Transkript
FORTBILDUNG
Neue Leitlinie zur Therapie bei Gallensteinen
Wann und wie soll behandelt werden?
Gallensteine sind weitverbreitet. Sie können zu unangenehmen Schmerzattacken führen und Komplikationen verursachen. Eine aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) fasst die Prävention, die Diagnostik und die Therapie von Gallensteinen zusammen.
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Im Allgemeinen sollten Steine, die keine Beschwerden verursachen, nicht behandelt werden. Treten jedoch Gallenkoliken auf, ist die operative Entfernung der Gallenblase angezeigt (siehe unten). Die extrakorporale Stosswellenlithotripsie (ESWL) von Gallenblasensteinen wird von den Leitlinienautoren nicht empfohlen, da ein hohes Risiko für symptomatische Rezidivsteine besteht.
Medikamentöse Therapie
Im Zusammenhang mit dem Gallensteinleiden gibt es nur wenige Situationen, in denen entsprechend der aktuellen Guideline eine Pharmakotherapie indiziert ist:
Steinauflösung mit Ursodeoxycholsäure «Die medikamentöse Litholyse mit Ursodeoxycholsäure (UDCA) soll nur in Einzelfällen bei symptomatischen Patienten mit kleinen, mutmasslich aus Cholesterin bestehenden Steinen oder Gallenblasen-Sludge durchgeführt werden; zuvor soll über die Möglichkeit der kurativen Cholezystektomie aufgeklärt werden.» Voraussetzung für eine medikamentöse Litholyse ist eine funktionstüchtige Gallenblase mit durchgängigem Ductus
MERKSÄTZE
Asymptomatische Gallensteine erfordern keine Therapie. Die Auflösung der Steine mittels Stosswellenlithotripsie
oder Medikamenten geht mit einem hohen Rezidivrisiko einher.
Eine medikamentöse Prävention von Gallensteinen wird nicht generell empfohlen, kann jedoch bei hohem Risiko für die Bildung von Gallenblasen-Sludge oder -steinen durch zeitlich begrenzte Gabe von Ursodeoxycholsäure sinnvoll sein.
Eine akute Gallenblasenentzündung ist eine Indikation zur frühzeitigen laparoskopischen Cholezystektomie.
cysticus, was durch eine Ultraschalluntersuchung mit Reizmahlzeit überprüft werden kann. Als UDCA-Dosis werden mindestens 10 mg/kg/Tag empfohlen. Vor einer potenziellen medikamentösen Steinauflösung muss der Patient auf das hohe Rezidivsteinrisiko aufmerksam gemacht werden.
Medikamentöse Therapie der akuten Gallenkolik «Die medikamentöse Therapie der biliären Kolik sollte mit nicht steroidalen Antiphlogistika (z.B. Diclofenac, Indometacin) erfolgen. Zusätzlich können Spasmolytika (z.B. N-Butylscopolamin) oder Nitroglycerin und bei starken Schmerzen Opioide (z.B. Buprenorphin, Pethidin) eingesetzt werden.» Bei der Behandlung der akuten Gallenkolik muss zwischen der unmittelbar erforderlichen medikamentösen Schmerztherapie und der kausalen (operativen) Therapie unterschieden werden. Zur Hemmung der Motilität der Gallenwege ist zunächst Nahrungskarenz indiziert. Zur Schmerzlinderung bei biliärer Kolik werden Spasmolytika in Kombination mit Analgetika eingesetzt. Manchmal reichen schwächer wirksame Analgetika wie Metamizol oder Paracetamol. Bei Bedarf werden stärker analgetisch wirksame Opiatderivate wie Pethidin oder Buprenorphin, die den M. sphincter oddi relativ wenig kontrahieren, eingesetzt. Auch mit Nitroglycerin lassen sich Gallenkoliken erfolgreich behandeln.
Untersuchungen zeigen, dass nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) wie Diclofenac (z.B. 75 mg i.m.) oder Indometacin (z.B. 50 mg i.v. oder 2-mal 75 mg Supp.) bei der Gallenkolik eine gute analgetische Wirksamkeit haben.
Antibiotika bei akuter Cholezystitis «Bei akuter Cholezystitis mit Zeichen der Sepsis, Cholangitis, Abszess oder Perforation sollen unverzüglich Antibiotika verabreicht werden. Zur Antibiotikatherapie bei unkomplizierter Cholezystitis liegt keine Evidenz vor.» Die Therapie der akuten Cholezystitis erfolgt in der Regel chirurgisch mittels Cholezystektomie. Es gibt wenige Daten zur medikamentösen Therapie der akuten Cholezystitis.
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ARS MEDICI 18 | 2018
FORTBILDUNG
Was lässt sich präventiv gegen Gallensteine tun?
