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Pille, Spirale oder Hormonimplantat?
Die Auswahl an Verhütungsmethoden für Frauen ist mittlerweile gross. Bewährte Methoden wurden weiterentwickelt und sind heute besser verträglich. Neu ist eine Pille mit «natürlichem» Östrogen.
von Helen Weiss*
W enn eine Frau nicht empfangen will, mache sie es sich zur Gewohnheit, nach dem Beischlaf den Samen herausfallen zu lassen», riet der griechische Arzt Hippokrates um 460 v. Chr. Schon etwas konkreter ist der Verhütungstipp des römischen Arztes Soranus von Ephesus 500 Jahre später: «Nach dem Geschlechtsverkehr soll die Frau sofort in die Hocke gehen und mehrmals kräftig niesen, um den Samen zu ‹lösen›.»
Kondome sind am beliebtesten Inzwischen sind die Methoden der Empfängnisverhütung um einiges vielfältiger und sicherer und werden auch rege genutzt: Die Schweizerische Gesundheits-
befragung 2007 zeigte, dass 50,7 Prozent der Frauen zwischen 15 und 74 Jahren verhüten. Männer tun es mit 52,1 Prozent sogar etwas häufiger. Am beliebtesten ist das Präservativ mit 24,4 Prozent bei den Männern und mit 16,7 Prozent bei den Frauen. Dieses altbewährte Verhütungsmittel erlebte in den letzten Jahren einen wahren Aufschwung. Es ist nach wie vor die einzige reversible Verhütungsmethode für den Mann. Doch ebenso bedeutend wie die Verhütung ist die Tatsache, dass Kondome vor sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV und Syphilis schützen.
Pille: die sicherste Methode Für viele Frauen sind jedoch Hormone
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VERHÜTUNG
Kondom Vorteile: einziges reversibles Verhütungsmittel für den Mann, Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten. Nachteile: Kann bei falscher Handhabung leicht reissen, Cremes oder Öle machen es porös und somit durchlässig. *Pearl-Index: 1 bis 15 (Sicherheit nimmt mit Anwendungsroutine deutlich zu).
Hormonimplantat Vorteile: Wirkt drei Jahre so sicher wie Sterilisation, Menstruation wird schwächer oder bleibt ganz aus. Nachteile: Kann Akne, Kopfschmerzen und Brustspannen auslösen, unregelmässige Blutungen zu Beginn der Anwendung. *Pearl-Index: gegen 0
Pille Vorteile: sicherstes Verhütungsmittel; einfache Anwendung. Nachteile: kein Schutz vor Geschlechtskrankheiten, Thrombosegefahr bei Risikogruppen. *Pearl-Index: 0,1 bis 0,7
das Mittel der Wahl, um zu verhüten. Hormonelle Verhütungsmethoden bieten die höchste Sicherheit vor einer ungewollten Schwangerschaft. 13,6 Prozent der Frauen in der Schweiz nehmen die Pille, die vor bald 50 Jahren als sexuelle Befreiung für die Frau gefeiert wurde. Mit «der Pille» sind Kombinationspräparate gemeint, welche die Hormone Östrogen und Gestagen enthalten. Die Pille wird auch als oraler Ovulationshemmer bezeichnet, weil ihre Wirkstoffe den Eisprung (die Ovulation) unterdrücken. Neu sind Kombinationspräparate nicht nur als Pille erhältlich, sondern auch als Pflaster, das eine Woche wirkt, oder als Vaginalring, der einmal im Monat ersetzt wird.
Risiken, aber auch
positive Effekte «Man weiss heute, dass die Pille das Risiko für eine venöse Thrombose geringfügig erhöht», sagt Johannes Bitzer, Leiter der Abteilung gynäkologische Sozialmedizin und Psychosomatik an der Frauenklinik des Universitätsspitals Basel. «Insgesamt sind es aber weniger Fälle, als bei Schwangerschaften auftreten.» Ob die Pille auch das Brustkrebsrisiko erhöht, ist nicht definitiv geklärt.
«Wenn ja, handelt es sich auch hier um sehr wenige Fälle auf Tausende von Anwenderinnen», so Bitzer. Was jedoch oft vergessen werde, seien die Vorteile der Pille. Denn neben der sicheren Verhütung haben Hormone weitere positive Effekte: So sorgen sie für eine reine Haut, lindern prämenstruelle Symptome und mindern den Menstruationsschmerz. «Wie Studien aufzeigen, senkt die Pille bei Frauen, die mindestens zehn Jahre lang Hormone einnehmen, zudem das Risiko von Eierstock- und Gebärmutterkörperkrebs signifikant», erklärt Franziska Maurer, Chefärztin Gynäkologie am Bürgerspital Solothurn und Präsidentin der Schweizerischen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe.
