Transkript
RECHTSFRAGEN
Können Ärztenetze den Wettbewerb
behindern? – offene Fragen
Ärztenetze könnten, so wird
gelegentlich befürchtet, von
den beteiligten Ärzten miss-
braucht werden, um sich vor
Konkurrenz zu schützen und
den Wettbewerb zu behin-
dern. Welche Bedeutung
haben in solchen Fällen das
Kartellgesetz und das Gesetz
gegen den unlauteren Wett-
bewerb?
K önnen Ärzte den Beitritt zu einem Hausarztmodell beziehungsweise zum an diesem Modell beteiligten Ärztenetz unter gewissen Umständen auf dem Rechtsweg erstreiten? Diese Frage haben im vorangehenden Beitrag Ueli Kieser und Tina Schleich aufgeworfen. Als mögliche Gesetzesgrundlagen für entsprechende Rechtsklagen haben die AutorInnen unter anderem das Kartellgesetz und das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb genannt; der im Artikel (Fussnote 11 und Kasten) erwähnte Gerichtsentscheid zum «Réseau de santé genevois» basierte nach Aussagen der Parteivertretung auf dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Ob das Kartellgesetz eingehalten wird, wird von der Wettbewerbskommission (Weko) überprüft. Grundsatzfragen zum Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb fallen in den Zuständigkeitsbereich des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO). «Managed Care» hat die Weko und das SECO gefragt, welche Bedeutung die beiden Gesetze für Ärztenetze haben.
Bedeutung des Kartellgesetzes
Die Fragen an die Wettbewerbskommission (Weko) lauteten wie folgt:
■ Welche Bedeutung hat das Kartellgesetz für Ärztenetze? ■ Sind Konstellationen denkbar, in denen Ärzte, die an einem Ärztenetz nicht beteiligt sind, das Beitrittsrecht mit Berufung auf das Kartellgesetz erstreiten können? Welche Rolle spielen dabei die Grösse des Einzugsgebietes und die Grösse des Netzes? Welche Rolle spielt dabei die Tatsache, dass gemäss Krankenversicherungsgesetz (Art. 41 Abs. 4 KVG) die Auswahl der Leistungserbringer für besondere Versicherungsformen grundsätzlich den Krankenversicherern obliegt, dass also gemäss geltendem Gesetz letztlich nur die Krankenversicherer einzelne Leistungserbringer aus dem entsprechenden Dienstleistungsmarkt ausschliessen können? ■ Würde sich die Situation im Fall einer Aufhebung des Kontrahierungszwangs verändern? ■ Welches sind aus Sicht der Weko die grundsätzlichen Ziele des Kartellgesetzes im Hinblick auf «besondere Versicherungsformen» (z.B. Hausarztmodelle, HMOs)? Wieweit erlaubt es das aktuell geltende Krankenversicherungsgesetz, diese Ziele zu erreichen? Wo sieht die Weko Änderungsbedarf im Hinblick auf die Revision des Krankenversicherungsgesetzes?
Die Wettbewerbskommission (Weko) teilte mit, dass diese Fragen wettbewerbsrechtlich relevant seien, dass sie sich aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht dazu äussern könne, da sie noch keinen entsprechenden Fall behandelt habe. Wenn ein Kommissionsmitglied bereits heute zur Problematik Stellung nehmen würde, könne dies dazu führen, dass das Kommissionsmitglied in einem zukünftigen Verfahren in den Ausstand treten müsse. Dieses Risiko möchte die Weko nicht eingehen.
Bedeutung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb
Die Fragen an das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) lauteten:
■ Welche Bedeutung hat das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb für Ärztenetze? ■ Sind Konstellationen denkbar, in denen Ärzte, die an einem solchen Ärztenetz nicht beteiligt sind, den Beitritt mit Berufung auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb erstreiten können? Welche Rolle spielt dabei die Tatsache, dass gemäss Krankenversicherungsgesetz (Art. 41 Abs. 4 KVG) die Auswahl der Leistungserbringer für besondere Versicherungsformen grundsätzlich den Krankenversicherern obliegt? ■ Wie stellt sich das SECO funktionierenden Wettbewerb im Bereich der «besonderen Formen der
Krankenversicherung» (z.B. Hausarztmodelle, HMOs) vor? Wieweit erlaubt es das Krankenversicherungsgesetz, diese Ziele zu erreichen? Wo sieht das SECO Änderungsbedarf im Hinblick auf die Revision des Krankenversicherungsgesetzes?
Das SECO teilte mit, dass die genannten Fragen aus seiner Sicht allesamt das Kartellgesetz betreffen und aus dieser Optik beantwortet werden müssen. Der Marktzugang beziehungsweise dessen Behinderung werde ausschliesslich durch das Kartellgesetz geregelt. Das UWG kümmere sich um die Lauterkeit des Wettbewerbs, verlange also Transparenz und Klarheit der Preise und der angebotenen Waren und Dienstleistungen. Die lauterkeitsrechtliche Generalklausel bezeichne als unlauter jedes täuschende oder in anderer Weise gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstossende Verhalten oder Geschäftsgebaren, welches das Verhältnis zwischen Mitbewerbern oder zwischen Anbietern und Abnehmern beeinflusse (Art. 2 UWG). Im Zentrum stehe das Irreführungsverbot (Art. 3 Bst. b UWG). Weiter weist das SECO darauf hin, dass es für das UWG (im Gegensatz zum Kartellgesetz) keine staatliche Behörde gebe (weder beim Bund noch bei den Kantonen), welcher die Überwachung des lauteren Wettbewerbs obliege: «Das UWG ist privatrechtlich organisiert, das heisst, die Marktpartner, also die Mitbewerber, die Berufs- und Wirtschaftsverbände sowie die Konsumentenorganisationen, sind dazu aufgerufen, darüber zu wachen, dass sich der Wettbewerb in einem lauteren Rahmen abspielt. Diesen Marktbeteiligten stellt das UWG ein umfassendes Klageinstrumentarium zur Verfügung, das es erlaubt, ziviloder/und strafrechtliche Verfahren einzuleiten (Art. 9, 10 und 23 UWG). Damit obliegt es letztlich dem Zivil- oder Strafrichter, darüber zu befinden, ob ein bestimmtes Verhalten lauter oder unlauter ist.» ■
Fragen und Zusammenfassung:
Rita Schnetzler
Managed Care 4 ● 2004 13