Die neue Leitlinie enthält auch Empfehlungen zur Prävention. Um der Entstehung von Gallensteinen vorzubeugen, raten die Experten Folgendes: L regelmässige körperliche Aktivität L Vermeidung von Übergewicht und Adipositas L Verzehr von energieärmeren Nahrungsmitteln wie Obst, Gemüse,
Salat und Vollkornprodukten; Vermeidung von raffiniertem Zucker und von zuckerhaltigen Getränken. Eine generelle medikamentöse Prävention von Gallensteinen wird zwar nicht empfohlen, doch weisen die Autoren darauf hin, dass bei einem hohen Risiko für die Bildung von Gallenblasen-Sludge oder -steinen (z.B. unter Diäten zur Gewichtsreduktion oder nach Adipositaschirurgie) das Steinrisiko durch eine zeitlich begrenzte Prophylaxe mit Ursodeoxycholsäure gesenkt werden kann.
Neuere Studien stellen bei der leichtgradigen akuten Cholezystitis (keine Organdysfunktion, milde lokale Entzündungszeichen, Fieber ≤ 39 °C, Leukozyten ≤ 18 G/l) den Nutzen von Antibiotika infrage, da sich Komplikationen und Krankenhausverweildauer in einer kleinen randomisierten Studie bei 84 Patienten nicht unterschieden. Die Paul-Ehrlich-Gesellschaft hat in ihren aktualisierten Empfehlungen zur kalkulierten Initialtherapie bei Erwachsenen mit sekundärer Entzündung der Gallengänge eine kurze, 3- bis 5-tägige Therapie zum Beispiel mit Ampicillin plus Sulbactam, Moxifloxacin und Kombinationstherapien von bestimmten Fluorchinolonen beziehungsweise Cephalosporinen mit Metronidazol empfohlen. Insgesamt basieren diese Empfehlungen im Wesentlichen auf Expertenmeinungen, grössere kontrollierte vergleichende Studien fehlen.
Operative Therapie
«Bei unkomplizierter Cholezystolithiasis mit charakteristischen biliären Schmerzen sollte eine Cholezystektomie erfolgen.» Die operative Entfernung der Gallenblase soll erneute biliäre Schmerzen verhindern oder zumindest reduzieren und Komplikationen der Cholezystolithiasis beseitigen oder verhin-
dern. Darüber hinaus dient die Cholezystektomie der Prävention des Gallenblasenkarzinoms bei Patienten mit hohem Risiko (z.B. Porzellangallenblase, Gallenblasensteine > 3 cm, Gallenblasenpolypen ≥ 1 cm). Eine routinemässige Antibiotikaprophylaxe ist laut Leitlinie bei der elektiven laparoskopischen Cholezystektomie bei Low-risk-Patienten nicht notwendig. Die asymptomatische Cholezystolithiasis ist in der Regel keine Indikation zur Cholezystektomie. «Die akute Cholezystitis ist eine Indikation zur frühzeitigen laparoskopischen Cholezystektomie. Diese sollte innerhalb von 24 Stunden nach stationärer Aufnahme erfolgen.» Die akute Gallenblasenentzündung ist die häufigste Komplikation des Gallensteinleidens. Bei 90 Prozent der Patienten mit akuter Cholezystitis ist die Ursache ein passagerer oder dauerhafter Verschluss des Ductus cysticus durch einen Gallenstein. In der Regel gilt hier die laparoskopische Cholezystektomie als Standard. Aktuelle Untersuchungen zeigen klare Vorteile für eine unverzügliche chirurgische Intervention. «Gallenblasen-Sludge ist in der Lage, gleiche Beschwerden wie Gallensteine selbst zu verursachen (akute Cholezystitis, biliäre Pankreatitis u.a.) und sollte bei Symptomatik mit einer laparoskopischen Cholezystektomie behandelt werden.» Gallenblasen-Sludge mit typischer Klinik (kolikartige Beschwerden im rechten Oberbauch) kann zu Komplikationen wie akuter Cholezystitis, Cholangitis oder akuter Pankreatitis führen. Daher ist die Cholezystektomie wie bei normaler Cholezysto-/Choledocholithiasis hier eine Therapieoption.
Endoskopisch-interventionelle Therapie
Die aktualisierte Guideline nimmt auch Stellung zur endo-
skopisch-interventionellen Therapie, die beispielsweise bei
Gallengangsteinen indiziert sein kann.
s
Andrea Wülker
Quelle: Gutt C et al.: Aktualisierte S3-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Allgemein- und Viszeralchirurgie (DGAV) zur Prävention, Diagnostik und Behandlung von Gallensteinen. AWMF-Register-Nr. 021/008
Interessenlage: In der referierten Originalpublikation sind keinerlei Interessenkonflikte deklariert.
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