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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Zwillingsstudie zu metabolisch gesunder Adipositas
Ungleiche Paare
Eine aktuell im Fachjournal «Diabetologica» publizierte finnische Studie an 16 Zwillingspaaren, von denen jeweils eines der Geschwister schlank und das andere fettleibig war, hat neue Erkenntnisse zu den Mechanismen erbracht, die dem Phänomen der metabolisch gesunden Adipositas zugrunde liegen könnten. Bei der Hälfte der untersuchten Zwillingspaare erwies sich der übergewichtige Geschwisterteil als metabolisch genauso gesund wie sein schlankes Gegenüber – mit niedrigen Leberfettwerten und geringen Zeichen einer chronischen Entzündung seines adipösen Gewebes. Die übrigen übergewichtigen Zwillinge jedoch wiesen die klassischen Kennzeichen einer krankhaften Fettleibigkeit auf, wie etwa ausgeprägte Insulinresistenz, Dyslipidämie, Fettleber und eine hochregulierte chronische Inflammation ihres subkutanen Fettgewebes. Wie der federführende Autor der Studie, Dr. med. Jussi Naukkarinen, Obesity Research Unit, University of Helsinki, erklärte, deuteten die Resultate darauf hin, dass metabolisch gesunde Fettleibigkeit durch ein adipöses Gewebe charakterisiert ist, das normal funktionierende Mitochondrien besitzt, entzündungsfrei bleibt und in der Lage ist, mit der überschüssigen Energie zahlreichere statt lediglich grössere Fettzel-
len zu produzieren. In einem solchen Milieu bliebe die Leber von Verfettung verschont und demzufolge die Entwicklung der üblicherweise mit Adipositas einhergehenden Stoffwechselstörung aus. Um die aus anderen Untersuchungen zur metabolisch gesunden Adipositas bekannten Störvariablen wie etwa genetische Faktoren, frühe Entwicklung, soziales Umfeld, Alter oder Geschlecht auszuschliessen, wählten die finnischen Forscher für die neue Studie eineiige Zwillinge aus, welche sich in ihrer Leibesfülle jeweils deutlich (im Durchschnitt um ca. 17 kg) voneinander unterschieden. Bei den 16 Geschwisterpaaren im Alter von 22 bis 35 Jahren nahmen die Wissenschafter die den metabolischen Gesundheitszustand beschreibenden Parameter wie subkutanes und intraabdominales Fettgewebe, Leberfett, orale Glukosetoleranz, Lipide, Adipokine sowie C-reaktives Protein (CRP) detailliert unter die Lupe. Dabei kristallisierten sich zwei verschiedene Subgruppen heraus: Die Hälfte der Übergewichtigen wies ähnliche Leberfettwerte wie ihr jeweils schlanker Geschwisterteil auf, während die restlichen Dicken im Schnitt mehr als 7-mal so viel Leberfett angereichert hatten wie ihre schlanken Brüder und Schwestern. Die ungesund
Adipösen wiesen zudem im Vergleich
mit ihren schlanken Geschwistern eine
ausgeprägtere Insulinproduktion als
Antwort auf einen oralen Glukosetole-
ranztest, höhere Werte an CRP und
LDL-Cholesterin, weniger HDL-Chol-
esterin sowie eine Tendenz zur Hyper-
tonie auf. Die gesunden Fettleibigen
und ihre Geschwister unterschieden
sich dagegen in ihren Glukose- und
Insulinsensitivitätsprofilen wie auch in
ihren CRP- und Blutfettwerten nicht
wesentlich voneinander. Nur diejeni-
gen Individuen, die zusätzlich zur Adi-
positas eine Dysfunktion ihres subku-
tanen Fettgewebes (geringe mitochon-
driale und hohe inflammatorische
Transkriptionsaktivität) entwickelten,
wiesen Leberverfettung und Anzeichen
eines metabolischen Syndroms auf.
Trotz gewisser Limitierungen ihrer Stu-
die, die sich aus der kleinen Stichprobe
(junge eineiige Zwillinge mit unter-
schiedlichem Gewicht sind äusserst sel-
ten) und fehlender Biopsien von Leber-
und viszeralem Fettgewebe ergeben,
halten die Autoren die Resultate ihrer
Untersuchung für durchaus übertrag-
bar auf andere Populationen. Unklar
sei allerdings, so Dr. Naukkarinen, ob
und wenn ja, auf welche Weise der
metabolisch gesunde Status aufrechter-
halten werde, wenn die Individuen
altern und somit länger dem adipösen
Zustand ausgesetzt sind.
