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BERICHTE ZUM SCHWERPUNKT
Prävention von sexuell übertragbaren Erkrankungen
Meningokokken-B-Impfung als neuer Ansatz für Gonokokken-Schutz
Die beste Vorbeugung einer Krankheit ist die Impfung. Angesichts der weltweit steigenden Erkrankungszahlen wird mit Hochdruck auch an einer Impfung gegen Gonorrhoe (GO) gearbeitet. Doch bisher schützen die direkten GO-Vakzinen nicht ausreichend. Allerdings gibt es einen Teilerfolg: Mit einem Meningokokken- Impfstoff lässt sich zumindest teilweise eine Kreuzimmunität gegen GO erzielen.
Die Gonorrhoe ist weltweit die häufigste sexuell übertragene Infektionskrankheit (STI) – mit steigender Tendenz. Deswegen und auch wegen steigender Resistenzraten wird seit Jahren zu einem Impfstoff gegen die Gonokokken geforscht – allerdings bisher ohne durchschlagenden Erfolg: Es gibt bisher keinen spezifischen Impfstoff, der eine effektive und dauerhafte protektive Immunität erzeugt, berichtete Prof. Dr. Norbert Brockmeyer aus Bochum (D) beim Kongress der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft.
Umso aufmerksamer wurden STI-Fachleute durch die Ergebnisse verschiedener Beobachtungsstudien, die auf eine Kreuzprotektion einer Meningokokken-B-Vakzine gegen Gonorrhoe hinweisen. Denn trotz unterschiedlicher klinischer Verläufe weisen N. gonorrhoeae und N. meningitidis eine hohe genetische Übereinstimmung und ähnliche Virulenzfaktoren auf. Aus der Homologie einzelner Oberflächenproteine der beiden Erreger – vor allem OMV und NHBA – ergibt sich grundsätzlich die Möglichkeit, per induzierter Kreuzimmunität mit einem spezifischen Impfstoff gegen Meningokokken vom Typ B (MenB) auch gegen Gonokokken zu schützen.
Wie Brockmeyer weiter berichtete, sind Forscher des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) dieser These mit einer epidemiologischen Studie nachgegangen: Sie wer teten Daten von Gesundheitsämtern der Städte New York und Philadelphia aus. In die Analyse flossen die Daten von 167 706 jungen Personen im frühen sexuell aktiven Alter (1623 Jahre) aus den Jahren 2016-2018 ein. Untersucht wurde das Verhältnis von Gonokokken- und Chlamydien-Infektionen und dem jeweiligen MenB-4C Impfstatus (tetravalenter Impfstoff gegen Meningokokken der Gruppe B) zum Infektionszeitpunkt. Drei Gruppen wurden verglichen: • Vollständig Geimpfte (mindestens zwei Impfungen mit
MenB-4C), • unvollständig Geimpfte (nur eine MenB-4C Impfung) und • Ungeimpfte.
Es zeigte sich, dass in den ersten sechs Monaten nach der letzten Impfung in der Gruppe der unvollständig Geimpften 26% weniger Gonokokken-Infektionen auftraten. In der Gruppe der vollständig Geimpften betrug die Reduktion sogar 40% gegenüber der ungeimpften Gruppe (1).
Eine zweite Untersuchung zu den New York- und Philadelphia-Daten zeigte, dass die Auswahl des MenB-Impfstoffs von zentraler Bedeutung für den Schutz vor Gonorrhoe ist. So wurde diese Schutzwirkung nur für den 4CMenB- (Bexsero®), aber nicht den MenB-fHbp-Impfstoff (Trumenba®, von der FDA und EMA zugelassen) gezeigt. Letzterer enthält lediglich das N.-meningitidis-Oberflächenantigen Fhbp, welches in N. gonorrhoeae nicht an der Zelloberfläche exprimiert wird. Die Komponenten in 4CMenB, welche für die vermutete Kreuzimmunität verantwortlich sind (OMV und NHBA), sind in diesem Impfstoff nicht enthalten (2).
Aufgrund dieser Ergebnisse hat eine französische STI-Forschergruppe eine randomisierte, klinische open-label Studie unter anderem mit dem 4CMenB-Impfstoff (DOXYVAC-Studie) aufgelegt. In dieser Studie erhielt die Hälfte von 544 Männern, die Sex mit Männern (MSM) und damit ein erhöhtes Infektionsrisiko hatten, eine 4CMenB-Impfung. Deren Daten wurden mit denen der ungeimpften Teilnehmergruppe verglichen. In den 14 Monaten der Nachbeobachtungszeit traten in der Impfgruppe 58,3 Erst-Episoden mit N. gonorrhoeae pro 100 Pers onenjahre auf, in der Gruppe der Ungeimpften betrug die Rate 77,1 (Hazard Ratio von 0,78; 95%-Konfidenzintervall 0,60-1,01). Trotz einer Tendenz konnte die statistische Signifikanz für den Unterschied zwischen Geimpften und Nicht-Geimpften damit nicht erreicht werden (3).
Nach Ansicht von Prof. Brockmeyer, der auch Präsident der Deutschen STI-Gesellschaft ist, lässt die derzeitige Studienlage keine sicheren Schlüsse zur Effektivität der 4CMenBVakkzine gegen Infektionen mit N. gonorrhoeae zu. Dennoch empfiehlt die DSTI allen Ärzten, denjenigen Personen mit entsprechendem Bedarf – also Menschen mit einem sehr aktiven Sexualleben, mit kondomlosen Sexualkontakten und wechselnden Partnern – eine Impfung mit dem tetravalenten 4CMenB-Impfstoff als zusätzliche Präventionsmassnahme anzubieten (4).
Angelika Ramm-Fischer
Quelle: Vorab-Pressekonferenz und Vorträge bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie (DDG) 2025, am 29. April 2025 in Berlin.
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Referenzen: 1. Abara WE et al.: Effectiveness of a serogroup B outer membrane
vesicle meningococcal vaccine against gonorrhoea: a retrospective observational study. Lancet Infect Dis. 2022;22(7):1021-1029. doi: 10.1016/S1473-3099(21)00812-4 2. Abara WE et al.: Healthy Vaccinee Bias and MenB-FHbp Vaccine Effectiveness Against Gonorrhea. Sexually Transmitted Diseases 2023,50(6):e8-e10. doi: 10.1097/OLQ.0000000000001793 3. Molina JM et al.: Doxycycline prophylaxis and meningococcal group B vaccine to prevent bacterial sexually transmitted infections in France (ANRS 174 DOXYVAC): a multicentre, open-label, randomised trial with a 2 x 2 factorial design. The Lancet Infectious Diseases 2024; 24(10): 1093 – 1104. doi: 10.1016/S1473-3099(24)00236-6 4. Brockmeyer NH et al.: Stellungnahme der DSTIG zum Einsatz eines Impfstoffs gegen Meningokokken der Serogruppe B (MenB) zur Vermeidung von Infektionen mit Neisseria gonorrhoeae. Version 1; 2024.
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