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7th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD)
Untertitel
Depression, Angst und Altern
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Ein langes Leben bei guter geistiger und körperlicher Gesundheit. Die moderne Medizin hat zwar bedeutende Fortschritte erzielt, ist aber nach wie vor mit grossen Herausforderungen konfrontiert – gerade bei Menschen im dritten Lebensabschnitt. Am 7. Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD) hat die Schweizerische
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SYMPOSIUMSBERICHTE
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SYMPOSIUM

7th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD)
Depression, Angst und Altern

Ein langes Leben bei guter geistiger und körperlicher Gesundheit. Die moderne Medizin hat zwar bedeutende Fortschritte erzielt, ist aber nach wie vor mit grossen Herausforderungen konfrontiert – gerade bei Menschen im dritten Lebensabschnitt. Am 7. Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD) hat die Schweizerische

17,5 kcal/kg/Woche, was zum Beispiel 2 x 50 Minuten Joggen oder 6 x 30 Minuten Walking pro Woche entspricht. Zudem muss der aktive Lebensstil dauerhaft aufrechterhalten werden. Denn der antidepressive Effekt von Sport verpufft relativ bald.

Gesellschaft für Angst und Depression (SGAD) darum das Alter in den Fokus gestellt.

D ie häufigsten psychischen Störungen Depression und Angststörungen sind bei älteren Menschen besonders von Bedeutung. Das erstmalige Erkrankungsrisiko erhöht sich mit steigendem Alter. Doch was sind die relevanten Risikofaktoren? Was gilt es bei Diagnose und Therapie zu berücksichtigen, und welches sind die wichtigsten Komorbiditäten? Und vor allem: Wie kann der Depression und den Angststörungen im Alter vorgebeugt werden? Dr. med. Josef Widler, Präsident der Ärztegesellschaft des Kantons Zürich, hiess die Symposiumsteilnehmer im Namen der Zürcher Ärzte auf dem Dolder willkommen. In seinem humorvollen Grusswort verwies er auf den Eintrag in Wikipedia zum Stichwort «Arzt»: Der Beitrag weist prominent darauf hin, dass Ärzte ein erhöhtes Risiko haben, an Depression, Suchterkrankungen oder Burn-out zu erkranken. Diesen Ball nahm Christoph Sigrist, Pfarrer des Grossmünsters, in seinem begeisternden Eröffnungsreferat zum Thema «Spiritualität und Altern» spontan auf und zählte kurzerhand auch sich als Pfarrer zu dieser Risikogruppe. Wichtiger war für ihn jedoch die Parallele, dass sowohl Psychiater wie Pfarrer den Menschen in psychischer Not helfen. Die Begegnung mit Menschen sei für ihn immer wieder eine spirituelle Erfahrung, sozusagen sein «spiritual food». Teil dieser Spiritualität ist für Pfarrer Sigrist auch der Humor. Der mit Abstand beste Humor begegne ihm bei den Menschen im Altersheim. Nicht zuletzt sei der Humor auch eine gute Prävention gegen psychische Erkrankungen.

Körperliche Aktivität, Stress und Prävention gegen Angst und Depression Der präventive Effekt von körperlicher Aktivität auf somatische und psychische Erkrankungen ist wissenschaftlich gut belegt. Dies gilt auch für Angststörungen und Depression, wie Prof. Dr. phil. Markus Gerber, stellvertretender Leiter Bereich Sportwissenschaft, Departement für Sport, Bewegung und Gesundheit, Universität
Basel, zu Beginn seines Referats darlegte. Randomisierte, kontrollierte Studien belegen den kausalen Zusammenhang zwischen Sporttherapie und verbesserter depressiver Symptomatik. Dabei zeigt Sport eine vergleichbare Effektivität wie die Pharmakotherapie. Bewegungsmuffeln kommt entgegen, dass bereits ein moderates Niveau der körperlichen Betätigung das Depressionsrisiko signifikant senkt. Für eine antidepressive Wirkung braucht es eine minimale Energieverausgabung von

Ernährung, Stress, Angst und Depression: Brain Food? Bereits der französische Dichter Molière hat erkannt: «Wenn ich gut gegessen habe, ist meine Seele stark und unerschütterlich; daran kann auch der schwerste Schicksalsschlag nichts ändern.» Nebst solch persönlicher Erfahrung belegt auch eine wachsende wissenschaftliche Evidenz den Einfluss des Essens auf das psychische Wohlbefinden. Der Modebegriff «Brain Food» verkörpert hingegen mehr den Wunsch nach natürlicher Steigerung der kognitiven Leistung denn solide Datenlage. Prof. Dr. med. Hartmut Schächinger, Leiter der Abteilung für Klinische Psychophysiologie, Forschungsinstitut für Psychobiologie, Universität Trier, steht als Wissenschaftler dem Brain Food skeptisch gegenüber. Er zeigte jedoch auf, welche Nahrungsbestandteile einen erwiesenen Effekt auf das Hirn haben – auch auf die Entstehung von Depression und Angst oder den Umgang mit Stress. So zeigen Angst- und Depressionspatienten zum Beispiel ein niedrigeres Niveau der ungesättigten Fettsäuren. Eine Supplementierung mindert depressive Symptome. Selbst schon der blosse Anblick von Essen vermindert die Schreckhaftigkeit von Probanden und damit den Stress.
Die Rolle der Mitochondrien bei psychiatrischen Erkrankungen Warum altert eigentlich unser Hirn? Professor Dr. rer. nat. Anne Eckert, Leiterin des Neurobiologischen Labors, Universitäre Psychiatrische Kliniken, Basel, legte dar, dass alle gängigen Alterungstheorien im Grund zu den Mitochon-

