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KONGRESSBERICHT
ASCO
Fortgeschrittenes malignes Melanom
Neue kombinierte BRAF/MEKInhibitoren erzielten bisher längstes medianes Überleben
In der Behandlung des BRAF-mutierten, metastasierten Melanoms gelten BRAF- oder kombinierte BRAF/MEK-Inhibitoren als Standard, aber auch die Immuntherapie mit Checkpoint-Inhibitoren ist eine Option. Beim ASCO-Kongress zeigte die COLUMBUS-Studie für die neue kombinierte BRAF/MEK-Inhibition mit Encorafenib und Binimetinib mit fast 34 Monaten das längste mediane Überleben, das bisher mit einer BRAF/MEK-Inhibition erreicht werden konnte. Eine weitere erfreuliche Nachricht vom ASCO-Kongress war, dass die BRAF/MEK-Inhibition auch nach einer Erstlinien-Immuntherapie noch sehr gut zu wirken scheint.
Encorafenib/Binimetinib ist neue Option beim BRAF-mutierten Melanom
Eine kombinierte BRAF/MEK-Inhibition gilt als Standardtherapie zur Behandlung des BRAF-mutierten, metastasierten Melanoms. Neben Dabrafenib/Trametinib (Tafinlar®/ Mekinist®) und Vemurafenib/Cobimetinib (Zelboraf®/Cotellig®) wird es nach der Zulassung von Encorafenib/Binimetinib, basierend auf der COLUMBUS-Studie, eine dritte Option geben. In der 3-armigen Phase-III-Studie wurde die Kombination aus dem BRAF-Inhibitor Encorafenib (450 mg/Tag) und dem MEK-Inhibitor Binimetinib (45 mg 2 täglich) randomisiert gegenüber einer Monotherapie mit Encorafenib (300 mg/Tag) beziehungsweise Vemurafenib (960 mg 2 täglich) bei insgesamt 577 Patienten verglichen. Wie bereits publiziert, war die Kombination beim primären Endpunkt progressionsfreies Überleben (PFS: progression-free survival) dem Vemurafenib signifikant (14,9 vs. 7,3 Monate; HR: 0,54; p < 0,001) und dem Encorafenib knapp nicht signifikant überlegen (median 14,9 vs. 9,6 Monate; HR: 0,75; p = 0,051) (1). Jetzt präsentierte Prof. Reinhard Dummer vom Universitätsspital Zürich die geplante Analyse zum Gesamtüberleben (OS: overall survival) nach
dem Auftreten von insgesamt 232 Todesfällen im Kombinations- und Vemurafenib-Arm zusammen (2). Nach der Nachbeobachtungszeit von median 36,8 Monaten waren im Vemurafenib-Arm 127 Todesfälle aufgetreten und damit deutlich mehr als im Kombinationsarm (105 Tode) oder im Encorafenib-Arm (106 Tode). Encorafenib/Binimetinib verbesserte das mediane OS signifikant auf 33,6 Monate gegenüber 16,9 Monaten für Vemurafenib und reduzierte so das Sterberisiko um 39 Prozent (HR: 0,61; p < 0,0001). Nach 1, 2 und 3 Jahren waren noch 76 Prozent (vs. 63%), 58 Prozent (vs. 43%) und 47 Prozent (vs. 32%) der Patienten am Leben. Auch Encorafenib erzielte mit einem medianen OS von 23,5 Monaten ein gutes Ergebnis. Die Kombination wurde, wie bereits in der Erstpublikation berichtet, generell gut vertragen. In der aktualisierten Analyse gab es keine neuen Sicherheitssignale.
