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Medikamente nur selten und vorsichtig anwenden
In der Schwangerschaft gelangen fast alle chemischen Stoffe, denen die Mutter ausgesetzt ist, auch in den Organismus des Kindes. Medikamente sollten in dieser Zeit nur nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden.
von Petra Stölting*
In der Schwangerschaft ist die Vorfreude auf das Baby meist riesig. Aufgrund der körperlichen Veränderungen kommt es jedoch bei vielen Frauen zu typischen Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen. Ausserdem können natürlich auch in der Schwangerschaft Alltagserkrankungen wie eine Erkältung auftreten. Mit dem Griff in die Hausapotheke sollte man sich aber während der gesamten Schwangerschaft zurückhalten. Denn nicht nur Genussgifte wie Alkohol oder Nikotin, auch Medikamente gelangen über die Plazenta in den Körper des Kindes. «Vor allem in den ersten 12 Wochen, wenn sich die Organe entwickeln, sollten Frauen extrem vorsichtig mit allen Arzneimitteln umgehen. In dieser Zeit kann es besonders leicht zu Missbildungen des Kindes kommen», erklärt Markus Hodel, leitender Arzt des Geburtszentrums in der neuen Frauenklinik des Kantonsspitals Luzern. Ab dem 4. Monat ist die Gefahr für Fehlbildungen zwar geringer, doch jetzt können Medikamente zu vorzeitigen Wehen führen, das Wachstum des Kindes hemmen, die Durchblutung der Plazenta stören oder den Stoffwechsel des Ungeborenen ungünstig beeinflussen. «Diabetes, Rheuma und andere chronische Erkrankungen müssen in der Schwangerschaft mit unbedenklichen Wirkstoffen weiterbehandelt werden. Welche Arzneimittel infrage kommen, bespricht die Schwangere am besten mit ihrem Arzt», sagt Markus Hodel. «Ansonsten sollte in dieser besonderen Lebensphase aber möglichst ganz auf Medikamente verzichtet werden.»
Rezeptfreie und pflanzliche Mittel nicht immer unbedenklich Auch wenn ein Mittel rezeptfrei erhältlich ist, lässt sich daraus nicht automatisch schliessen, dass es in der Schwan-
gerschaft bedenkenlos eingenommen werden kann. Dies hat vor allem das Beispiel Contergan gezeigt. Das Beruhigungsmittel hat in Deutschland zwischen 1957 und 1961 bei Tausenden von ungeborenen Kindern schwere Missbildungen verursacht. Grundsätzlich können alle Medikamente Wirkstoffe enthalten, die dem ungeborenen Kind schaden. Das gilt auch für pflanzliche Präparate wie etwa Ginkgoextrakt oder Arzneikräutertees gegen Alltagsbeschwerden.
Unvorhersehbare
Wechselwirkungen Sind doch einmal Medikamente erforderlich, sollten sie erst nach Rücksprache mit dem Arzt eingenommen werden. Um das richtige Mittel zu finden, muss der Arzt auch über alle bereits eingenommenen Präparate informiert werden. «Kombinationen aus verschiedenen Wirkstoffen können unvorhersehbare, gefährliche Wirkungen haben, auch wenn sie als Einzelsubstanzen harmlos sind», weiss Markus Hodel. Die Rücksprache mit dem Arzt ist zudem für die richtige Dosierung unerlässlich, denn auf die Angaben in der Packungsbeilage kann man sich nicht unbedingt verlassen. Viele Arzneimittelhersteller schränken die Anwendung ihrer Präparate während der Schwangerschaft und Stillzeit aus Furcht vor Regressansprüchen weitreichend ein. Doch Ärzte mit langjähriger Erfahrung in der Behandlung von Schwangeren wissen meist gut Bescheid. Im Zweifelsfall können sie sich zusätzlich in speziellen Beratungszentren wie dem Swiss Teratogen Information Service (STIS) informieren. So lässt sich in jedem Einzelfall das passende Medikament in der richtigen Dosierung finden.
