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Mitarbeiterbeurteilungen – worauf ist zu achten?
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Am 16. November 2017 besuchten 45 Ärztinnen, Ärzte und Medizinische Praxisassistentinnen auf Einladung der Brunner Pharma AG, Winterthur, ein Seminar zum Thema «Mitarbeitergespräche und gewaltfreie Kommunikation». Ziel der Veranstaltung war es, den Teilnehmenden den Einstieg in strukturierte Gespräche zu erleichtern und ihnen Hilfestellung bei der Führung von schwierigen Gesprächen zu bieten. Die Referentin, eine erfahrene Human-ResourcesManagerin, erklärte die Hintergründe in einer theoretischen Einleitung und schilderte anhand von Beispielen aus der Praxis Wege zu effizienter, konstruktiver und gewaltfreier Kommunikation im Praxisalltag.
Strukturierte Mitarbeitergespräche Strukturierte Mitarbeitergespräche werden in der Regel einmal jährlich durchgeführt. Das Gespräch wird protokolliert, am besten mithilfe eines Formulars, welches die internen Bedürfnisse abdeckt und auf die jeweilige Praxis und Arbeitsumgebung abgestimmt ist. Die einfache Formel der Abbildung 1 zeigt, wie das strukturierte Mitarbeitergespräch als Instrument zur Steigerung der Arbeitsleistung genutzt werden kann. Wenn der Mitarbeiter über die nötigen Fähigkeiten verfügt (Können), aber nicht motiviert ist (Wollen), kann das direkte Auswirkungen auf seine Arbeitsleistung haben. Ebenso, wenn der Mitarbeiter
Karin Möckli
motiviert ist, aber fachlich nicht genügt. Vielleicht verfügt er aber auch über die Fähigkeiten und ist motiviert, dennoch haben wir ihm bisher nicht ausreichend Aufgaben und Verantwortung übertragen (dürfen). Im strukturierten Mitarbeitergespräch wird alles schriftlich festgehalten: fachliche Qualifikation, persönliche Fähigkeiten, Entwicklungspotenzial, Zufriedenheit. Zudem werden gemeinsam neue Ziele erarbeitet. Die Vereinbarung von Zielen gibt dem Mitarbeitergespräch formellen Charakter. Die Zielsetzung basiert unter anderem auf der Leistungsbeurteilung, dem Potenzial der Mitarbeitenden, den Anforderungen der Praxisleitung und den Veränderungen in der Branche (technische Hilfsmittel, Gesetze etc.). Die Mitarbeiterbeurteilung zeigt jedoch nur nachhaltige Wirkung, wenn sie aus Überzeugung durchgeführt, ernst genommen und regelmässig überprüft wird. Zudem ist ein respektvoller und wertschätzender Umgang wichtig, damit der Feedbacknehmer sein Gesicht wahren kann. Dies hat positive Auswirkungen auf die weitere Zusammenarbeit. Und jeder Mensch strebt nach Anerkennung – schön, wenn diese nicht nur ausgesprochen, sondern auch regelmässig aufs Blatt gebracht wird.
Gewaltfreie Kommunikation Der Autor Marshall B. Rosenberg schildert in seinem Buch (1), wie man kommunizieren kann, ohne sein Gegenüber zu verletzen: «Ohne dass wir es vielleicht beabsichtigen, haben unsere Worte und unsere Art zu sprechen oft Verletzung und Leid zur Folge – bei anderen und auch bei uns selbst. Die gewaltfreie Kommunikation hilft uns, bewusster zuzuhören und unserem Gegenüber respektvolle Aufmerksamkeit zu schenken. Gleichzeitig lernen wir, uns ehrlich und klar auszudrücken.» Er unterteilt die Kommunikation in vier Phasen:
Abbildung 1: Kreislaufkonzept der Mitarbeiterbeurteilung
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1. Phase: Beobachten, ohne zu bewerten Wie oft am Tag bewerten wir Situationen, unsere Mitmenschen oder uns selbst? Es geht blitzschnell; wir beobachten etwas, und schon haben wir unser Urteil gefällt. Wir teilen unseren Mitmenschen unsere Beobachtung mit, verknüpfen
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© fotolia.com – Sven Krautwald
diese mit unserer Bewertung und erwarten sofortige Besserung. Verknüpfen wir Beobachtung mit Bewertung, neigen die Leute eher dazu, Kritik zu hören. Wer hört schon gerne Kritik? Also was sagen wir nun: «Du warst gestern wütend auf mich.» Oder «Du warst gestern grundlos wütend auf mich.» «Wütend» ist eine Beobachtung. Sie lädt zur (Er-)Klärung ein. «Grundlos wütend» ist allerdings eine Beurteilung, wirkt wie ein Angriff und könnte einen Gegenangriff zur Verteidigung provozieren. Sagen wir: «Du hast mich während des Meetings nicht um meine Meinung gebeten.» Oder: «Nie bittest du mich während Meetings um meine Meinung.» Wie Sie bestimmt gemerkt haben, verändert das Wörtchen «nie» die Aussage drastisch zu einer Bewertung.
2. Phase: Gefühle wahrnehmen und ausdrücken Bei der Konfliktlösung ist es hilfreich, wenn wir unsere Gefühle zum Ausdruck bringen. Dabei müssen wir unterscheiden zwischen dem, was wir fühlen, und dem, was wir denken. So sagen wir zum Beispiel nicht: «Ich habe das Gefühl, du liebst mich nicht», weil diese Tatsache nicht dem eigenen Gefühl entspricht. Es drückt vielmehr aus, was der Sprecher über die Gefühle der anderen Person denkt, und nicht, wie er sich selbst fühlt. Besser wäre: «Ich fühle mich verzweifelt», oder «Ich bin traurig, liebst du mich noch?» Anstatt «Du nervst» könnten wir sagen: «Ich fühle mich genervt.» Diese Aussage bezieht sich nicht direkt auf das Gegenüber, sondern darauf, was ihr Verhalten bei mir auslöst.