Vemurafenib/Cobimetinib mit überzeugender Langzeitwirkung
Für Patienten mit BRAF-V600-mutiertem, fortgeschrittenem Melanom steht seit 2015 die kombinierte BRAF/MEK-Inhibition mit Vemurafenib und Cobime-
Tabelle:
Überblick zu den drei BRAF/MEK-Kombinationen und ihrer Wirksamkeit in den jeweiligen Zulassungsstudien (adaptiert nach [1–6])
Vemurafenib + Trametinib
Vemurafenib + Cobimetinib
Encorafenib + Binimetinib
Ansprechraten Medianes Medianes (%) progressions- Gesamtfreies Über- überleben leben (Monate) (Monate)
69 11,0 26,2
70 12,6 22,5
64–76
14,9 33,6
1-JahresÜberleben
(%)
74
75
76
2-JahresÜberleben
(%)
53
49
58
3-JahresÜberleben
(%)
44
39
47
4-JahresÜberleben
(%)
35
Mediane Dauer
Ansprechen (Monate)
12,9
13
16,2–18,6
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tinib zur Verfügung. In der Phase-III-Zulassungsstudie coBRIM zeigte die Kombination ein signifikant längeres PFS und OS im Vergleich zur Vemurafenib-Monotherapie (3). Insgesamt wurden 495 Patienten mit einem BRAF-V600-mutierten, nicht resektablen lokal fortgeschrittenen oder metastasierten Melanom eingeschlossen, die noch keine systemische Therapie im fortgeschrittenen Stadium erhalten hatten. 247 dieser Patienten erhielten Cobimetinib (60 mg 1 täglich für 21 Tage, dann 7 Tage Pause) plus Vemurafenib (960 mg 2 täglich), und 248 Patienten erhielten Vemurafenib/Plazebo. Das mediane PFS (primärer Endpunkt) wurde um median 5,1 Monate signifikant verlängert, von 7,2 auf 12,3 Monate (HR: 0,58; 95%-KI: 0,46–0,72) (1). Das Sterberisiko wurde um 30 Prozent reduziert (medianes OS: 22,3 vs. 17,4 Monate; HR: 0,70; p = 0,005). Brigitte Dreno aus Nantes, Frankreich, stellte jetzt die 4-Jahres-Überlebenszeit-Analyse der Studie vor (4), die weiterhin eine überzeugende Langzeitwirkung für die Kombination bestätigte. In den LandmarkAnalysen lebten im Vemurafenib/Cobimetinib-Arm nach einem Jahr noch 74,5 Prozent (vs. 63,8%), nach 2 Jahren noch 49,0 Prozent (vs. 39,0%), nach 3 Jahren noch 38,5 Prozent (vs. 31,1%) und nach 4 Jahren noch 34,7 Prozent (vs. 29,2%) der Patienten. Dieser gute Langzeiteffekt ist besonders beachtlich, da knapp die Hälfte der Patienten (46%) bei Einschluss einen erhöhten LDH-Wert aufwies. Der OS-Vorteil zeigte sich in den meisten untersuchten Subgruppen. Bei Patienten mit erhöhtem LDH war der Unterschied jedoch nicht signifikant (HR: 0,88). Grad-3/4-Nebenwirkungen waren im Kombinationsarm etwas häufiger (75 vs. 61%) und führten auch häufiger zum Therapieabbruch (19 vs. 10%). Die Rate für Grad 5-Toxizität betrug in beiden Armen je 2 Prozent.
Wie wirksam ist die BRAF/MEK-Inhibition nach Immuntherapie?
