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Titel
Hepatologischer Nachmittag: Diagnostik und Therapie von Lebererkrankungen
Untertitel
Wirksamkeit von pflanzlichen Präparaten
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Obwohl die Leber bekanntlich vor allem in der Nacht aktiv ist, lud die Firma Max Zeller Söhne AG am 11. März zu einem «Hepatologischen Nachmittag» ein. Dabei referierten Fachleute über Diagnostik und Therapie der Hepatitis C, über Leberpunktion versus Fibrosemarker sowie über Komplementärmedizin in der Therapie von Leber- erkrankungen. Der folgende Artikel stellt die Zusammenfassungen der Referate dar.
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1921
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Hepatologischer Nachmittag: Diagnostik und Therapie von Lebererkrankungen
Wirksamkeit von pflanzlichen Präparaten

Obwohl die Leber bekanntlich
vor allem in der Nacht aktiv
ist, lud die Firma Max Zeller
Söhne AG am 11. März zu
einem «Hepatologischen
Nachmittag» ein. Dabei refe-
rierten Fachleute über Dia-
gnostik und Therapie der He-
patitis C, über Leberpunktion
versus Fibrosemarker sowie
über Komplementärmedizin
in der Therapie von Leber-
erkrankungen. Der folgende
Artikel stellt die Zusammen-
fassungen der Referate dar.
Beat Müllhaupt: Hepatitis C: Diagnostik und Therapie – ein Update
PD Beat Müllhaupt, Klinik für Gastroenterologie und Hepatologie, Universitätsspital Zürich, erwähnte in seinem Referat die Häufigkeit der verschiedenen Genotypen des Hepatitis-C-Virus und die Risikofaktoren für eine Infektion. Dann erklärte er die verschiedenen Stadien einer Hepatitis-C-Infektion und nannte die Personengruppen, bei denen eine HCV-Abklärung gemacht werden sollte.

Indikationen für eine Hepatitis-C-Behandlung sind: ◆ Erhöhte Leberenzyme > 6 Monate ◆ HCV RNA positiv ◆ Fibrosis Score (≥ F2 [Metavir], ≥ F3 [Ishak]) ◆ Compliance gegeben ◆ Keine signifikanten Kontraindikationen.
Der Goldstandard einer Behandlung ist beim Genotyp 1 PEG-IFN + Ribavirin während 48 Wochen und bei den Genotypen 2 und 3 PEG-IFN + Ribavirin während 24 Wochen. Wichtige Faktoren für einen Behandlungserfolg sind: Genotypen, RVR, Ausmass der Leberfibrose, Insulinresistenz/Steatose, Alter, Ethnie, Virenlast, Körpergewicht, Geschlecht, Adhärenz und Alkoholüberkonsum. In den letzten Monaten hat sich auch gezeigt, dass der sogenannte «IL28-Polymorphismus» ein weiterer wichtiger Faktor für das Therapieansprechen ist. Anschliessend wurden mögliche Nebenwirkungen einer Ribavirin/Interferon-Behandlung genannt und entsprechende Gegenmassnahmen vorgestellt. Dann stellte der Referent neue Wirkstoffe für eine Hepatitis-C-Therapie vor, die in der präklinischen Phase getestet werden. Darunter hat es neue Interferone, Ribavirinähnliche Substanzen, Proteasen- beziehungsweise Polymerasenhemmer, Immunmodulatoren und weitere Substanzen. Am Schluss ging der Referent noch auf die mögliche positive Wirkung der intravenösen Silibinin-Gabe bei einer HCV-Behandlung ein, das als Zusatzbehandlung zusammen mit RBV + PEG-INF verabreicht wird. Es ist zu hoffen, dass sich die vielen positiven ersten Erfahrungen mit den neuen Therapien im Rahmen von klinischen Studien bald auch in die alltägliche Praxis umsetzen lassen.