3. Phase: Bedürfnisse erkennen, akzeptieren und ausdrücken Die dritte Komponente der gewaltfreien Kommunikation besteht aus dem Erkennen und Akzeptieren der Bedürfnisse hinter unseren Gefühlen. Was andere sagen oder tun, kann Auslöser unserer Gefühle sein, ist aber nie ihre Ursache. Ur-
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teile, Kritik, Diagnosen und Interpretationen sind alles entfremdete Äusserungen unserer eigenen Bedürfnisse und Werte. Wenn andere Kritik hören, neigen sie dazu, ihre Energie in Selbstverteidigung oder einen Gegenangriff zu stecken. Je direkter wir unsere Gefühle mit unseren Bedürfnissen in Verbindung bringen können, desto leichter ist es für andere, einfühlsam zu reagieren. So sagen wir deshalb nicht: «Sie verärgern mich, wenn Sie Firmendokumente auf dem Boden im Konferenzraum liegen lassen!», sondern besser: «Wenn Sie Firmendokumente auf dem Boden des Konferenzraums liegen lassen, bin ich verärgert, weil mir wichtig ist, dass interne Vorgänge vertraulich behandelt werden.» Ein anderes Beispiel: Statt «Du nervst, wenn du schreist!» könnten wir sagen: «Ich bekomme Angst, wenn du so laut wirst.» Gefühle und Bedürfnisse auszudrücken, ist nicht immer einfach, zumal es für viele unter uns vielleicht ungewohnt ist, über solche Dinge zu sprechen. Aber Gefühle gehen von Herz zu Herz – es lohnt sich, es auszuprobieren.
4. Phase: Um das bitten, was unser Leben bereichert Es ist dem Zuhörer vielleicht nicht klar, was wir von ihm wollen, wenn wir nur unsere Gefühle ausdrücken. Darum sprechen wir aus, um was wir bitten. Und das tun wir in positiver Handlungssprache. Wir sagen, was wir wollen, und nicht, was wir nicht mehr wollen. Wir kritisieren nicht die Gegenwart, sondern wir sprechen unsere Bitte für die Zukunft aus. So sagen wir zum Beispiel nicht: «Ich will nicht mehr, dass du während der Arbeitszeit mit deinem Handy telefonierst», sondern wir sagen stattdessen: «Ich bitte dich, dein Handy während der Arbeitszeit wegzulegen, damit du dich vollumfänglich auf deine Arbeit und die Patienten konzentrieren kannst.» Das ist nicht immer einfach. Je klarer wir jedoch kommunizieren, was wir vom anderen erwarten, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich unsere Bedürfnisse erfüllen werden.
Gewaltfreie Kommunikation im Praxisalltag Abbildung 2 zeigt ein Beispiel gewaltfreier Kommunikation im Praxisalltag. Situation: Die Mundspatel sind des Öfteren aufgebraucht, wenn der Arzt sie benötigt, um dem Patienten in den Rachen zu schauen. Jedes Mal ruft er seine Praxisassistentin an. Die Praxisassistentin betritt den Raum, der Arzt schaut sie vorwurfsvoll an und denkt: «Wieso muss ich sie jedes Mal anrufen, wenn der Behälter leer ist? Wann merkt sie endlich, dass sie ihn auffüllen sollte, bevor der letzte Spatel verbraucht ist?» Und er wundert sich, weshalb seine Praxisassistentin ihn so gehässig ansieht. Tja, weil sie denkt: «Wieso ruft er mich immer erst an, wenn der Behälter leer ist? Wann lernt er, mich anzurufen, sobald er den letzten ge-
Abbildung 2
nommen hat, und nicht erst, wenn keine mehr da sind?» Bestimmt teilen wir die Auffassung, dass es in dieser Situation eine Abmachung braucht.
Sechs Erfolgselemente für ein nachhaltiges Mitarbeitergespräch: 1. Laden Sie Ihre MPA rechtzeitig zum Gespräch ein. Versor-
gen Sie sie vorgängig mit Ihrem Gesprächsleitfaden. Auch sie muss sich vorbereiten können.
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2. Nehmen Sie sich Zeit fürs Gespräch, und achten Sie da-
rauf, dass Sie nicht gestört werden.
3. Verschaffen Sie sich laufend einen Überblick über die
Leistung Ihrer MPA, nicht erst kurz vor dem Gesprächster-
min. Nur so ist eine angemessene Beurteilung möglich.
4. Nutzen Sie die Gelegenheit ruhig auch einmal für ein all-
gemeines Lob an Ihre MPA. Dass es in einigen wenigen
Details vielleicht nicht ganz rund läuft, darüber soll ja ge-
rade gemeinsam gesprochen werden.
5. Erstellen Sie ein Protokoll, in dem die Vereinbarungen
festgehalten werden.
6. Überprüfen Sie zu den vereinbarten Terminen, ob die be-
sprochenen Ziele erreicht und allfällige Vereinbarungen
eingehalten wurden.
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Korrespondenzadresse: Karin Möckli Eidg. dipl. Leiterin Human Resources Möckli Human Resources GmbH Magdenaustrasse 7 8570 Weinfelden Tel. 071 558 82 41 www.moeckli-hr.ch
Literatur: Marshall B. Rosenberg, Gewaltfreie Kommunikation. ISBN 978-3-87387-454-1.
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