Die Autoren hoffen, dass zukünftige
Studien der metabolisch gesunden Adi-
positas Ansatzpunkte für medikamen-
töse Therapien aufzeigen werden. Als
naheliegendste Interventionen kämen
dabei ihrer Ansicht nach die Verbes-
serung der Mitchondrienfunktion und
die Vermeidung von entzündlichen
Prozessen im subkutanen Fettgewebe
in Frage.
RABEO
1. Hand L: Twins study offers clues to metabolically healthy obese. Medscape Medical News, Oct 07, 2013.
2. Naukkarinen J et al.: Characterising metabolically healthy obesity in weight-discordant monozygotic twins. Diabetologica 2013; published online 8 Oct 2013, DOI: 10.1007/s00125-013-3066-y.
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ARS MEDICI 20 I 2013
Fachtagung der Schweizerischen Herzstiftung
«Salz und Gesundheit – weniger ist mehr!»
In der Schweizer Bevölkerung liegt der durchschnittliche Salzkonsum mit 9,1 g/Tag fast doppelt so hoch wie die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlene Menge von 5 g/Tag. Zahlreiche experimentelle, epidemiologische und klinische Daten belegen den Zusammenhang zwischen Salzkonsum und dem Risiko, eine arterielle Hypertonie oder kardiovaskuläre Erkrankungen zu entwickeln. Dennoch ist die Problematik auch nach jahrzehntelanger Diskussion immer noch Gegenstand von Kontroversen, insbesondere in der medizinischen Fachwelt. Dabei geht es um die ideale tägliche Salzmenge sowie darum, ob eine salzarme Ernährung auch unerwünschte Wirkungen haben kann und ob die gesamte Bevölkerung oder nur bestimmte Gruppen von Patienten mit einem erhöhten Krankheitsrisiko weniger Salz konsumieren sollten. Um
Fachtagung «Salz und Gesundheit – weniger ist mehr!»
31. Oktober 2013, 13.30 bis 17.15 Uhr Sorell Hotel Ador, Laupenstr. 15, Bern Tel.: 031-388 01 11 www.hotelador.ch/seminar@hotelador.ch
Anmeldung über die Website der Schweizerischen Herzstiftung: www.swissheart.ch/veranstaltungen Anmeldeschluss: 22. Oktober 2013 Die Teilnahme ist kostenlos.
Auskunft: Schweizerische Herzstiftung, Silvia Aepli Bereichsleiterin Aufklärung, Prävention Tel.: 031 388 80 95, aepli@swissheart.ch
solche Diskussionspunkte zu klären, wurde von der Schweizerischen Herzstiftung im Jahr 2012 die Fachgruppe «Salz und Gesundheit» mit Experten aus Medizin, Forschung, Ernährung und Public Health unter der Leitung von Prof. Dr. Michel Burnier, Chefarzt Abteilung Nephrologie am Universitätsspital Lausanne, konstituiert. Ihre Mitglieder haben sich vertieft mit den gesundheitlichen Auswirkungen des Salzkonsums befasst und das Positionspapier «Salz und Gesundheit» erarbeitet. Dessen Entwurf nimmt Stellung zu den aufgeworfenen Fragen und gibt die Haltung der Experten und Fachpersonen wieder. Diese vertreten einerseits die Interessen der Patienten, die auf eine kontrollierte Salzzufuhr angewiesen sind und andererseits fordern sie verhältnispräventive Massnahmen im Rahmen einer langfristig angelegten Salzstrategie, von denen gesunde Erwachsene und Kinder profitieren können. Am 31. Oktober 2013 findet in Bern die Fachtagung «Salz und Gesundheit – weniger ist mehr!» statt, die die gesundheitlichen Folgen des hohen Salzkonsums in der Schweiz darlegen und mögliche Gegenstrategien aufzeigen will. Es wird auf übergeordnete Aspekte des Salzkonsums eingegangen und unter der Moderation von Prof. Dr. Milo Puhan, Leiter des Instituts für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Zürich, das Positionspapier «Salz und Gesundheit» zur Diskussion gestellt. Ergänzt mit den Ergebnissen dieses Austausches soll es danach den involvierten Gesellschaften und weiteren Organisationen zur Stellungnahme unterbreitet werden. Schweizerische Herzstiftung/redO
Orthopädie
Korsett hilft gegen Skoliose
Bei Kindern und Adoleszenten mit Skoliose wird häufig ein Korsett verordnet, um die Verkrümmung der Wirbelsäule zu korrigieren. Die Methode ist zwar schon alt, doch randomisierte Studien gibt es kaum. Mediziner an der Universität Iowa wollten das ändern und planten eine solche, konnten aber nicht genügend Teilnehmer finden, die sich einem Losentscheid für oder gegen das Korsett unterwerfen wollten. Schliesslich gaben sie auf und randomisierten nur die ersten 116 nach dem Zufallsprinzip. Die anderen 126 Teilnehmer durften selbst entscheiden, ob sie das Korsett
wollten oder nicht. Die Studie wurde vorzeitig
abgebrochen, weil die Erfolge mit dem Kor-
sett überzeugend waren. Mit Korsett verzeich-
neten die Autoren bei 75 Prozent der Teilneh-
mer Erfolg, ohne Korsett nur bei 42 Prozent.