Neue Pille mit
«natürlichem» Östrogen Frauen über 35 Jahren wurde früher von Kombinationspräparaten mit Östrogen aufgrund der erhöhten Thrombosegefahr grundsätzlich abgeraten. Heute weiss man aber, dass das Alter nicht massgebend ist. «Eine neue Studie aus England zeigt, dass Rauchen in Kombination mit der Pille immer ein Risiko darstellt, unabhängig vom Alter der Frau», sagt Maurer. Das bedeutet: Auch
Frauen über 40 können, falls sie weder Übergewicht noch hohen Blutdruck haben und nicht rauchen, problemlos mit der Pille verhüten. Zudem wurde ein neues Kombinationspräparat entwickelt, das auch für Frauen aus einer der genannten Risikogruppen geeignet sein soll. Es enthält im Gegensatz zu den bisherigen Präparaten nicht synthetisches, sondern natürliches Östrogen. «Das natürliche Östrogen wird zwar ebenfalls synthetisch hergestellt, die chemische Formel ist jedoch so aufgebaut, dass der Körper es als eigenes Östrogen erkennt und besser verträgt», erklärt Maurer.
Hormonimplantat Jede Frau reagiert anders auf die Einnahme von Hormonen. Ein Verhütungsmittel, das für die eine Frau optimal ist, kann bei einer anderen Nebenwirkungen hervorrufen. Glücklicherweise kann frau heute aus einer Vielzahl von Präparaten und Methoden auswählen. Neben den Kombinationspräparaten gibt es hormonelle Präparate, die nur Gestagen enthalten. Diese sind auch für Frauen geeignet, die kein Östrogen mehr nehmen dürfen, weil sie bestimmte Risikofaktoren wie Übergewicht oder Rauchen haben.
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VERHÜTUNG
Hormonspirale Vorteile: Wirkt fünf Jahre so sicher wie eine Sterilisation, Hormone wirken
nur in der Gebärmutter, Menstruation wird schwächer oder bleibt ganz aus. Nachteile: Kann Akne, Kopfschmerzen und Brustspannen auslösen, unregelmässige Blutungen zu Beginn der Anwendung. *Pearl-Index: 0,1
Temperaturcomputer Vorteile: Erleichtert die Methode der Temperaturmessung (natürliche Familienplanung), lässt sich gut zusammen mit dem Partner durchführen. Nachteil: Lässt sich nicht spontan bei seltenem Geschlechtsverkehr anwenden. *Pearl-Index: 1 bis 10
Ein Beispiel ist Implanon, ein streichholzgrosses Kunststoffstäbchen, das unter die Haut eingepflanzt wird und während dreier Jahre vor Schwangerschaft schützt. Durch das fehlende Östrogen bieten reine Gestagenprodukte jedoch eine schlechte Zykluskontrolle. Viele Frauen, die mit Gestagenpräparaten verhüten, leiden unter Zwischenblutungen.
Spirale: besser als ihr Ruf Für Frauen, die auf Hormone verzichten möchten, bietet sich die Spirale an. Seit den Sechzigerjahren ist sie ein verbreitetes Verhütungsmittel, das nach dem Einsetzen während drei bis fünf Jahren vor einer unerwünschten Schwangerschaft schützt. Die Spirale hat jedoch bei vielen Frauen einen unverdient schlechten Ruf. «Dies liegt vor allem daran, dass früher kupferfreie Spiralen die Wahrscheinlichkeit einer Eileiterschwangerschaft und das Risiko von Infektionen erhöhten», weiss Johannes Bitzer. Neue Studien zeigten jedoch, dass heute nur gerade 15 Prozent aller Frauen die Spirale im ersten Jahr wieder entfernen lassen.
Praktische Hormonspirale Heute sind zwei Arten von Spiralen erhältlich: zum einen die Kupferspirale, die Kupferteilchen abgibt, welche die Beweglichkeit der Spermien hemmen und zusätzlich die Einnistung des Eis in der Gebärmutter verhindert. Seit den Neunzigerjahren wird zudem die Hormonspirale Mirena eingesetzt. Sie verbindet die Vorteile der hormonellen Verhütung mit denen der Kupferspirale. Mirena setzt durch eine Membran konstant das Hormon Gestagen in sehr kleiner Dosis frei. Da die Hormonmengen gering sind, normalisiert sich der körpereigene Hormonhaushalt nach einigen Monaten der Anpassung wieder. Die meisten Frauen haben nach wie vor einen Eisprung.
