Transkript
U P D AT E I K O M P L E M E N T Ä R - U N D A LT E R N AT I V M E D I Z I N
DAS ERFAHRUNGSMEDIZINISCHE REGISTER: GESTERN UND HEUTE
«Die Zahl der Naturheiler wächst rasant» titelte kürzlich die «NZZ am Sonntag». Die Richtigkeit dieser Aussage kann das ErfahungsMedizinische Register (EMR) bestätigen: Seit mehr als 15 Jahren zertifiziert das Basler Unternehmen vor allem nicht ärztliche Therapeuten, die Patienten mit alternativen Heilmethoden behandeln.
Silva Keberle
Komplementär- und Alternativmedizin, kurz KAM, ist ein Markt, der sich seit vielen Jahren einer zunehmenden Beliebtheit erfreut. Die Geschichte des ErfahungsMedizinischen Registers (EMR) widerspiegelt ein Stück weit die Entwicklung dieses Marktes.
faktisch vor einem «Berufsverbot». Die Forderung nach einer einheitlichen Regulierung des Zugangs zu den Versichererlisten und einer transparenten Qualitätskontrolle führte dazu, dass im Jahr 1999 das EMR in seiner jetzigen Form gegründet wurde (siehe Kasten EMR).
Viele Therapeuten standen vor «Berufsverbot»
Es war die Revision des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Jahr 1994, die der wachsenden Szene der KAM einen massiven Einbruch bescherte. Bis anhin hatten viele Versicherer KAMLeistungen über die Obligatorische Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet, obschon das im KVG nicht vorgesehen war und die Leistungen eigentlich über die Privatversicherung im Rahmen des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) finanziert hätten werden sollen. Durch die Revision des KVG wurde dieser Praxis der Quersubvention ein Riegel vorgeschoben. Als Folge davon erreichte die Versicherer eine Vielzahl von Therapeutenanfragen, die alle auf die «Liste» der Versicherer zur Vergütung via VVG aufgenommen werden wollten. Als erster Versicherer reagierte 1994 die Swica mit einem Auftrag, ihre aktuelle Therapeutenliste zu prüfen und ein Qualitätslabel zu entwickeln – das EMR wurde aus der Taufe gehoben. Aber auch die anderen grossen Versicherer brauchten ein neues Verfahren, einige verfügten sogar vorübergehend einen Aufnahmestopp für Therapeuten. Damit standen viele damals
Pionierarbeit in komplexem, völlig unreguliertem Markt
Zum Schutz der Patienten war es unerlässlich, eine Qualitätskontrolle und -sicherung für die KAM aufzubauen. Diese Aufgabe musste innerhalb weniger Wochen realisiert werden. Denn
DAS ERFAHRUNGSMEDIZINISCHE REGISTER Als unabhängige, private Institution definiert das EMR seit 15 Jahren einen Qualitätsstandard im Bereich KAM und vergibt ein Qualitätslabel für erfahrungsmedizinische Therapeuten; derzeit sind rund 20 000 Therapeuten registriert. Für die Öffentlichkeit bietet das EMR das Internetverzeichnis EMindex an, mit dem Interessierte schnell und einfach einen passenden Therapeuten mit EMRQualitätslabel finden können: www.emindex.ch EMR in Zahlen: • 50 Mitarbeitende • rund 20 000 registrierte Therapeuten • 140 Methoden und Berufsabschlüsse, für die sich Therapeuten registrieren
lassen können • über 40 Versicherer und mehrere Kantone, die das EMR-Qualitätslabel nutzen • Kenntnisse über rund 600 aktive Schulen in der Schweiz und im Ausland • Kontakt zu über 1000 Verbänden.
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U P D AT E K O M P L E M E N T Ä R - U N D A LT E R N AT I V M E D I Z I N
Tag der Erfahrungsmedizin in Basel im September 2014 anlässlich der Feier des 15-jährigen EMR-Jubiläums.
