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Rheumatoide Arthritis – Update der EULAR-Empfehlungen 2016
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Die European League Against Rheumatism (EULAR) hat ihre Empfehlungen für das Management der rheumatoiden Arthritis mit synthetischen und biologischen krankheitsmodifizierenden Medikamenten aktualisiert. Die Experten geben Hinweise zur Auswahl geeigneter Substanzen entsprechend einem Therapiealgorithmus sowie zu Behandlungszielen und Behandlungsstrategien.
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Thema

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Rheumatoide Arthritis – Update der EULAR-Empfehlungen 2016

Die European League Against Rheumatism (EULAR) hat ihre Empfehlungen für das Management der rheumatoiden Arthritis mit synthetischen und biologischen krankheitsmodifizierenden Medikamenten aktualisiert. Die Experten geben Hinweise zur Auswahl geeigneter Substanzen entsprechend einem Therapiealgorithmus sowie zu Behandlungszielen und Behandlungsstrategien.
Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis (RA) basiert vor allem auf krankheitsmodifizierenden Medikamenten (disease-modifying antirheumatic drugs, DMARD), mit denen die Progression struktureller Schädigungen von Knorpel und Knochen verhindert oder verlangsamt werden kann. Im Rahmen des EULAR-Updates für das Management der RA erarbeitete eine Gruppe von 50 Experten und Patienten 4 übergeordnete Prinzipien und 12 Empfehlungen, die auf der Evidenz aus der Literatur sowie auf Abstimmungsprozessen der Arbeitsgruppe basieren. Die Empfehlungen beziehen sich auf konventionelle synthetische DMARD (csDMARD), Glukokortikoide (GC), biologische DMARD (bDMARD) und gezielte synthetische DMARD (tsDMARD) (Kasten).
MERKSÄTZE
◗ MTX bleibt das Ankermedikament in der Behandlung der RA.
◗ Bei jedem Start mit einem csDMARD sollte ein GC hinzugefügt und innerhalb von drei Monaten wieder abgesetzt werden.
◗ Nach Versagen von csDMARD orientiert sich die weitere Vorgehensweise an prognostischen Faktoren.
◗ Bei anhaltender Remission können bDMARD ausgeschlichen werden.
◗ Das Ausschleichen von csDMARD wird kontrovers diskutiert.

Annals of the Rheumatic Diseases
Für eine Empfehlung bestimmter Medikamente unterschieden die Experten nicht zwischen einer frühen und einer fortgeschrittenen RA, sondern differenzierten in einem Algorithmus drei Behandlungsphasen (1: unbehandelte Patienten; 2: Patienten nach Versagen von csDMARD, 3: Patienten nach Versagen von bDMARD), an denen sich die Medikamentenauswahl für das bestmögliche klinische Ergebnis orientiert.
Übergeordnete Prinzipien Den Empfehlungen wurden die folgenden übergeordneten Prinzipien vorangestellt: • Die Behandlung zielt auf die bestmögliche Ver-
sorgung ab und muss auf gemeinsamen Entscheidungen des Patienten und des Rheumatologen basieren. • Die therapeutische Vorgehensweise orientiert sich an der Krankheitsaktivität und an weiteren Patientenfaktoren wie strukturellen Schädigungen und Komorbiditäten sowie an Sicherheitsaspekten. • Für die Versorgung von RA-Patienten durch einen Spezialisten ist in erster Linie ein Rheumatologe zuständig. • Im Rahmen des Managements sollten alle individuellen, medizinischen und sozialen Kosten berücksichtigt werden.
Empfehlung 1 – Behandlung so früh wie möglich Die Behandlung mit DMARD sollte so bald wie möglich nach der ersten Diagnose der RA begonnen werden. Diese Empfehlung wurde unverändert aus der Fassung von 2013 übernommen. Mit einer frühzeitigen Diagnose und Behandlung können bei den meisten Patienten strukturelle Schädigungen