Klaus Wehr: nichtinvasive Bestimmung der Leberfibrose – Das Aus für die Leberpunktion?
Dr. med. Klaus Wehr, FMH Gastroenterologie, Hepatologie, Zürich, referierte über Leberpunktion und Fibrosemaker, über die Vor- und Nachteile beider Diagnosemethoden und über nichtinvasive, nichtbiologische Alternativen. Die Leberpunktion ist immer noch der Standard, weil sie sicher ist, Grading und Staging direkt eingeschätzt werden können, der Eisen- und Kupfergehalt bestimmbar sind, weil die Leberpunktion über das Verteilungsmuster der entzündlichen Aktivität Auskunft gibt und die Proben für zukünftige Tests zur Verfügung stehen. Die Leberpunktion bietet dem Pathologen etablierte histologische Beurteilungskriterien mit deskriptiven Qualitätsmerkmalen und numerischen Faktoren. Dann wurden Möglichkeiten vorgestellt, wie eine Leberbiopsie (Nadeldurchmesser, Anzahl Biopsien, Biopsielänge) optimiert werden kann, und mögliche Fehlerquellen erwähnt: Sampling Error, Intraobserver Variation, Interobserver Variation. Weiter stellte der Referent verschiedene Fibrosemarker vor: Diese erfassen die Fibrogenese, den Matrixabbau oder unspezifisch extrazelluläre Matrixproteine (ECM). Die Grenzen und Möglichkeiten einzelner Marker und komplexer Scores in Bezug auf die Bestimmung einer Fibrose beziehungsweise Zirrhose wurden gezeigt. Zur Sprache kamen auch nichtinvasive, nichtbiologische Alternativen: ◆ Fibroscan® (Echosens), wobei die Leber-
steifigkeit durch die Ablenkung einer Vibrationswelle gemessen wird ◆ ARFI®, Acoustic Radiation Force Elastography (Siemens), eine Methode, die in ein handelsübliches Sonogerät integriert werden kann.

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Das Referat wurde folgendermassen zusammengefasst. ◆ Die Leberbiopsie ist weiterhin der Gold-
standard, aber von Perfektion weit entfernt. ◆ Die Leberbiopsie bleibt Standard vor allem bei unklaren sowie Eisen- oder Kupferstoffwechselerkrankungen. ◆ Einzelne direkte und indirekte Serummarker sind für ein Staging nicht ausreichend. ◆ Die Kombination mehrerer Serummarker bringt einen deutlichen Gewinn an Sensitivität und Spezifität. ◆ Die neuen nichtinvasiven Bestimmungen der Leberfibrose (ARFI und Fibroscan) sind mindestens so gut wie die Serummarker. Der Fibroscan ist aufgrund der Kosten nur in speziellen Zentren verfügbar. ◆ Das Acoustic Radiation Force Imaging (ARFI) ermöglicht durch seine Integration in ein handelsübliches Ultraschallgerät eine ambulante, nichtinvasive Messung der Leberfibrose auch beim hepatologisch spezialisierten Gastroenterologen.
Felix Stickel: Komplementärmedizin in der Therapie von Lebererkrankungen
Prof. Dr. med. Felix Stickel, Leitender Arzt Hepatologie, Universitätsspital Bern, referierte über Komplementärmedizin in der Therapie von Lebererkrankungen. Immer mehr Patienten mit hepatologischen Erkrankungen greifen auch zu komplementärmedizinischen Behandlungen. Die Gründe dafür sind der Glaube an die Präventivwirkung und an die Wirksamkeit, die Enttäuschung über die Wirksamkeit traditioneller Präparate und die Furcht vor ihren Nebenwirkungen, der «gute Leumund», der die Komplementärmedizin bei weiten Teilen der Bevölkerung geniesst, und die fehlende Verschreibungspflicht der Komplementärmedizin1. Folgende pflanzliche Präparate beziehungsweise pflanzliche Wirkstoffe werden bei chronischen Leberleiden eingesetzt: ◆ Silymarin ◆ Glyzirrhizin ◆ Phyllantus amarus ◆ Plantago asiatica ◆ Wilkstroemia indica
1 Anm. d. Redaktion: Das Mariendistelpräparat Legalon® ist verschreibungspflichtig.