Die Immuntherapie und die zielgerichtete BRAF/ MEK-Inhibition erwiesen sich in der Erstlinie ähnlich gut wirksam. Damit stellt sich jetzt unter anderem die Frage, mit welcher der beiden Optionen am besten begonnen werden sollte. Bis anhin liegen aber nur wenige Daten bezüglich der optimalen Therapieabfolge bei Patienten mit BRAF-mutiertem Melanom vor. Einige Studien weisen zwar auf eine geringere Aktivität der Immuntherapie nach BRAF/MEK-Inhibition hin, zur umgekehrten Therapiefolge gibt es bis heute keine Daten. Hierzu wurde beim ASCO-Kongress ein Poster einer retrospektiven Studie aus Australien vorgestellt (7). Insgesamt wurden die Daten von 79 konsekutiven Patienten aus 6 Zentren ausgewertet, die nach einer oder mehreren Immuntherapie-Vorbehandlungen eine zielgerichtete BRAF/MEKInhibition erhalten hatten. In der Erstlinie kam eine Monotherapie mit Ipilimumab oder einem PD-1-Inhibitor oder deren Kombination zum Einsatz. Darunter zeigten 11 Prozent der Patienten ein partielles Ansprechen und 17 Prozent eine Stabilisierung, 72 Prozent erlitten einen Progress. Die anschliessende BRAF/MEK-Inhibition erfolgte am häufigsten mit Dabrafenib/Trametinib, vor Vemurafenib-Mono, Dabrafenib-Mono, Vemurafenib/Cobimetinib und Trametinib-Mono. Hierunter lag das Ansprechen nach vorangegangener PD-1-Inhibition (n = 35) bei 66 Prozent (1 komplette und 22 partielle Remissionen) und nach Ipilimumab (n = 44) bei 55 Prozent (3 komplette und 21 partielle Remissionen). In der Zweitlinie zeigte sich somit für die BRAF/MEK-Inhibition ein etwas schlechteres Ansprechen als beim Einsatz in der Erstlinie, in der die Ansprechraten bei
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Abbildung: Eingesetzte BRAF/MEK-Inhibition, Ansprechen auf die Erstlinien-Immuntherapie und auf die Zweitlinien-BRAF/MEK-Inhibition nach PD-1-Inhibitoren und nach Ipilimumab (adaptiert nach [7]).
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etwa 70 Prozent liegen. Allerdings wurden hier auch einige Patienten mit BRAF-Monotherapie behandelt. Das mediane PFS ab BRAF/MEK-Beginn betrug nur 4,4 Monate (vgl. mit etwa 12 Monaten für die Erstlinie in den Zulassungsstudien) bei einem 12-Monats-PFS von 17 Prozent, was auf eine weniger tiefe Remission hindeutet. Das mediane OS betrug 18 Monate. Nach 1 Jahr lebten noch 67 Prozent, nach 2 Jahren noch 45 Prozent und nach 3 Jahren noch 39 Prozent der Patienten. Zusammenfassend weisen diese ersten Daten zur Wirksamkeit der BRAF/MEK-Inhibition nach Immuntherapieversagen auf eine ähnlich gute Wirksamkeit in der Zweitlinie hin. Bei selektionierten Patienten mit BRAF-V600-mutiertem Melanom kann daher eine Erstlinien-Immuntherapie eine Option sein.
Negativstudie mit positiver Botschaft: Eine komplettierende Lymphadenektomie bringt nichts
Ulrike Leiter aus Tübingen, Deutschland, präsentierte die finale 10-Jahres-Überlebenszeit-Analyse der deutschen DeCOG-SLT-Studie (8), die der Kontroverse über den Nutzen der komplettierenden Lymphknotendissektion (CLND) bei positivem Sentinellymphknoten-(SNL-)Befund nach Wächterlymphknotenbiopsie ein endgültiges Ende setzt: Bei einem positiven SNL-Befund ist eine CLND nicht mehr indiziert. Diese führt lediglich zu einer deutlichen Erhöhung der Morbidität mit Lymphödem, verbessert aber das Outcome nicht. Diese klinisch wichtigen Ergebnisse werden auch im nächsten Leitlinienupdate Eingang finden. In die Phase-III-Studie DeCOG-SLT wurden 473 Patienten mit positiver SNL-Biopsie eingeschlossen. Bei 240 dieser Patienten erfolgte eine CLND, und 233 wurden lediglich beobachtet. Die Arme waren bezüglich Patienteneigenschaften völlig ausgeglichen, mit einer medianen Primärtumordicke von 2,4 mm in beiden Armen und einer ähnlichen Verteilung der Tumordickeklassen. Bezüglich der Anzahl positiver SNL hatten etwa 70 Prozent der Patienten nur einen befallenen SNL, etwa 25 Prozent hatten 2 bis 3 und etwa 3 Prozent mehr als 3 positive SNL. Bei über 60 Prozent dieser Patienten war die Tumorlast in den SNL gering (Mikrometastasen bis 1 mm). Es handelte sich demnach um ein prognostisch eher günstiges Patientenkollektiv. Im Ergebnis verbesserte sich durch den Eingriff weder der primäre Endpunkt fernmetastasenfreies Überleben, DMFS (medianes DMFS: 55,5 vs. 55,8%; HR: 1,08; p = 0,65), noch das Gesamtüberleben (62,8 vs. 61,9%; HR: 0,99; p = 0,94) oder das rezidivfreie Überleben (48,6 vs. 48,7%; HR: 1,01;p = 0,94). Das Gleiche galt für die Subgruppen nach Tumorlast im SNL (>/< 1 mm). In der Gruppe mit SNL < 1 mm lag das 10-Jahres-DMFS bei 41,1 Prozent (CLND) vs. 47,7 Prozent (Beobachtung) (HR: 0,98;
p = 0,95) und in der Gruppe mit SNL > 1 mm bei
60,9 Prozent vs. 59,2 Prozent (HR: 1,12; p = 0,58).