Kasten:
DMARD zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis
csDMARD • Methotrexat (diverse Generika zur oralen und pa-
renteralen Anwendung) • Sulfasalazin (Salazopyrin®) • Leflunomid (Arava® und Generika) tsDMARD • Tofacitinib (Xeljanz®) • Baricitinib (Olumiant®) boDMARD • Adalimumab (Humira®) • Certolizumab (Cimzia®) • Etanercept (Enbrel®) • Golimumab (Simponi®) • Infliximab (Remicade®) • Abatacept (Orencia®) • Rituximab (Mabthera®) • Tocilizumab (Actemra®) • Clazakizumab (nicht im AK der Schweiz) • Sarilumab (nicht im AK der Schweiz) • Sirukumab (nicht im AK der Schweiz) bsDMARD • Infliximab-Biosimilars (Inflectra®, Remsima®) • Rituximab-Biosimilar (Truxima®, nicht im AK der
Schweiz)
vermieden werden. Ein spezielles DMARD wird an
dieser Stelle noch nicht empfohlen, da mit allen
Wirkstoffen bei frühem Beginn ein besseres Lang-
zeitergebnis erzielt werden kann als bei verzöger-
tem Behandlungsbeginn.
Empfehlung 2 – Ziel ist die Remission
Als Behandlungsziel wird eine anhaltende Remis-
sion oder eine möglichst geringe Krankheitsakti-
vität angestrebt.
Experten der EULAR und des American College of
Rheumatology (ACR) haben gemeinsam neue
Boole-basierte und indexbasierte Definitionen
des Remissionszustands entwickelt, wobei sich
Letztere am Simplified Disease Activity Index
(SDAI) und am Clinical Disease Activity Index
(CDAI) orientieren. Eine anhaltende Remission

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entsprechend den EULAR/ACR-Kriterien kann die Progression der Gelenkschädigung verhindern. Beide Definitionen der Remission korrelieren zudem eng mit den Befunden einer Remission in bildgebenden Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT) und der Ultraschalluntersuchung. Studienergebnisse zeigen, dass eine im Ultraschall erkennbare Remission nicht mit Vorteilen gegenüber einer klinisch festgestellten Remission verbunden ist, jedoch höhere Kosten verursacht. Die Experten erachten eine Remission als anhaltend, wenn sie mindestens 6 Monate bestehen bleibt.
Empfehlung 3 – Monitoring entsprechend der Krankheitsaktivität Bei aktiver Erkrankung ist alle 1 bis 3 Monate ein Monitoring erforderlich. Ist 3 Monate nach Beginn einer Behandlung keine Verbesserung eingetreten oder wurde das Behandlungsziel innerhalb von 6 Monaten nicht erreicht, sollte die Therapie angepasst werden. Diese Empfehlung dieser «Treat-to-target»-Strategie wurde unverändert aus der Fassung von 2013 übernommen. Die Untersuchungshäufigkeit sollte sich an der Krankheitsaktivität orientieren. Bei dauerhafter Remission oder geringer Krankheitsaktivität kann das Monitoring daher in einem grösseren Zeitabstand von 6 bis 12 Monaten erfolgen. Zur Evaluierung der Krankheitsaktivität empfiehlt die EULAR eine Kombination von Instrumenten, die eine Zählung entzündeter Gelenke enthalten, wie CDAI, SDAI, DAS28 (Disease Activity Score auf der Basis von 28 Gelenken) und die EULAR/ACRDefinitionen der Remission. Ist nach 3 Monaten keine Verringerung der Krankheitsaktivität erkennbar, kann das Behandlungsziel wahrscheinlich nicht erreicht werden. Die Experten weisen darauf hin, dass zur empfohlenen Anpassung der Behandlung auch eine Optimierung (Dosis, Applikationsweg) der Behandlung mit Methotrexat (MTX, oder einem anderen csDMARD) sowie eine Ergänzung der medikamentösen Behandlung mit intraartikulären Glukokortikoidinjektionen gehören. Ein Wechsel zu anderen Medikamenten sollte nur erfolgen, wenn diese Massnahmen nicht ausreichend wirksam sind oder nicht vorgenommen werden können.

Empfehlung 4 – MTX ist Medikament der ersten Wahl Methotrexat sollte Bestandteil der ersten Behandlungsstrategie sein. MTX gilt aufgrund seiner Wirksamkeit und Sicherheit weiterhin als Ankermedikament zur Behandlung der RA. Zudem scheint MTX bei RA-Patienten das Risiko für Komorbiditäten und die Mortalität zu verringern. MTX kann als Einzelmedikament oder in Kombination mit anderen Substanzen angewendet werden. MTX sollte – unter Folsäuresupplementierung – rasch bis zu 25–30 mg/Woche hochdosiert werden. Die maximal verträgliche Dosis wird dann über 8 bis 12 Wochen beibehalten.
Empfehlung 5 – alternativ Leflunomid oder Sulfasalazin Bei Kontraindikationen oder frühzeitigen Unverträglichkeiten gegenüber Methotrexat sind Leflunomid oder Sulfasalazin geeignete Alternativen als Medikamente der ersten Wahl. Trotz der guten Verträglichkeit von MTX kommt es mitunter zu Toxizitäten, und bei manchen Patienten liegen Kontraindikationen wie Nieren- oder Lebererkrankungen vor. Bei diesen Patienten können Leflunomid oder Sulfasalazin – wie MTX – als Einzelmedikamente oder in Kombination mit anderen csDMARD oder bDMARD angewendet werden. Von den genannten Substanzen weist nur Sulfasalazin ein akzeptables Sicherheitsprofil in der Schwangerschaft auf.
Empfehlung 6 – csDMARD mit GC kombinieren Bei Beginn mit einem csDMARD oder beim Wechsel zu einem anderen csDMARD sollte zusätzlich eine Kurzzeitbehandlung mit Glukokortikoiden durchgeführt werden. Das Glukokortikoid sollte jedoch so schnell wie möglich wieder ausgeschlichen werden. Die Kombination des csDMARD mit einem GC dient zur Überbrückung, bis das csDMARD seine maximale Wirksamkeit erreicht hat. Daher sollte bei jedem Start mit einem csDMARD ein GC hinzugefügt werden. Beim Beginn mit bDMARD oder tsDMARD ist kein GC erforderlich, da bei diesen Substanzen die Wirksamkeit rasch eintritt und das GC die Infektionsgefahr erhöhen könnte.