In der Studie musste das Korsett für mindes-
tens 18 Stunden pro Tag getragen werden.
Die Massnahme ist bei den jungen Patienten
und oft auch den Eltern zwar unbeliebt, aber
wirksam.
RBOO
Effects of bracing in adolescents with idioppathic scoliosis. N Engl J Med 2013; published online 19 Sept 2013, DOI: 10.1056/NEJMoa1307337.
RÜCKSPIEGEL
Vor 10 Jahren
Nobelpreis für MRI
Sie mussten etwas warten, aber endlich erhalten Sir Peter Mansfield und Paul C. Lauterbur den Nobelpreis für Medizin für ihre Arbeiten zu bildgebenden Verfahren mittels Magnetresonanztomografie. Durchgeführt hatten sie diese Forschungsarbeiten bereits 30 Jahre zuvor. Die
physikalische Grundlage der MRI war schon sehr viel länger bekannt und 1952 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet worden. Lauterbur und Mansfield ist es zu verdanken, dass die ursprünglich zur Feinstoffanalyse in der Chemie eingesetzte Technik zu einem der wichtigsten bildgebenden Verfahren in der Medizin weiterentwickelt wurde (Foto: NASA, Wikimedia).
Vor 50 Jahren
Milgram-Publikation
Der Psychologe Stanley Milgram (1933–1984) publiziert die erschütternden Ergebnisse seines ethisch fragwürdigen Experiments: Wie weit gehen ganz normale Menschen, wenn man ihnen befiehlt eine andere Person zu quälen? Die Antwort: Obwohl man sie selbst nicht bedroht, gehorchen erschreckend viele einem Versuchsleiter, und auf Befehl «töten» sie sogar. In der Versuchsanordnung musste der Proband einem «Schüler» Stromschläge verpassen, wenn dieser Fehler machte und der «Lehrer» Strafe forderte. Milgram erhielt für diese Arbeit 1964 eine Auszeichnung der American Association for the Advancement of Sciene, wurde aber von der American Psychological Association ausgeschlossen, weil sein Experiment traumatisierende Folgen für die Probanden hatte. Viele wurden nie damit fertig, dass sie nicht auf ihr Gewissen gehört und den vermeintlichen «Schüler» immer weiter gequält hatten, nur weil jemand ihnen das befahl. Das Milgram-Experiment wurde später in abgewandelter Form auch in andern Ländern durchgeführt – mit immer dem gleichen, erschreckenden Resultat, dass viele «ganz normale» Menschen auf Befehl grausam sein können.
Vor 100 Jahren
Ozonschicht
Charles Fabry (1867–1945) und Henri Buisson (1873– 1944) publizieren unter dem Titel «L’absorption de l’ultraviolet par l’ozone et la limite du spectre solaire» neue Erkenntnisse zur Erdathmosphäre. Das dafür erforderliche Messgerät hatte Fabry Jahre zuvor mit dem Physiker Alfred Pérot (1863–1925) entwickelt. Fabry und Buisson konnten zeigen, dass die UV-Absorption in der Erdatmosphäre der dort vorhandenen Ozonschicht zu verdanken ist (Foto: NASA). Aufsehen erregte das riesige Ozonloch, das sich seit den 1990er-Jahren über dem Südpol auftat und 2006 Rekordausmasse erreichte. Wie kürzlich zu lesen war, scheint sich die Ozonschicht wieder zu erholen. Man hofft, dass dieser positive Trend anhält, und führt ihn auf das weltweite Verbot von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKW) zurück.
RBO