsaussichten möchte ich positiv formulieren, muss aber trotzdem etwas Negatives vorausschicken: Suchterkrankungen sind per Definition chronisch rezividivierende Erkrankungen. Man kann das Suchtgedächtnis ja nicht löschen. Auch wenn jemand nach 20 Jahren Abstinenz wieder mit dem Trinken anfängt, kann er schnell wieder in alte Gewohnheiten zurückfallen. Darum ist das heutige Konzept in der Suchtmedizin nicht mehr die immerwährende Abstinenz, sondern das Ziel ist, die Patienten in Behandlung zu bringen und dort langfristig zu halten. Gerade bei der Alkoholabhängigkeit weiss man, dass

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ARS MEDICI 20 | 2018

INTERVIEW

sich viele Rückfällige eben gerade nicht in einer suchtspezifischen Behandlung befinden. Hält man mit ihnen aber langfristig therapeutischen Kontakt, so können sie, falls ein Rückfall passiert, schnell wieder zurückkommen und erneut behandelt werden. Es geht darum, dass die Patienten nach einem Rückfall nicht den Kopf in den Sand stecken und wieder lange Konsumphasen haben. Je länger wieder getrunken wird, umso schlimmer. Mein ehemaliger Chef hat das einmal so formuliert: Eine Suchterkrankung ist im Idealfall wie eine Grippe. Sie kommt vielleicht einmal im Jahr, dann ist man ein paar Tage krank, wird behandelt, und die restliche Zeit funktioniert man wieder.
«Bis sich drei der sechs definierten Abhängigkeitskriterien im Zusammenhang mit dem Alkohol manifestieren, sind die meisten Betroffenen bereits im Erwachsenenalter – aber die Adoleszenz ist eine kritische Lebensphase, in der diese Entwicklung starten kann.»
Wie ist das bei den kombinierten Süchten, wie zum Beispiel Alkohol und Rauchen, entzieht man am besten beides gleichzeitig? Mutschler: In der Regel beginnt man erst einmal mit einer Substanz. Beispielsweise ist ein Alkohol- oder Nikotinentzug schon für sich alleine genommen recht unangenehm, und bei-

des gleichzeitig wegzunehmen, macht es für die Patienten schwieriger. In der Regel sagt uns der Patient, womit er primär aufhören will. Es gibt auch sogenannte Teilentzüge, wobei man eine bestimmte Substanz wegnimmt, entgiftet, und die anderen vorerst belässt.
Da lassen Sie dem Patienten die Wahl? Mutschler: Ja, und zwar in jedem Alter, weil die Eigenmotivation das A und O bei einer Suchtbehandlung ist. Wir beobachten oft, dass ein Patient beim Alkohol erst einmal den kontrollierten Konsum anstrebt und nicht die Abstinenz. Bis ein wirklich Alkoholabhängiger für sich selbst die Notwendigkeit der Abstinenz einsieht, dauert es oftmals Jahre oder gar Jahrzehnte. Er braucht die eigene Erfahrung, um einzusehen, dass er nicht kontrolliert trinken kann.
Aber kontrollierter Alkoholkonsum ist doch weit verbreitet. Könnte das nicht jeder lernen? Mutschler: Bei einem Alkoholabhängigen würde ich das eher verneinen. Möglich ist es natürlich für Patienten mit einem riskanten oder schädlichen Konsum. Die Abhängigkeitsentwicklung ist ein Kontinuum, aber das Wesen der Abhängigkeit ist nun einmal, dass kontrollierter Konsum nicht mehr möglich ist. Allerdings glauben viele, dass das für Alkohol nicht zutrifft, weil es bei manchen Patienten tatsächlich Phasen gibt, in denen sie kontrolliert trinken können – aber dann entgleiten sie immer wieder. Das ist das Perfide bei der Alkoholabhängigkeit.
Herr Dr. Mutschler, wir danken Ihnen für das Gespräch. L
Das Interview führte Dr. Renate Bonifer.

© Rob Lewis

ARS MEDICI 20 | 2018

«Vieles ist wieder möglich nach einer Hirnverletzung. Wichtig ist der Support.»
Daniel Albrecht, Ex-Skirennfahrer

Hirnschlag, Schädel-Hirn-Trauma, Hirntumor: Hirnverletzungen können alle treffen.
Hilfe für Menschen mit Hirnverletzung und Angehörige. Helfen auch Sie! PC 80-10132-0

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