Transkript
EDITORIAL
Gespart à la carte
Ob die alljährlichen Erhöhungen der Krankenkassenprämien, teure Prozeduren oder die Preise für innovative Medikamente – die Kosten im Gesundheitswesen sind ein Dauerbrenner. Die grössten Kostensteigerungen sind laut aktuellen Zahlen der Santesuisse bei den ambulanten Spitalabteilungen (von 2005 bis 2014 um 66 Prozent, das entspricht einem Plus von 253 Franken pro versicherte Person) und den niedergelassenen Ärzten (im gleichen Zeitraum eine Steigerung um 34 Prozent entsprechend einer Steigerung um 256 Franken) zu finden. Um moderatere 20 Prozent stiegen die Kosten im stationären Bereich, allerdings liegen diese bereits auf einem sehr hohen Niveau. Im Spital sucht man das Einsparpotenzial häufig bei Medikamenten, in der Pflege, der Aufenthaltsdauer oder den medizinischen Einrichtungen – aber auch im Bereich der Krankenhausküchen liegt Potenzial. In der Regel werden zu den Essenszeiten – beziehungsweise den Zeiten, die als solche definiert werden – grosse Rollwagen durchs Haus geschoben, und jeder Patient erhält ein Tablett mit dem, was die Küche für ihn bereithält. Wer gerade keinen Appetit oder Besuch hat, schläft oder für Untersuchungen unterwegs ist,
isst aber oft auch später nicht mehr, zumal das Essen optisch und geschmacklich ebenfalls nicht immer die individuellen Bedürfnisse trifft. Und so wandert einiges in den Abfall; niederländische Forscher schätzten 2012, dass in den Klinken des Landes Lebensmittel im Wert von bis zu 10 Millionen Euro pro Jahr weggeschmissen werden. Ein Beispiel aus dem niederländischen Ede zeigt, wie man mit mehr Service sogar noch sparen kann. Auch im Krankenhaus Gelderse Vallei kam früher etwa ein Drittel der Lebensmittel in den Müll. Heute ist das anders, denn die Patienten können nicht nur selber bestimmen, was, sondern auch wann sie essen wollen. Dafür wählen sie aus Dutzenden Gerichten und Beilagen ihre Mahlzeit aus und geben ihren Wunsch telefonisch der Küche durch. Dort ist hinterlegt, ob Diäten, Allergien oder Unverträglichkeiten berücksichtigt werden müssen, und sollte das Gewählte vor diesem Hintergrund ersetzt werden, gibt es einen Alternativvorschlag. Das Essen wird individuell zusammengestellt und aufs Zimmer geliefert. Das aus den USA stammende Konzept funktioniert wie in einem Hotel und hat durch die bessere Anpassung von Nachfrage und Angebot dazu geführt, dass nur mehr etwa 5 Prozent der Lebensmittel weggeschmissen werden müssen. Finanziell gesehen vielleicht nur ein kleinerer Beitrag, aber auch die daraus resultierende Patientenzufriedenheit ist nicht zu vernachlässigen. Essen, wonach und wann es gelüstet, könnte zudem noch der Gesundung zugutekommen – ein Gewinn in mehrfacher Hinsicht also. Denn wie heisst es so schön: Essen und trinken hält Leib und Seele zusammen ...
Christine Mücke
Quellen: Benjamin Dürr: Zimmer-Service. In: brand eins, 17. Jahrgang, Heft 09, Seite 12.
ARS MEDICI 22 I 2015
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