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MEDIEN, MODEN, MEDIZIN
Onkologie
Tödliche Kombination – interagierende Schlüsselmoleküle für Tumormetastasierung entdeckt
Aggressive maligne Tumorerkrankungen wie Pankreaskarzinome oder bestimmte Formen von Mammakarzinomen sind durch eine frühe Aussaat, rasches Metastasieren und Therapieresistenz gekennzeichnet – Phänomene, welche die häufigsten Ursachen krebsbedingter Todesfälle darstellen, denn aktuell sind keine spezifischen Behandlungsoptionen verfügbar, mit denen sich die Tumorausbreitung im gesamten Körper verhindern lässt. Wissenschaftler der Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg (FAU) konnten nun Forschungsergebnisse präsentieren, die die Hoffnung nähren, dass sich dies in Zukunft ändern könnte. Der Arbeitsgruppe um Thomas Brabletz vom Institut für Experimentelle Medizin I der FAU gelang es, molekulare Mechanismen aufzuspüren, welche die Metastasenbildung befördern und Tumoren resistent gegenüber Therapien machen. Des Weiteren haben die Wissenschaftler eine genetische Konstellation identifizieren können, die bei Brustkrebs für schlechtes
Überleben, Therapieresistenz und ein erhöhtes Mestastasierungsrisiko spricht. Damit Tumorzellen metastasieren können, müssen sie zwei Schlüsselcharakteristika besitzen: zum einen die Fähigkeit, sich im Körper zu verteilen, und zum anderen die Eigenschaft, in entfernten Körperregionen neue Tumoren (Metastasen) zu bilden. Darüber hinaus müssen diese Zellen besonders widerstandsfähig sein – ein Merkmal, das ihnen zudem auch Therapieresistenz verleiht. Brabletz und seine Kollegen haben nun gezeigt, dass diese Eigenschaften dann zum Tragen kommen, wenn zwei grundlegende embryonale Signalwege, nämlich der EMT-(epithelial-to-mesenchymal transition) und der HIPPO-Signalweg (benannt nach der gleichnamigen Proteinkinase, welche hier als entscheidende Signalkomponente fungieren, sich gegenseitig beeinflussen. Wenn die Schlüsselmoleküle dieser beiden Signalpfade, ZEB1 (zinc finger E-box binding homeobox 1) and YAP (Yesassociated protein), direkt miteinander inter-
agieren, aktiviert dies eine Reihe von Genen,
die für ein aggressives Tumorwachstum
verantwortlich sind. Dem Forscherteam ge-
lang es, im Zusammenhang mit Mamma-
karzinomen acht solche essenziellen Gene
zu identifizieren. Ziel ist es nun, mithilfe die-
ser Erkenntnisse prognostische Marker von
aggressiven Tumoren zu bestimmen, um die
klinische Relevanz der beobachteten mole-
kularen Mechanismen zu bestätigen.
Da sich das tödliche Potenzial der Schlüs-
selmoleküle ZEB1 und YAP nur dann entfal-
ten kann, wenn beide miteinander in Verbin-
dung stehen, sind die Wissenschaftler auch
auf der Suche nach spezifischen Inhibito-
ren, welche diese Interaktion blockieren
können, mit dem langfristigen Ziel, neue
Therapieoptionen für aggressive Tumoren
zu entwickeln.
RABE/FAUO
Lehmann W et al.: ZEB1 turns into a transcriptional activator by interacting with YAP1 in aggressive cancer types. Nat Commun 2016; 7: 10498 und Pressemitteilung Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg vom 16. Februar 2016.
Kardiologie
Diagnostik per Fernabfrage?