In der Fassung von 2013 empfahl die EULAR niedrig dosiertes GC (≤ 7,5 mg) für die Kombination mit einem csDMARD. Da in Studien jedoch eine gute Wirksamkeit kurzfristig applizierter höher dosierter GC (oral, intramuskuläre Injektion, einmalige intravenöse Pulstherapie) beobachtet wurde, überlassen die Experten Dosierung und Applikationsroute jetzt den Rheumatologen und Patienten. Das GC sollte innerhalb der ersten 3 Monate wieder ausgeschlichen werden. Eine langfristige Anwendung – vor allem in Dosierungen > 5 mg/Tag – sollte vermieden werden. Kann das GC innerhalb des empfohlenen Zeitrahmens nicht abgesetzt werden, ist die csDMARD-Therapie als fehlgeschlagen zu betrachten. Bei Entzündungen einzelner Gelenke oder bei Restentzündungen können auch intraartikuläre GC-Applikationen von Nutzen sein.
Empfehlung 7 – csDMARD nach csDMARD Wird das Behandlungsziel mit dem ersten csDMARD nicht erreicht, sollte – wenn keine ungünstigen prognostischen Faktoren vorliegen – ein anderes csDMARD appliziert werden. Im Unterschied zu 2013 wird jetzt zu einem Behandlungsbeginn mit nur einem csDMARD (in Kombination mit GC) geraten, während Kombinationen mehrerer csDMARD als initiale Strategie nicht mehr empfohlen werden. Die Experten weisen darauf hin, dass eine frühe Unverträglichkeit gegenüber einem csDMARD nicht als Fehlschlag interpretiert werden sollte – was einen Wechsel zur nächsten Phase des Behandlungsalgorithmus zur Folge hätte. Liegen keine ungünstigen prognostischen Faktoren vor, wird das unverträgliche erste csDMARD zunächst durch ein anderes erstes csDMARD ersetzt.
Empfehlung 8 – bDMARD oder tsDMARD nach csDMARD Wird das Behandlungsziel mit dem ersten csDMARD nicht erreicht, sollte bei ungünstigen prognostischen Faktoren ein bDMARD oder ein tsDMARD hinzugefügt werden. Derzeit ist der Beginn mit einem bDMARD üblich. Als ungünstige prognostische Faktoren gelten eine mittlere bis hohe Krankheitsaktivität nach

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Behandlung mit einem csDMARD, Akute-PhaseProteine in hohen Konzentrationen, eine hohe Anzahl geschwollener Gelenke, Rheumafaktoren und/oder Antikörper gegen citrullinierte Proteine (ACPA; v.a. bei hohen Serumwerten), Kombinationen der genannten Faktoren, frühzeitig vorhandene Erosionen und ein Versagen von zwei oder mehr csDMARD. Zu den derzeit verfügbaren bDMARD gehören TNF-(Tumornekrosefaktor-)Hemmer (Adalimumab, Certolizumab, Etanercept, Golimumab, Infliximab), der T-Zell-Kostimulations-Inhibitor Abatacept und der IL-(Interleukin-)6-Rezeptor-Blocker Tocilizumab. Zukünftig könnte das Spektrum durch weitere IL-6-Rezeptor-Blocker wie Sarilumab sowie durch IL-6-Inhibitoren wie Clazakizumab oder Sirukumab ergänzt werden. Sarilumab, Sirukumab und Tocilizumab weisen eine vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit auf. Der B-Zell-Antikörper Rituximab ist – wie Infliximab und andere TNF-Hemmer – als Originalbiologikum (boDMARD) und als Biosimilar (bsDMARD) verfügbar. Alle zugelassenen boDMARD und bsDMARD weisen eine vergleichbare Wirksamkeit und Sicherheit auf. Aufgrund der geringeren Kosten sollten bsDMARD bevorzugt werden. Als tsDMARD stehen die JAK-(Januskinase-)Inhibitoren Tofacitinib und Baricitinib zur Verfügung. Die aktuelle Datenlage weist zwar darauf hin, dass Baricitinib möglicherweise wirksamer ist als ein TNF-Hemmer. Da zu den bDMARD jedoch mehr Langzeitdaten verfügbar sind, sollten TNFHemmer den JAK-Inhibitoren derzeit noch vorgezogen werden. Die Experten weisen darauf hin, dass diese Empfehlung nicht auf solider Evidenz, sondern auf ihrer Einschätzung der bestmöglichen Vorgehensweise basiert.