Prognostisch von Bedeutung waren nur die Grösse
der Mikrometastasen (>/< 1 mm) und die Grösse des Primärtumors (>/< 2 mm). Zusammenfassend zeigen die Langzeitdaten der DeCOG-SLT-Studie, dass es für das Überleben kei- nen Unterschied macht, ob die Lymphknoten kom- plett ausgeräumt werden oder nicht. Dies ist insofern wichtig, als die CLND mit einer oft lebenslangen Mor- bidität (Lymphödem in der operierten Extremität) in bis zu 25 Prozent der Fälle assoziiert ist. Eine CLND ist beim malignen Melanom nach positivem SNL-Befund somit nicht sinnvoll. Anzumerken ist noch, dass in dieser Studie vorwiegend Patienten mit 1 positiven SNL und gegebenenfalls einigen Mikrometastasen in wenigen weiteren Lymphknoten untersucht wurden, aber nicht Patienten mit Makrometastasen. L Gerhard Emrich Referenzen: 1. Dummer R et al.: Encorafenib plus binimetinib versus vemurafenib or encorafenib in patients with BRAF-mutant melanoma (COLUMBUS): a multicentre, open-label, randomised phase 3 trial. Lancet Oncol 2018; 19(5): 603–615. 2. Dummer R et al.: Overall survival in COLUMBUS: A phase 3 trial of encorafenib (ENCO) plus binimetinib (BINI) vs vemurafenib (VEM) or enco in BRAF-mutant melanoma. ASCO 2018, Abstract 9504. 3. McArthur GA et al.: Impact of baseline genetic heterogeneities on progression-freesurvival (PFS) in patients (pts) with advanced BRAFV600-mutated melanoma treated with cobimetinib (COBI) + vemurafenib (VEM) in the phase 3 coBRIM study. Eur J Cancer 2015; 51: 720–723. 4. Dreno B et al.: Efficacy and safety of cobimetinib (C) combined with vemurafenib (V) in patients (pts) with BRAFV600 mutation–positive metastatic melanoma: analysis from the 4-year extended follow-up of the phase 3 coBRIM study. ASCO 2018, Abstract 9522. 5. Ascierto PA et al.: Cobimetinib combined with vemurafenib in advanced BRAF(V600)-mutant melanoma (coBRIM): updated efficacy results from a randomised, double-blind, phase 3 trial. Lancet Oncol 2016; 17(9): 1248–1260. 6. Schadendorf D et al.: Three-year pooled analysis of factors associated with clinical outcomes across dabrafenib and trametinib combination therapy phase 3 randomised trials. Eur J Cancer 2017; 82: 45–55. 7. Xia CY et al.: Activity of targeted therapy after failure of first-line immunotherapy in BRAF-mutant metastatic melanoma. ASCO 2018, Abstract 9523. 8. Leiter UM et al.: Final analysis of DECOG-SLT trial: Survival outcomes of complete lymph node dissection in melanoma patients with positive sentinel node. ASCO 2018, Abstract 9501. Quelle: Präsentationen beim Jahrestreffen der American Society of Clinical Oncology (ASCO), 1. bis 5. Juni 2018 in Chicago (Illinois/USA). 30 SZD 4/2018