Mittels der inzwischen verfügbaren tragbaren Echokardiografiegeräte (hand-held cardiac ultrasound, HCU) ist es möglich, auch in entlegeneren Regionen und in der Hausarztpraxis ohne grossen Aufwand Ultraschalluntersuchungen des Herzens durchzuführen. Diese Geräte bieten mittlerweile eine qualitativ hochwertige 2-D- und Farbdoppler-Bildgebung und ermöglichen – in erfahrener Hand – eine recht genaue Diagnostik. Allerdings mangelt es eben noch genau an dieser erforderlichen Expertise im Umgang mit der Technik respektive an geschultem Personal, das fähig ist, die durchaus präzisen optischen Daten richtig zu interpretieren. Eine Lösung dieses Problems könnte eine webbasierte kurzfristige Fernbegutachtung solcher Aufnahmen durch Experten bieten. Um den Nutzen eines Einsatzes von HCUGeräten durch Allgemeinpraktiker zu überprüfen, welche sich für die diagnostische Auswertung über das Internet an Fachärzte
wenden können, hat eine spanische Arbeitsgruppe eine prospektive Beobachtungsstudie mit insgesamt 1312 Patienten durchgeführt, welche mit Anzeichen oder Symptomen kardiovaskulärer Erkrankungen aufgefallen waren. 859 Patienten hatten die Hausärzte einer konventionellen Echokardiografie (CE) zugeführt (Gruppe A), und 453 weitere Patienten wurden von 14 Allgemeinärzten nach einer kurzen Trainingsperiode mit HCU untersucht (Gruppe B). Das aufgezeichnete Bildmaterial und die vorläufigen hausärztlichen Begutachtungen wurden in ein webbasiertes Programm hochgeladen und innerhalb von 24 Stunden durch Spezialisten beurteilt. Bei 116 Patienten (8,8%) bewerteten die Experten die HCU als ergebnislos. Die diagnostische Übereinstimmung von Hausärzten und Spezialisten war mehr oder weniger moderat, mit Ausnahme bei Mitralstenosen und Linksherzdilatationen, wo die Einschätzungen weiter auseinanderklafften. Die
Interpretation der Befunde durch die Spezialisten zeigte mit Ausnahme wiederum bei Mitralstenosen eine gute Übereinstimmung mit den Ergebnissen der CE, welche von den Hausärzten nach HCU-Fernbegutachtung durch die Experten nur bei 276 Patienten (32,1%) angefordert wurde. Bei 32 Patienten in Gruppe B (7%) konnte im Zuge der HCUUntersuchung eine signifikante Herzerkrankung aufgedeckt werden. Die Autoren kommen zum Schluss, dass eine internetbasierte Fernbegutachtung von in Hausarztpraxen erhobenen HCUDaten durch Experten ein praktikables, schnelles und sinnvolles Verfahren darstellt, um echokardiografische Abnormalitäten aufzuspüren und unnötige Echokardiografieuntersuchungen zu vermeiden.
RABEO
Evangelista A et al.: Hand-held cardiac ultrasound screening performed by family doctors with remote expert support interpretation. Heart 2016; 102(5): 376–382.
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ARS MEDICI 4 I 2016
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Kardiologie
Vorhofflimmern: Höheres Risiko für Schlaganfall und Tod bei Frauen
Vorhofflimmern ist bei Frauen wie bei Männern die führende Ursache für die Entwicklung von kardiovaskulären Erkrankungen und mit einem erhöhten Risiko für Schlaganfälle oder Tod verbunden. Es gibt jedoch zunehmend Hinweise aus Studien, dass sich kardiovaskuläre Risikofaktoren geschlechterabhängig unterschiedlich auswirken. So fällt etwa die mit dem Rauchen oder einer Diabeteserkrankung assoziierte Erhöhung des proportionalen Risikos für eine koronare Herzkrankheit bei Frauen deutlicher aus als bei Männern. Und auch das mit Diabetes einhergehende relative Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden, ist bei Frauen grösser als bei Männern. Bis anhin war unklar, ob solche geschlechtsspezifischen Unterschiede auch im Falle von Vorhofflimmern existieren. Zwar gilt auch hier das weibliche Geschlecht als Risikofaktor für Schlaganfälle, dies könnte jedoch auch eher eine bereits in der Allgemeinbevölkerung vorliegende geschlechtsspezifische Risikoverteilung widerspiegeln, als dass das Vorhofflimmern selbst bei Frauen und Männern unterschiedlich starke Effekte ausübt. Um diese Frage zu klären, hat ein britischUS-amerikanisch-kanadisch-australisches Forscherteam jetzt eine systematische Literaturstudie und Metaanalyse von im Zeitraum von Januar 1966 bis März 2015 veröffentlichten Kohortenstudien durchgeführt. Eingeschlossen wurden Untersuchungen mit jeweils mindestens 50 Teilnehmern mit beziehungsweise ohne Vorhofflimmern, in welchen sich ein geschlechtsspezifischer Zusammenhang zwischen Vorhofflimmern und Gesamtsterblichkeit, kardiovaskulären Mortalität, Schlaganfällen, Herztod sowie nicht tödlichem Myokardinfarkt und Herzversagen ergeben hatte. Es wurden die Daten aus 30 Studien mit
