Transkript
EDITORIAL
setzen. Und je höher der soziale Status der versagenden Marke oder der enttäuschten Person, desto höher die Zufriedenheit mit der eigenen Wahl. Das funktioniert immerhin solange, wie man sich dieser Tatsache nicht bewusst ist. Unbewusst fliessen oft auch noch weitere Emotionen in die Beurteilung ein. Obgleich andere Parameter für die Lebenszufriedenheit wahrscheinlich eine weitaus grössere Rolle spielen, ist diese oft höher, sobald die Sonne scheint.
Plädoyer für das Spielerische
Manchmal möchte man in diesen Tagen am liebsten Augen und Ohren verschliessen vor den Nachrichten aus aller Welt. Ob im Osten oder Westen, die Lage ist vielerorts allzu ernst. Der Umgang damit unterscheidet sich je nach Typ: Der eine versucht, eine Nachrichtenpause einzulegen, der andere verfolgt die Entwicklungen umso akribischer, um ja informiert zu sein – und fühlt sich hierzulande umso besser aufgehoben.
Ist ein Unglück nicht ganz so existenziell, kann es sogar Anlass zur Freude sein: Wenn der «Erzfeind» einen Wettkampf verliert oder ausgerechnet der unangenehme Ehrgeizling, der einem den Alltag schwer macht, sich beruflich blamiert, ist (leise) Schadenfreude eine allzu menschliche Reaktion. Je höher die Fallhöhe, desto grösser die Schadenfreude. Wissenschaftler der Universität York haben dieses Phänomen am Beispiel von Kaufentscheidungen näher untersucht. Auf Schadenfreude – einer der deutschsprachigen Begriffe, die es in die englische Sprachwelt geschafft haben – wird in diesem Kontext häufig gesetzt. Fehler beim nicht gekauften Produkt werten das selbst erworbene auf. Gibt es etwa ein Problem bei Apple, fühlen sich diejenigen bestärkt, die sich für die Welt der Androids entschieden haben, haben Google & Co. ein Problem, war es umso richtiger, auf Apple zu
Aber Sie könnten auch einen ganz anderen Ansatz
wählen, um zufriedener zu werden: Forscher aus Zü-
rich und Halle haben gezeigt, dass auch Verspieltheit
einen Beitrag zu Zufriedenheit und Wohlbefinden leis-
ten kann. Menschen mit einer stärker ausgeprägten
Neigung dazu haben ein Auge für Details, können
neue Perspektiven einnehmen und selbst monotone
Aufgaben noch interessant gestalten. Sie würden sich
bislang nicht als verspielt bezeichnen? Kein Problem,
das kann man schon mit einfachen Übungen trainie-
ren. Nur eine Woche lang absolvierten die Probanden
eine von drei Übungen: Entweder mussten sie vor dem
Zubettgehen drei Alltagssituation festhalten, in de-
nen sie spielerisch agierten. Alternativ sollten sie sich
in einer für sie ungewohnten Situation spielerisch ver-
halten, etwa bei der Arbeit, oder, als dritte Option,
generell darüber nachdenken, was sie bei sich an spie-
lerischem Verhalten im Laufe des Tages beobachten
konnten. Mithilfe einer begleitenden Erhebung per
Fragebogen konnten die Forscher zeigen, dass Ver-
spieltheit sich mit geringem Aufwand anregen lässt
und einen positiven Effekt über drei Monate doku-
mentieren.
Wie halten Sie es bislang damit in Ihrem beruflichen
Alltag? Vielleicht gäbe es da ein wenig mehr Platz für
Verspieltheit – als kleines Gegengewicht zum Ernst
der Weltlage ...
s
Christine Mücke
ARS MEDICI 18 | 2020
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