Transkript
BERICHT
Kollagenaseinjektionen als neue Behandlungsalternative bei Dupuytren
Seit Kurzem ist eine neue Injek-
tionstherapie zur Behandlung von
Dupuytren-Kontrakturen mit tast-
barem Strang auch in der Schweiz
verfügbar. Sie wird von einigen Zen-
tren als Alternative zu den bisheri-
gen Optionen angeboten.
HALID BAS
Die Dupuytren-Kontraktur tritt in verschiedenen Ländern mit unterschiedlicher Häufigkeit auf, in der Schweiz rechnet man mit 1600 Neuerkrankungen pro Jahr, erklärte Dr. Maurizio Calcagni, Leitender Arzt an der Klinik für plastische Chirurgie und Handchirurgie am Universitätsspital Zürich, der Fachpresse an einem Informationstreffen der Firma Pfizer. Das Leiden verläuft chronisch progredient, mit einer für die Betroffenen oft schwerwiegenden Behinderung bei vielen Alltagsaktivitäten. Am häufigsten sind der Ring- und der kleine Finger betroffen, gewöhnlich sind beide Hände beteiligt. Männer leiden rund sechsmal häufiger an M. Dupuytren als Frauen. Ausserdem leiden Männer unter einem früheren Beginn und einem schwereren Verlauf. Pathogenetisch weiss man, dass aufgrund unbekannter Einflüsse gewisse Bindgewebezellen der Palmarfaszie sich zu Myofibroblasten differenzieren, die sich kontrahieren und die palpablen Stränge ausbilden, die für das Krankheitsbild typisch sind und die Finger in Beugehaltung fixieren. Therapeutisch gab es schon bisher unterschiedlich invasive Verfahren: ❖ perkutane Nadelfasziotomie (mini-
malinvasiv, nicht immer durchführbar) ❖ begrenzte Fasziektomie (Goldstandard, offener chirurgischer Eingriff, Entfernung des Kontrakturstrangs) ❖ Dermofasziektomie (invasivere Operation mit Entfernung des pathologischen Gewebes und der Haut darüber mit Vollhauttransplantat-
Deckung, reserviert für schwerere und aggressiver verlaufende Fälle) ❖ Bestrahlungen oder Steroidinjektionen (einzelne Berichte, keine Evidenzen).
Neu ist jetzt die Möglichkeit hinzugekommen, den bindegewebigen Strang durch multiple Injektionen entlang des Verlaufs mit einer sehr feinkalibrigen Spritze mit einem Gemisch von Kollagenasen innert 24 Stunden aufzulösen. Das Präparat Xiapex® enthält zwei biotechnologisch aus Clostridium histolyticum gewonnene Kollagenasen (AUX-I und AUX-II), die Kollagen gleichzeitig in den terminalen Bereichen wie auch mehrfach in der Molekülmitte aufspalten. Sehr sorgfältig ist dabei auf die benachbarten Strukturen zu achten, da die Kollagenasen auch Sehnengewebe, nicht aber Gefässe, Nerven oder Fettgewebe, angreifen können. Die lytische Wirkung ist selbstlimitierend, und nach 24 Stunden muss eine Streckung des Fingers unter Lokalanästhesie erfolgen, welche den chemisch angegriffenen Strang definitiv bricht und die Kontraktur aufhebt. Ist das Ergebnis primär nicht ausreichend, können die Injektions- und Fingerextensionsbehandlungen pro Strang in etwa vierwöchigen Intervallen bis zu dreimal wiederholt werden. Sind mehrere Stränge zu behandeln, muss dies gestaffelt erfolgen. Nachfolgend müssen für bis zu vier Monate nachts eine Extensionsschiene getragen sowie Beweglichkeitsübungen durchgeführt werden. In den Zulassungsstudien CORD I und II wurde mit einer Verringerung der Beugekontraktur auf 5° nach zirka 30 Tagen eine sehr hohe Messlatte angelegt, sagte Dr. Calcagni. 64 Prozent aller mit Kollagenase behandelten primären Gelenke erreichten diesen primären Endpunkt, verglichen mit 8,8 Prozent unter Plazebo (p < 0,001). Die Arbeitsunfähigkeit beträgt nach der Spritzenbehandlung nur wenige Tage, nach Chirurgie ist sie viel länger. «Auch die Kollagenaseinjektionen stellen aber einen Eingriff dar, der Neben-
wirkungen hat», stellte Dr. Calcagni klar. Häufig sind peripheres Ödem (77%), Kontusion (54%), Schmerzen am Injektionsort (40%) und in der Extremität (36%), Blutungen am Injektionsort (34%) sowie Berührungsschmerz (28%). Bei 11 Prozent zeigt sich auch eine regionale Lymphadenopathie, die sich problemlos zurückbildet, worüber die Patienten informiert sein müssen. «Insgesamt liegen die Nebenwirkungen aber unterhalb der üblicherweise bei chirurgischem Vorgehen zu beobachtenden Komplikationsraten und hinsichtlich Beweglichkeit waren unsere Patienten besser, als wir es normalerweise mit Chirurgie erreichen», resümierte der Handchirurg, der auch selbst an Kollagenasestudien beteiligt war. «Das Verfahren ist jedoch nicht ganz einfach, erfordert sehr viel Fingerspitzengefühl und sollte unbedingt nur nach eingehender Schulung eingesetzt werden», meinte er. Die Injektionsbehandlung stösst auch an ihre Grenzen, zum Beispiel im Bereich des proximalen Interphalangealgelenks, wo Beugesehne und Kontrakturstrang in unmittelbarer Nachbarschaft liegen. Versager kommen vor, wenn die Struktur des Dupuytren-Strangs ungeeignet oder nicht gut zugänglich ist. Nach den herkömmlichen Therapien liegen die Rezidivraten bei 8 bis 10 Prozent nach einem Jahr und bei bis zu 80 Prozent nach 20 Jahren. Noch fehlen mit der Kollagenasetherapie Langzeiterfahrungen. Rezidive scheinen häufiger zu sein als bei Operationen, dann kann die Therapie aber wiederholt oder ein operatives Verfahren kann gewählt werden. Patientennachfrage, Preisbildung und Verhalten von Handchirurgen und Kostenträgern werden den künftigen Platz der neu kassenzulässigen Therapie bestimmen, meinte Dr. Calcagni. «Wir werden viele Operationen vermeiden können, aber nicht alle.» ❖
Halid Bas
Quelle: Media Round Table von Pfizer, 14. März 2012 in Zürich
Interessenlage: Die Firma nahm auf den Inhalt des Berichts keinen Einfluss.
ARS MEDICI 7 ■ 2011 315