insgesamt 4 371 714 Patienten in die Analyse einbezogen. Bei der Auswertung zeigte sich, dass Vorhofflimmern bei Frauen mit einem höheren Gesamtsterblichkeitsrisiko verbunden ist als bei Männern (relatives Risikoverhältnis [RR]: 1,12; 95%-Konfidenzintervall [KI]: 1,07–1,17). Auch die Risiken für das Auftreten von Schlaganfällen (RR: 1,99; 95%-KI: 1,46–2,71), von kardialen Todesfällen und Herzinfarkten (RR: 1,55; 95%-KI: 1,15–2,0), von Herzversagen (RR: 1,16; 95%-KI: 1,07– 1,27) sowie für die kardiovaskulär bedingte Mortalität (RR: 1,93; 95%-KI: 1,44–2,60) waren bei Frauen, verglichen mit ihren männlichen Pendants, signifikant erhöht. Diese Unterschiede blieben auch nach Durchführung mehrerer Sensitivitätsanalysen bestehen. Mit diesen wurde untersucht, inwieweit die beobachteten geschlechtsspezifischen Risikoverhältnisse hinsichtlich der Sterblichkeit oder des Auftretens von Schlaganfällen von methodologischen oder studienimmanenten Charakteristika beinflusst waren. Vorhofflimmern muss demnach bei Frauen als ein gewichtigerer Risikofaktor für Tod und Herz-Kreislauf-Erkrankungen angesehen werden als bei Männern. Nach Ansicht der Autoren der Metaanalyse unterstreichen diese Resultate die jüngst von der American Heart Association ausgesprochene Empfehlung, einen spezifischen Risiko-Score für das Auftreten von Schlaganfällen bei Frauen zu entwickeln. Zwar müssten die vermuteten Kausalitäten in weiteren Studien bestätigt werden, dennoch halten die Wissenschaftler es für angemessen, dass Kliniker bei Frauen mit Vorhofflimmern entsprechende Risikofaktoren künftig weitaus aggressiver behandeln.
RABEO
Emdin CA et al.: Atrial fibrillation as risk factor for cardiovascular disease and death in women compared with men: systematic review and meta-analysis of cohort studies. BMJ 2016; 352: h7013, doi: 10.1136/bmj.h7013.
Rückspiegel
Vor 10 Jahren
Vogelgrippe
In der Schweiz wird die vorübergehend aufgehobene Stallpflicht für Geflügel ab dem 20. Februar 2006 erneut verhängt. Vor allem nach dem Auffinden einiger toter Wildvögel mit H5N1 ist die mediale Aufregung gross – möglicherweise grösser als das tatsächliche Problem: Nach Angaben des BAG wurden im Winter 2005/2006 nur 32 tote Wildvögel mit H5N1 identifiziert. Demgegenüber stehen 1506 tote Wildvögel ohne H5N1. Auch bei 1196 lebenden Wildvögeln aus drei Schweizer Regionen fand sich das Virus nicht, ebensowenig bei 146 Tieren aus Schweizer Geflügelzucht.
Vor 50 Jahren
Zigarettenwarnung
Seit Anfang 1966 müssen Zigarettenpäckchen in den USA die Warnung tragen, dass Rauchen die Gesundheit gefährden kann. Die Tabakindustrie gibt sich gelassen. Als die Gesundheitsbehörde zwei Jahre zuvor die Bevölkerung vor Krebs durch Zigarettenrauch gewarnt hat, habe dies auch nur zu einem vorübergehenden Einbruch der Umsätze geführt.
Vor 100 Jahren
Sklerosierungstherapie
Am Universitätsspital Tübingen beobachtet der Direktor der Hautklinik, Paul Linser, dass die Venen von Syphillispatienten, denen man das quecksilberhaltige Sublimat intravenös verabreichte, rasch veröden. Er kommt auf die Idee, mit der gleichen Methode Krampfadern zu veröden, was auch funktioniert. Um nicht das giftige Sublimat für die Krampfaderverödung verwenden zu müssen, entwickelt Klaus Linser, damals Assistenzarzt an der Hautklinik in Tübingen, aber nicht verwandt mit dem erstgenannten, eine Alternative: eine 22-prozentige Kochsalzlösung mit Procain.
RBO
ARS MEDICI 4 I 2016