◆ Compound 861 ◆ Kampo-Präparate ◆ Sho saiko-to (TJ-9).
Silymarin Silymarin, eine Mischung aus den Flavolignan-Isomeren Silibinin, Isosilibinin, Silicristin und Silidianin, die man in den Samenschalen von Sibylum marianum, der Mariendistel, findet, zeigt eine Reihe von positiven Eigenschaften wie: ◆ Protektion der Zellmembranen (Stabili-
sierung der Phospholipide, Rezeptorantagonismus) ◆ Radikalfängereigenschaften und Hemmung der Lipidperoxidation ◆ Aktivierung der RNS-Polymerase II und Steigerung der Hepatozyten-Regeneration (steigert die Proteinbiosynthese) ◆ Hemmung der experimentellen Fibrogenese (Deaktivierung der hepatischen Sternzellen, hebt den hepatischen Retinolsäurespiegel an). Verschiedene Studien überprüften die hepatoprotektive Wirkung von Silymarin bei entsprechenden Intoxikationen wie mit Amanita phalloides, CCl4, Galaktosamin, Alkohol, Ethionin, Paracetamol und Halothan. Diese zeigten unterschiedliche Resultate. Zum Teil wurde zwischen der Silymarin- und der Plazebogruppe kein Unterschied festgestellt, zum Teil wurde in der Silymaringruppe eine signifikant höhere Überlebensrate gegenüber der Plazebogruppe festgestellt. Weiter zeigte sich in gewissen Studien in der Verumgruppe auch eine Verminderung von Bilirubin, ST und ALT. Dies deutet darauf hin, dass aus schulmedizinischer Sicht die Verwendung von Silymarin bei chronischen Lebererkrankungen noch nicht gerechtfertigt ist. Unbestritten hingegen ist die Gabe von Silymarin bei Knollenblätterpilzvergiftung.
Glyzirrhizin (Süssholzwurzel) Wird in Japan häufig gegen Hepatitis C eingesetzt. Es normalisiert die Transaminasen und erhöht die Membranstabilität. Weiter bewirkt es eine Enzyminduktion (GST, Katalasen), besitzt eine antifibrotische Wirkung und erhöht die NK-Zell-Aktivität. Verschiedene klinische Studien zeigen vor allem eine Transaminasensenkung, aber auch eine Mineralkortikoidwirkung, was einen arteriellen Hypertonus auslösen beziehungsweise verschlechtern kann.

Abbildung: Silybum marianum (Carduus marianus), Asteraceae: Mariendistel, Korbblütler
Phyllantus amarus Dieses ayurvedische Arzneimittel enthält als wesentliche Inhaltsstoffe Phyllantin und Hypophyllantin. Die Arzneipflanze hemmt die HBV-Polymerase, die HBs-AgOberflächenexpression und verschiedene Proteinkinasen. Eine klinische Studie mit 60 HBs-Ag-positiven Patienten aus dem Jahr 1988 zeigt in der Verumgruppe eine viel höhere Hbs-Ag-Elimination als in der Plazebogruppe. Das Ergebnis wurde allerdings nie bestätigt beziehungsweise mit neueren virologischen Parametern validiert.
Plantago asiatica Diese Wegerichart hemmt in vitro und in vivo die HBV-Replikation. In einer klinischen Studie mit 40 Patienten senkte Aucubin, der Hauptinhaltsstoff von Plantago asiatica, (10 mg/kg KG i.v.) innert 28 Tagen die HBV-Virenlast um 10 bis 40 Prozent. Langzeitdaten fehlen allerdings.
Compound 861 Ist ein TCM-Präparat, bestehend aus 10 verschiedenen Kräuterextrakten (u.a. Salvia, Astralagus, Spatolobus). In vitro hemmt es die Coll. I, III und IV, die TGF-Beta1-mRNA, die Sternzellenproliferation, und erhöht die MMP1-mRNA. Im Tiermodell konnte eine Fibrosehemmung (CCl4, Albumin, DMH) gezeigt werden. Mit dem Compund 861 wurde in zwei klinischen Studien eine Senkung von Fibrosesurrogatmarkern (Lami-