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drien führen. In den Mitochondrien kann es zur Akkumulation von aggressiven Sauerstoffradikalen und dadurch zu oxidativem Zellstress kommen. Doch es gibt nicht nur gute Evidenz für eine mögliche Involvierung der mitochondrialen Dysfunktion beim Alterungsprozess, sondern auch bei der Entstehung von Depression, bipolaren Störungen und altersbezogenen Erkrankungen wie Demenz. Veränderungen in der mitochondrialen DNA wurden bei der Alzheimer-Krankheit und bei Depression identifiziert. Zudem propagiert eine neue Hypothese, dass Stress die Mitochondrienfunktion im Hirn schädigt. Prof. Eckert betonte jedoch, dass weitere Untersuchungen erst zeigen müssen, welche mitochondrialen Defekte zu den spezifischen Symptomen psychischer Erkrankungen führen.
Behandlung von Depression, Angst und ihren körperlichen Komorbiditäten im Alter Depression und Angststörungen sind nicht nur die häufigsten psychischen Erkrankungen im Alter, sondern oft auch miteinander assoziiert, wie Professor Dr. med. Egemen Savaskan, Chefarzt an der Klinik für Alterspsychiatrie, Gerontopsychiatrisches Zentrum Hegibach, Psychiatrische Universitätsklinik Zürich, in seinem Referat erläuterte. Dieses gemischte Störungsbild erhöht sowohl den Schweregrad wie auch die Therapieresistenz und Suizidalität der Depression im Alter und verstärkt somatische Symptome. Depression geht bei älteren Men-

schen oft mit somatischen Symptomen einher. Beide Störungskreise beeinflussen sich gegenseitig. Die Komorbidität hat zwei klinikrelevante Konsequenzen: erhöhte Therapieresistenz und polypharmazieassoziierte Risiken. In Bezug auf die Pharmakotherapie betonte Prof. Savaskan die mangelnde Evidenz bei der
älteren Patientenpopulation und empfahl an erster Stelle selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) und Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SNRI). Sie zeigen bei älteren Patienten einen ähnlichen Therapieerfolg wie bei jüngeren Erwachsenen und im Vergleich zu anderen Substanzgruppen ein günstigeres Nebenwirkungsprofil.
Erfolgreicher Workshop zur genomischen Medizin Professor Thomas Szucs, Direktor des European Centre of Pharmaceutical Medicine, Institut für Pharmazeutische Medizin ECPM, Universität Basel, präsentierte anlässlich des erstmals

durchgeführten Workshops eine Einführung zur genomischen Medizin. Gerade in der Psychiatrie verspricht dieser junge Forschungszweig ein grosses Potenzial: Gezielte Prävention – basierend auf den individuellen biologischen Merkmalen eines Menschen – soll helfen, psychische Erkrankungen zu verhindern. Dank Next Generation Sequencing lassen sich erstmals Krankheitsgene mit mittlerer Penetranz und Häufigkeit identifizieren. Das Verständnis dieser Gene hilft bei der Wahl des richtigen Wirkstoffs in der für den individuellen Patienten geeigneten Dosierung. Bei aller Euphorie hat Prof. Szucs auch die derzeitigen Grenzen der genomischen Medizin genannt. Sie sind in erster Linie technischer Natur: Die Leistung der heutigen Rechner hält mit der stark ansteigenden Datenmenge nicht Schritt. Bis zum nächsten Leistungssprung in der Informationsverarbeitung bleibt dem Psychiater also noch etwas Zeit, sich mit den neuen Möglichkeiten der genomischen Medizin vertraut zu machen. Doch die Gentests sind bereits in der psychiatrischen Praxis angekommen: Nächstes Jahr wird der ABCB1-Test in der Schweiz eingeführt. Er gibt Aufschluss darüber, ob ein Antidepressivum in ausreichender Menge ins Hirngewebe eindringen kann. G
Quelle: Medienmitteilung SGAD, weitere Informationen: www.sgad.ch
Alle Bilder: Impressionen vom 7th Swiss Forum for Mood and Anxiety Disorders (SFMAD). © Fotodienst/Boaz Heller.

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