Geeignet bei starken Monatsblutungen Sowohl Franziska Maurer wie auch Johannes Bitzer machen mit Mirena gute Erfahrungen bei ihren Patientinnen. «Mirena hat die Kupferspirale inzwischen weitgehend abgelöst und verursacht äusserst selten aufsteigende Infek-
tionen», weiss Maurer. Wichtig sei jedoch eine individuelle Beratung sowie Untersuchungen, da vor dem Einsetzen der Spirale Grösse und Form der Gebärmutter berücksichtigt werden müsse. Frauen, die mit Mirena verhüten möchten, sollten zudem über Veränderungen des Blutungsmusters aufgeklärt werden, die, wie bei allen Methoden, die nur Gestagen enthalten, auftreten können. Mirena ist besonders für Frauen geeignet, die unter sehr starken Monatsblutungen leiden, erklärt Johannes Bitzer. Mit Mirena wird die Periode schwächer, bei 30 bis 40 Prozent der Frauen fällt sie ganz aus. «Die meisten Frauen schätzen diesen Umstand», so Bitzer. Herrschte im Altertum noch der Aberglaube, dass Frauen ohne Monatsblutungen innerliche Vergiftungen erleiden und dadurch bösartig werden, sind wir heute zum Glück besser aufgeklärt. Auf die Unannehmlichkeiten, die mit der monatlichen Erneuerung der Gebärmutterschleimhaut einhergehen, kann frau getrost verzichten, wenn sie will.
*Helen Weiss ist freie Journalistin. Sie lebt in Basel.
*Pearl-Index: Gibt an, wie viele von 100 Frauen trotz Verhütung innerhalb eines Jahres schwanger werden. Je niedriger der Pearl-Index, umso zuverlässiger die Verhütungsmethode.
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Verhütungsmethoden für Frauen
Hormonelle Verhütung: Der Eisprung und der Aufbau der Gebärmutterschleimhaut werden unterdrückt. Erhältlich als Pille, als Dreimonatsspritze oder als Gestagenimplantat (Implanon). Ein weiteres hormonelles Verhütungsmittel ist der Verhütungsring (NuvaRing), der in die Vagina eingeführt wird und Hormone abgibt, die eine Empfängnis verhindern.
Kupfer- und Hormonspiralen: Die Kupferspirale verhindert, dass sich eine befruchtete Zelle einnistet, während die Hormonspirale zusätzlich den Muttermundschleim so verändert, dass kaum Spermien in die Gebärmutter eindringen können. Es handelt sich um langfristige Verhütungsmethoden, die während drei bis fünf Jahren im Körper gelassen werden dürfen. Die Spirale wird vom Gynäkologen eingesetzt, normalerweise während der Menstruation. Sie kann auch in den ersten 48 Stunden nach der Geburt eingelegt werden.
Barrieremethoden: Man unterscheidet zwischen chemischen und mechanischen Methoden: Bei den chemischen werden Spermizide (Creme, Gel oder Zäpfchen) eingesetzt, die Spermien abtöten oder unbeweglich machen. Sie werden meist kombiniert mit mechanischen Barrieremethoden wie Kondom, Femidom, Diaphragma oder Portiokappe, die verhindern, dass Spermien in die Gebärmutter eindringen.
Natürliche Familienplanung: Tägliches Temperaturmessen, die Selbstuntersuchung des Muttermundes und das regelmässige Prüfen der Schleimstruktur sind eigentlich keine Verhütungsmittel. Damit lassen sich lediglich die fruchtbaren und unfruchtbaren Tage während des Zyklus bestimmen. Die Verhütung besteht darin, während der fruchtbaren Tage Verhütungsmittel wie Präservativ oder Diaphragma zu verwenden.
Sterilisation: Ist das Mittel der Wahl, wenn keine Kinder mehr geplant sind. Bei der Frau werden die Eileiter durchtrennt oder verödet, beim Mann die Samenleiter abgebunden und durchtrennt. Eine Sterilisation lässt sich zwar rückgängig machen, aber nur unter grossen Schwierigkeiten und mit ungewissem Erfolg.
Die «Pille danach»: Sie enthält das Hormon Gestagen und kann eine beginnende Schwangerschaft unterbinden, indem sie das Einnisten eines möglicherweise befruchteten Eis verhindert. Sie kann bis 72 Stunden nach einem ungeschützten Geschlechtsverkehr angewendet werden. Doch handelt es sich nicht um ein Verhütungsmittel im eigentlichen Sinn, sondern um eine Lösung im Notfall.
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