QUALITÄTSKRITERIEN DES EMR • Umfang und Inhalt der
Ausbildung • jährliche Fort- und Wei-
terbildung • EMR-Berufskodex • Strafregisterauszug • Haftpflichtversicherung
S I LVA K E B E R LE , Inhaberin und Geschäftsleiterin der Eskamed AG, die das EMR betreibt. Seit vielen Jahren beschäftigt mit Qualitätssicherung sowie Präventionsund Kommunikationsprojekten in der Schul- und der Erfahrungsmedizin. Als Ärztin mit FMH-Titel Innere Medizin zudem erfahren in der Gesundheitspolitik.
noch bevor das EMR ein Konzept erarbeiten konnte, geschweige denn die notwendige Logistik und Administration, wurde das neu gegründete Unternehmen von einer Flut von Anträgen überschwemmt. Die ersten Jahre des EMR waren deshalb geprägt von einer Art «Aufholjagd». Besonders schwierig gestaltete sich die Suche nach verlässlichen Informationen zum Thema KAM. Es gab damals weder Internet noch Google oder eine Institution, die für die Definition von Begriffen oder Standards in der KAM zuständig war. Auch herrschte kein Konsens darüber, was einen «guten Therapeuten» ausmacht oder welche Qualitätskriterien für das Erlernen und Beherrschen einer KAM-Methode gelten. Ein weiteres Problem war die Tatsache, dass es in der Branche wenig Gemeinsamkeiten gab. Im Gegenteil: Heftige Konkurrenzkämpfe zwischen Verbänden und Schulen erschwerten die Entwicklung von gemeinsamen Standards. Trotz dieser schwierigen Anfangsbedingungen gelang es dem EMR – gemeinsam mit Exponenten der KAM – Qualitätskriterien und -standards für nicht ärztliche Therapeuten zu definieren. Das EMR-Qualitätslabel wurde – und wird bis heute – nur an Therapeuten vergeben, die diese Qualitätskriterien erfüllen (siehe Kasten Qualitätskriterien des EMR). Die Entwicklung dieser gesamtschweizerischen Vorgaben war ein Meilenstein, für den es im europäischen Raum bis heute kein Pendant gibt. Es dauerte einige Jahre, bis das EMR das Vertrauen von Therapeuten, Schulen und Verbänden gewinnen und sich in der Branche als grösste Zertifizierungsstelle etablieren konnte. Immer mehr Versicherer schlossen mit dem EMR einen Vertrag ab und nutzen bis heute das EMR-Qualitätslabel für die Rückerstattung von KAM-Leistungen im Bereich der Zusatzversicherung.
Konsolidierung und neue Entwicklungen
Der nächste Entwicklungsschritt begann mit der Volksabstimmung und dem Ja zur Komplementärmedizin im Jahr 2009. Die KAM wurde in die Verfassung aufgenommen. Ihre Akzeptanz im Schweizer Gesundheitswesen hat seitdem einen enormen Sprung nach vorne gemacht. Vor allem die Qualität der Aus- und Fortbildung der Therapeuten hat sich erheblich verbessert. Während sich anfangs fast jeder ungehindert «Therapeut» nennen konnte und es nur wenige seriöse Ausbildungen gab, ist das Thema Qualität in der KAM heute in aller Munde. Der Höhepunkt dieser Entwicklung sind die neu entstandenen eidgenössischen Berufsbilder, die genau definieren, über welche beruflichen Kompetenzen in den eingebundenen Methoden ein Therapeut verfügen muss. Durch die Berufsbilder werden die Identitätsbildung und das Selbstverständnis der Branche gefördert. Als führende Registrierungsstelle ist das EMR weiterhin mittendrin im Geschehen. Bei einem Kongress anlässlich des 15-jährigen Bestehens des Unternehmens wurde deutlich, dass das EMR in der Branche aufgrund seiner Erfahrungen nicht nur als Registrierungsstelle, sondern auch als Kompetenzzentrum akzeptiert und geschätzt wird.
Es gibt noch viel zu tun …
Dass die Bevölkerung Wert legt auf eine breite Versorgung mit qualitativ hochwertigen KAM-Angeboten, hat nicht nur die Volksabstimmung gezeigt; auch Umfragen des europäischen Forschungsnetzwerks Cambrella bestätigen das. Zwar repräsentieren die neuen Berufsbilder einen Schritt in die Zukunft der Schweizer KAM, aber es gibt noch viel zu tun, um die KAM sinnvoll in das Schweizer Gesundheitswesen zu integrieren. So fehlen beispielsweise auf Kantonsebene einheitliche Gesetze bezüglich einer Berufsausübungsbewilligung für nicht ärztliche Therapeuten. Einige Kantone sind in dieser Hinsicht sehr restriktiv bis ablehnend, andere dagegen sehr offen. Mehr Einigkeit auf dieser Ebene wäre wünschenswert. Gleichzeitig sollte aber die Vielfalt der angebotenen KAM-Behandlungsmethoden erhalten bleiben, damit jeder Patient die Möglichkeit hat, die individuell beste Behandlung zu erhalten.
Kontakt: Dr. med. Silvia Keberle Eskamed AG ErfahrungsMedizinisches Register EMR Basel skeberle@eskamed.ch
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