Transkript
EDITORIAL NOBELPREISTRÄGER DER PHYSIOLOGIE ODER MEDIZIN
1909: Theodor Kocher (Schweiz)
Der erste Schweizer Nobelpreisträger für Physiologie oder Medizin
«… für seine Arbeiten über Physiologie, Pathologie und Chirurgie der Schilddrüse»
Theodor Kocher (1841–1917) Foto: L. Zumbühl, Bern
Emil Theodor Kocher wurde 1841 in Bern als Sohn von Jakob Alexander Kocher, Oberingenieur des Kantons Bern, geboren. Er absolvierte das Gymnasium in Burgdorf und studierte Medizin an der Universität Bern, wo er 1865 mit dem Staatsexamen und 1866 mit der Promotion abschloss. Während eines Gastsemesters an der Universität Zürich lernte er den Chirurgen Theodor Billroth kennen, der sein Lehrer wurde. Auf einer Studienreise 1865/66 nach Berlin, London und Paris lernte er seine Vorbilder Rudolf Virchow, Bernhard von Langenbeck und Thomas Spencer Wells kennen. Zurück in Bern, wurde Kocher 1866 für Chirurgie habilitiert und arbeitete als Assistent bei Albert Lücke. 1869 eröffnete er eine eigene Praxis. Eine neue Methode der Schultereinrenkung bescherte Kocher internationale Bekanntheit. 1872 wurde er als Nachfolger Lückes zum ordentlichen Professor für Chirurgie berufen. Theodor Kocher war mit Maria Witschi verheiratet. Das Paar hatte drei Söhne, von denen der älteste, Albert, als Assistenzprofessor für Chirurgie seinen Vater bei dessen Arbeit unterstützte. Theodor Kocher begann seine wissenschaftliche Arbeit mit einer Reihe von Artikeln über Hämostase bei Verdrillung von Arterien. Als er seine chirurgische Laufbahn antrat, fand gerade ein Wechsel zwischen den althergebrachten septischen zu den neuartigen antiseptischen Behandlungsmethoden statt, die Kocher zu seiner Hauptaufgabe machte. Er entwickelte eine Reihe von Wundbehandlungsmethoden, später entwickelte er die ersten aseptischen Wundversorgungen. Durch seine Arbeit als Ausbilder für Militärärzte bekam Kocher ausserdem Einblick in die Behandlung von Schuss-
wunden und machte dies zu einem weiteren Schwerpunkt seiner Arbeit. Neben der Wund- und Bruchbehandlung stellte die Chirurgie der inneren Organe einen wesentlichen Teil seiner Arbeit dar, etwa die Operation bei Magen- und Darmerkrankungen. Nach ihm ist das Kocher-Manöver benannt, mit dem man den Zwölffingerdarm von Verwachsungen lösen kann. Ebenso entwickelte er eine Reihe von chirurgischen Instrumenten, nicht zuletzt die nach ihm benannte KocherKlemme. Spätere Ziele seiner Arbeit waren das Gehirn, die männlichen Geschlechtsorgane und schliesslich die Schilddrüse, zu deren Physiologie und Pathologie er gänzlich neue, kontrovers diskutierte Hypothesen und Ergebnisse darstellte. Dieser letzte Schwerpunkt brachte ihm 1909 den Nobelpreis für Physiologie oder Medizin ein. Bereits 1876 führte er die erste Strumektomie durch. Die Stadt Bern ehrte Theodor Kocher in unterschiedlicher Form. Kurz nach seinem Tod wurde die Inselgasse in Kochergasse umbenannt. 1927 erhielt Cuno Amiet den Auftrag, die Aula im Gymnasium Kirchenfeld mit fünf grossen Bernern auszugestalten. Das oberste Bild zeigt Theodor Kocher. 1941 vermachte Kochers Sohn Albert testamentarisch der Öffentlichkeit ein Gelände an der Belpstrasse in Bern mit der Massgabe, daraus einen Park zu gestalten. Dieser Kocherpark wurde am 19. September 1944 eröffnet. In ihm steht die vom Bildhauer Max Fueter geschaffene Büste des Namensgebers. Eine weitere Büste steht beim Haupteingang des Inselspitals.
Richard Altorfer
Der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin wird seit 1901 jährlich vergeben und ist seit 2012 mit 8 Millionen Schwedischen Kronen (ca. 813 000 Euro) dotiert. Die Auswahl der Laureaten unterliegt dem Karolinska-Institut. Der Stifter des Preises, Alfred Nobel, verfügte in seinem Testament (1895), der Nobelpreis für Physiologie oder Medizin solle demjenigen zuerkannt werden, «der die wichtigste Entdeckung in der Domäne der Physiologie oder Medizin gemacht hat». Der Nobelpreis wird jedes Jahr am Todestag Alfred Nobels, dem 10. Dezember, vom schwedischen König überreicht. Seit der ersten Nobelpreis-Verleihung wurden (Stand 2017) insgesamt 211 Personen ausgezeichnet, 199 Männer und zwölf Frauen. Der Preis wurde 39-mal ungeteilt an eine Person vergeben, 32-mal wurde er zwischen zwei und 36-mal zwischen drei Personen aufgeteilt. Neunmal wurde der Preis nicht verliehen.
ARS MEDICI DOSSIER IV | 2018
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