Empfehlung 9 – bDMARD oder tsDMARD mit csDMARD kombinieren bDMARD oder tsDMARD sollten mit einem csDMARD kombiniert werden. Bei Patienten, für die csDMARD nicht als Komedikament geeignet sind, können IL-6-Inhibitoren und tsDMARD gegenüber anderen bDMARD Vorteile aufweisen. Alle bDMARD weisen in Kombination mit MTX eine höhere Wirksamkeit auf als im Rahmen einer Monotherapie. Zur Verbesserung der Wirksamkeit von TNF-Hemmern wird MTX meist in einer Dosierung von 7,5 bis 10 mg angewendet. bDMARD können aber auch mit anderen csDMARD kombiniert werden.
Empfehlung 10 – anderes Medikament derselben Klasse oder Substanz mit anderem Wirkmechanismus Bei Versagen eines bDMARD oder eines tsDMARD sollte eine Behandlung mit einem anderen bDMARD oder einem anderen tsDMARD in Betracht gezogen werden. Bei Versagen eines TNFHemmers können die Patienten einen anderen TNF-Hemmer oder ein Medikament mit anderem Wirkmechanismus erhalten. Zu manchen Medikamentenanwendungen liegt nur eine unzureichende Datengrundlage vor. So ist derzeit nicht bekannt, ob ein JAK-Inhibitor nach Versagen eines anderen JAK-Inhibitors wirksam ist oder ob ein zweiter IL-6-Rezeptor-Inhibitor oder ein IL-6-Inhibitor nach Versagen von Tocilizumab Wirksamkeit zeigt. Des Weiteren sind keine Informationen dazu vorhanden, ob ein TNFHemmer wirksam ist, nachdem bDMARD mit anderen Wirkmechanismen versagt haben. Kann mit einem zweiten TNF-Hemmer kein Behandlungserfolg erzielt werden, empfehlen die Experten eine Substanz mit einem anderen Wirkme-

chanismus. Ein bsDMARD sollte nicht angewendet werden, wenn sich das bDMARD als unzureichend wirksam erwiesen hat (und umgekehrt).
Empfehlung 11 – in Remission Absetzen von bDMARD möglich Bleibt ein Patient nach Ausschleichen des Glukokortikoids in Remission, kann das Ausschleichen eines bDMARD erwogen werden. Dies gilt vor allem, wenn das Medikament mit einem csDMARD kombiniert wurde. Diese Empfehlung übernahmen die Experten unverändert aus der Fassung von 2013. Das bDMARD kann durch eine Reduzierung der Dosis oder eine Verlängerung des Applikationsintervalls schrittweise abgesetzt werden. Kommt es nach dem Ausschleichen zu einem Wiederaufflammen der RA, kann bei der Mehrheit der Patienten (> 80%) bei erneutem Behandlungsbeginn wieder eine Remission erreicht werden. Der Patient sollte jedoch darüber informiert werden, dass dies gelegentlich nicht gelingt.
Empfehlung 12 – Absetzen von csDMARD kontrovers diskutiert Bei anhaltender Remission kann das Absetzen des csDMARD erwogen werden. Diese Empfehlung wurde kontrovers diskutiert. Einige Experten vertraten den Standpunkt, dass csDMARD niemals ganz abgesetzt werden sollten.
x Petra Stölting
Quelle: Smolen JS et al.: EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological diseasemodifying antirheumatic drugs: 2016 update. Ann Rheum Dis 2017, Mar 6, pii: annrheumdis-2016-210715, DOI: 10.1136/annrheumdis-2016-210715.
Interessenlage: Die referierte Studie wurde von der EULAR finanziert. Die Interessenkonflikte der einzelnen Autoren sind online einsehbar (keine Angaben zur Fundstelle im Dokument angegeben).

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