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Titel
Nachhaltige Therapie mit monoklonalen Antikörpern bei MS
Untertitel
-
Lead
Fallvignette: Der 28-jährige Patient wird erstmalig im 2007 symptomatisch. Fünf Monate später tritt ein zweites Ereignis mit Ataxie und Gedächtnisstörungen auf. Es erfolgt eine Therapie mit einem Beta-Interferon. Weitere Schubereignisse führen zu Sensibilitäts- und motorischen Störungen; ein weiterer Schub zu ausgeprägten Gedächtnisstörungen.
Datum
Autoren
-
Rubrik
Serie: Multiple Sklerose
Artikel-ID
2796
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SERIE: MULTIPLE SKLEROSE

Lieber Leser, liebe Leserin Die Multiple Sklerose ist trotz neuer Medikamente und intensiver Forschungsbemühungen eine bis heute unheilbare und chronische Erkrankung des zentralen Nervensystems. In einer mehrteiligen Serie möchten wir Ihnen die vielfältigen Gesichter dieser Krankheit nahebringen. PD Dr. Michael Linnebank, Leitender Arzt Neurologie am Universitätsspital Zürich (USZ), und das Team der Neurologie am USZ stellen Ihnen Fallbeispiele aus der Sprechstunde für die praxisorientierte Fortbildung vor.

Michael Linnebank

Nachhaltige Therapie mit monoklonalen Antikörpern bei MS

Fallvignette: Der 28-jährige Patient wird erstmalig im 2007 symptomatisch. Fünf Monate später tritt ein zweites Ereignis mit Ataxie und Gedächtnisstörungen auf. Es erfolgt eine Therapie mit einem Beta-Interferon. Weitere Schubereignisse führen zu Sensibilitäts- und motorischen Störungen; ein weiterer Schub zu ausgeprägten Gedächtnisstörungen.

I m Alter von 28 Jahren wird der Patient im Jahr 2007 erstmalig mit einer Parese am rechten Arm symptomatisch. Fünf Monate später tritt ein zweites Ereignis mit Ataxie und Gedächtnisstörungen auf. Die Diagnose einer schubförmig verlaufenden Multiplen Sklerose wird gestellt. In den nächsten drei bis vier Jahren erleidet der Patient trotz einer eingeleiteten Therapie mit einem Beta-Interferon weitere Schubereignisse mit Sensibilitäts- und motorischen Störungen. 2008 führt ein weiterer Schub zu schweren neuropsychologischen Störungen mit einer anterograden Amnesie. Der Patient erhält eine hochdosierte Cortison-Pulstherapie und etwas später eine Plasmapherese. Die Konsequenzen der MS sind tiefgreifend: Der Patient unterrichtet als Lehrer. Da bei dem Patienten u.a. Gedächtnisstörungen bestehen, liegt zu dem Zeitpunkt eine vollständige Arbeitsunfähigkeit vor. Viele Patienten sind mit den sogenannten Basistherapien wie BetaInterferonen oder Glatirameracetat sehr gut behandelt. Da aber bei diesem Patienten der Krankheitsverlauf nicht zufriedenstellend war, begannen wir 2008 die

Therapie mit Natalizumab, einem monoklonalen Antikörper. Natalizumab hat sich im klinischen Alltag etabliert. Der monoklonale Antikörper ist gegen das Adhäsionsmolekül VLA-4 gerichtet und reduziert den Übertritt von Lymphozyten über die Blut-HirnSchranke. Durch diese Therapie wird oft eine deutliche Reduktion der Schubereignisse (1) und Stabilisierung, teilweise sogar eine Verbesserung des Behinderungsgrads erzielt. Zu beachten ist das Risiko einer progressiven multifokalen Leukenzephalopathie (PML) unter Natalizumab (2), eine durch das JC-Virus ausgelöste Erkrankung. Der JCV-Antikörperstatus lässt sich heute durch eine einfache Blutuntersuchung testen und trägt dazu bei, das individuelle Risiko für das Auftreten einer PML einzuschätzen. Der Anti-JCV-Antikörperstatus des Patienten fiel negativ aus. Nach Beginn der Therapie mit Natalizumab im Jahr 2008 entwickelte sich der Krankheitsverlauf des Patienten erfreulich: Klinisch-neurologisch zeigte der Patient einen stabilen Befund, die neuropsychologi-

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schen Defizite bildeten sich teilweise zurück. Ab Au-

gust 2009 war es dem Patienten wieder möglich, teil-

zeitig zu arbeiten. Verschiedene Studien bestätigten

die Effektivität von Natalizumab (3). Auch aufgrund

aktueller Daten aus unserer Klinik wird zunehmend

deutlich, dass der positive Krankheitsverlauf unter Na-

talizumab langfristig anhält (4).

Anfang Januar 2011 erhielt auch Fingolimod die Zu-

lassung zur Behandlung der schubförmigen Multi-

plen Sklerose in der Schweiz. Fingolimod kann oral

verabreicht werden und stellt eine weitere Option zur

effektiven Behandlung der MS dar (5). Bei allen Thera-

pien sind wichtige Kontraindikationen, Risiken und

Nebenwirkungen zu beachten.

Korrespondenzadresse:

PD Dr. Michael Linnebank

Leitender Arzt

Neurologie

Universitätsspital Zürich

E-Mail: michael.linnebank@usz.ch

Referenzen:
1. Polman CH, O’Connor PW, Havrdova E, et al.: A randomized, placebo-controlled trial of natalizumab for relapsing multiple sclerosis. N Engl J Med. 2006; 354: 899–910.
Clifford, DB, De, LA, Simpson, DM, et al.: Natalizumab-associated progressive multifocal leukoencephalopathy in patients with multiple sclerosis: lessons from 28 cases. Lancet Neurol. 2010; 9: 438–446.
2. Prosperini L., Borriello G., Fubelli et al.: Natalizumab treatment in multiple sclerosis: the experience of S. Andrea MS Centre in Rome. Neurol Dci 2011; 31 (suppl 3): 303–307.
3. Kallweit U, Jelcic I, Braun N, et al.: Sustained efficacy of natalizumab in the treatment of relapsing-remitting multiple sclerosis independent of disease activity and disability at baseline: real-life data from a swiss cohort. Clin Neuropharmacol. 2012; 35: 77–80.
4. Khatri B, Barkhof F, Comi G, et al.: Comparison of fingolimod with interferon beta-1a in relapsing-remitting multiple sclerosis: a randomised extension of the TRANSFORMS study. Lancet Neurol. 2011; 10: 520–9. Epub 2011 May 13.

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