*Petra Stölting ist freie Wissenschaftsjournalistin und lebt in Garbsen bei Hannover, Deutschland.
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ILLUSTRATION: WA-DESIGN
SCHWANGERSCHAFT
Medikamente in der Schwangerschaft
Eine Auswahl gängiger rezeptfreier Medikamente, die in der Schwangerschaft erlaubt sind, sowie solche, die zu meiden sind. Doch sollte jede Medikamenteneinnahme vorher mit dem Arzt abgesprochen werden.
Beschwerden
Übelkeit und Erbrechen
Erlaubte Wirkstoffe (Medikamente)
Meclozin (Itinerol® B6) Metoclopramid (Paspertin®)
Verbotene Wirkstoffe (Medikamente)
Domperidon (Gastrosan®)
Sodbrennen Verstopfung Durchfall
Säurebinder mit Aluminium und Magnesium (Rennie®, Riopan®)
Starke Säureblocker wie Cimetidin (Cimetidin-Mepha®) dürfen nur in Absprache mit dem Arzt genommen werden.
Bisacodyl (Dulcolax®) Miniklistier (Mikrolax®) Flohsamenschale (Metamucil®)
Präparate oder Tees auf der Basis von Sennesfrüchten (Bekunis® Abführtee) oder Faulbaum (Arkocaps® Faulbaum)
Fertig zubereitete Elektrolytlösungen Loperamid (Imodium®)
Schnupfen
Meerwasserspray (Fluimare®) Oxymetazolin (Nasivin®), nicht länger als 5 Tage
Lysin-Acetylsalicylat (Alcacyl®) Phenylephrin (Neocitran®)
Hausmittel/ Alternativen
Kleine Mahlzeiten essen, Brot oder rohes Gemüse knabbern. Stark gewürzte oder sehr fettige Speisen meiden. Kaugummi kauen, kalten Tee (Fenchel, Lindenblüten) oder Cola trinken. Akupunktur oder Akupressur
Haferflocken oder ein Glas Milch können die Magensäure neutralisieren.
Ballaststoffreiche Ernährung, ausreichend trinken, ausreichend bewegen
Viel trinken, um den Flüssigkeitsverlust auszugleichen, einen Esslöffel getrocknete Heidelbeeren essen (sehr gut kauen)
Kochsalzlösung als Nasentropfen Inhalieren von heissem Wasserdampf, auch mit Zusatz von Kamille
Fieber Husten
Halsschmerzen Schmerzen Wadenkrämpfe
Paracetamol (Panadol®)
Hustentropfen (Doron Weleda, Resyl® Tropfen [ohne Codein]) Sidroga® Brust- und Hustentee Heumann-Bronchialtee Solubifix® Bronchialsalben mit Menthol oder Eukalyptus
Lutschtabletten mit Pfefferminz oder Eukalyptus
Paracetamol (Panadol®) Scopolamin (Buscopan®)
Magnesium-Brausetabletten
Ibuprofen (Saridon®) Codeinhaltige Präparate Dextromethaphon (Vicks®-Hustensirup)
Salbeitee, Huflattichtee
Ibuprofen (Saridon®) Acetylsalicylsäure (Aspirin®)
Vaginale Pilzinfektionen
Schlafstörungen
Wunddesinfektion
Clotrimazol als Salbe oder Zäpfchen
Präparate mit Baldrian und Hopfen
Dexpanthenol (Bepanthen®) Chlorhexidindigluconat und Benzoxoniumchlorid (Merfen®)
Antipilzmittel in Form von Tabletten
Alle anderen Schlaf- und Beruhigungsmittel
Jodpräparate: Sie können beim Ungeborenen zu Schilddrüsenstörungen führen.
Viel trinken, Wadenwickel Zwiebelsirup aus gewürfelten Zwiebeln und Kandiszucker
Gurgeln mit Salzwasser oder Kamillentee
Bei Kopfschmerzen Nacken und Schläfen mit Lavendelöl einreiben Magnesiumhaltiges Mineralwasser trinken, Bein belasten, Zehen hochziehen
Einschlafrituale, heisse Milch mit Honig
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