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nin, PIIINP) und eine Besserung der Fibrose nachgewiesen.
Kampo-Präparate Das sind verschiedene japanische Kräutermischungen, die durch Aktivierung von Makrophagen und eine zytostatische wie auch antivirale Wirkung bei chronischen Leberschäden eine positive Wirkung zeigen. Dasselbe kann von ayurvedischen Kräutermischungen (Liv 52, Wilkstroemia indica, Picrorrhzica kurroa) gesagt werden. Das Problem bei diesen asiatischen Kräutermischungen besteht aber darin, dass meistens eine unzureichende Charakterisierung und Standardisierung vorliegt, es sich um komplexe Kräutergemische handelt und die Publikationen über die Wirksamkeit in oft schwer zugänglichen Journalen gemacht werden.
Sho saiko-to Sho saiko-to ist ein Gemisch aus asiatischen Kräutern, das gegen Leberschäden eingesetzt wird. Verschiedene tierexperimentelle Studien zeigen bei unterschiedlichen Schädigungsmodellen positive Resultate, und in der chinesisch-japanischen

Fachliteratur werden zahlreiche klinische Beobachtungen berichtet, die eine Wirksamkeit bei chronischen und akuten Leberschäden suggerieren. Die Qualität dieser Studien ist jedoch mangelhaft, sodass derzeit kein Beleg existiert, dass Sho saiko-to tatsächlich klinisch wirksam ist.
Probleme pflanzlicher Arzneimittel bei Lebererkrankungen ◆ Häufig nur In-vitro-/In-vivo-Daten ver-
fügbar (klinische Studien teuer; kein Patentschutz; niedrige Gewinnmargen) ◆ Unscharfe Patientencharakterisierung (Ein- und Ausschlusskriterien) ◆ Inadäquate Randomisierung ◆ Keine harten Endpunkte (Histologie, Überleben); stattdessen Surrogatmarker (Leberwerte, «Fibrosemarker») ◆ (Häufig) ungenügende Charakterisierung der Präparate ◆ Niedrige Fallzahl, zu kurze Therapie ◆ Publikations-Bias (Nicht-Publikation negativer Studien).
Hepatotoxische Phytopharmaka Der Referent erwähnte, dass es auch pflanzliche Präparate gibt, die erhebliche

Leberschäden bewirken können. Dazu gehören unter anderem verschiedene chinesische Kräuter, aber auch Pyrrolizidinalkaloid-haltige westliche Arzneipflanzen wie Symphytum officinalis oder Senecio longilobus. Dann stellte er die Chronologie der KavaKava-bedingten Leberschäden vor, die 2002 zum Entzug der Zulassung von allen Kava-Kava-Präparaten geführt hat.
Zusammenfassung Die Zusammenfassung des Referates lautete: ◆ Der Verbrauch von Arzneimitteln aus
Pflanzen steigt stark. ◆ Phytopharmaka können wirksame (aber
auch hochtoxische) Wirkstoffe enthalten. ◆ Die Charakterisierung der aktiven Substanzen und ihre Standardisierung sind ein zentrales Problem. ◆ Gute klinische Studien sind rar. ◆ Aus schulmedizinischer Sicht haben Phytopharmaka derzeit noch keinen festen Stellenwert in der Behandlung chronischer Lebererkrankungen. ◆

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