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Lebenswerk-Preis der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie
Cornel Sieber für Verdienste in der Altersmedizin geehrt
Die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie (DGG) hat Prof. Cornel Sieber für sein Engagement in der Altersmedizin mit dem Lebenswerk-Preis ausgezeichnet. Damit würdigt die Fachgesellschaft einen Arzt und Forscher, der die Geriatrie in Europa über Jahrzehnte als Wissenschaftler, Brückenbauer und Fürsprecher der älteren Generation massgeblich geprägt hat. Der gebürtige Basler führte die DGG von 2005 bis 2008 als Präsident und stärkte in dieser Zeit die Professionalisierung und Sichtbarkeit des Fachs. Von 2001 bis 2013 leitete er die Geriatrie am Klinikum Nürnberg, anschliessend die Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Geriatrie in Regensburg. Seit 2019 ist er am Kantonsspital Winterthur tätig, zuletzt als Chief Medical Officer.
Schnelle und einfache Diagnose
Mit Kaugummi Grippe selbst erschmecken
Eine Influenza ist nicht nur lästig, sondern verursacht weltweit jährlich rund eine halbe Million Todesfälle. Und sie ist bereits ansteckend, bevor sich Symptome bemerkbar machen. Was wäre, wenn man Grippeviren einfach mit einem Kaugummi oder Lutscher nachweisen könnte? Genau das haben Forscher der Julius-Maximilians-Universität Würzburg zusammen mit Teams aus Braunschweig und Köln entwickelt. Ihr neues Diagnosetool nutzt ein Sensormolekül, das im Speichel infizierter Personen mit Enzymen der Grippeviren reagiert und einen Geschmacksstoff freisetzt. So lässt sich eine Infektion ohne Labor, Strom oder medizinisches Personal in wenigen Minuten erkennen. Das System kombiniert ein Sensormolekül, hier den Naturstoff Thymol, mit einem virusspezifischen Zuckerbaustein. Bei Kontakt mit aktiven Influenzaviren wird Thymol freigesetzt und erzeugt einen deutlich wahrnehmbaren Geschmack. Statt auf teure und komplizierte Tests setzen die Forscher auf den menschlichen Geschmackssinn als natürliches Frühwarnsystem, erklärt Studienleiter Prof. Dr. Lorenz Meinel vom Lehrstuhl für Pharmazeutische Technologie und Biopharmazie, Universität Würzburg.
Foto: ©Torben Brinkema Abbildung: ©Christoph Mett
Ausgezeichnet für sein Lebenswerk: Professor Cornel Sieber (re.)
Prof. Siebers Forschungsschwerpunkte reichen von Versorgungsforschung und Ernährungsmedizin über Polypharmazie und Gebrechlichkeit bis hin zu Sarkopenie und Palliativmedizin. Er gilt als Mentor zahlreicher Nachwuchsmediziner und hat als Präsident nationaler und europäischer Fachgesellschaften, darunter die European Geriatric Medicine Society (EuGMS), entscheidende Impulse für die internationale Vernetzung der Altersmedizin gesetzt.
«In der Geriatrie verbinden sich höchste wissenschaftliche Ansprüche mit tiefem menschlichem Engagement. Sie stellt den ganzen Menschen in den Mittelpunkt – mit all seinen individuellen Lebensgeschichten, Erwartungen und Bedürfnissen», so Prof. Sieber. Die Auszeichnung verstehe er als Anerkennung gemeinsamer Anstrengungen, der Altersmedizin jene Bedeutung zu geben, die sie verdiene – wissenschaftlich, praktisch und gesellschaftlich. Mü/DGG
Medienmitteilung der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) vom 19. September 2025
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Wenn eine infizierte Person den Kaugummi kaut, werden durch Virenenzyme Geschmacksstoffe freigesetzt, die den Infekt anzeigen.
Das Verfahren ist flexibel: Geschmack und Erkennungs-
bausteine können variiert und auf unterschiedliche Erreger
angepasst werden, zum Beispiel auch an bakterielle Infek-
tionen. Ziel ist eine einfache, kostengünstige und kindge-
rechte Diagnostik, die überall verfügbar ist. Derzeit arbeitet
das Team daran, die Sensoren in Kaugummis oder Lutscher
zu integrieren und für eine Massenproduktion zu optimieren.
Besonders Schulen, Kindergärten oder Altersheime könnten
davon profitieren, vor allem Regionen mit begrenztem Zu-
gang zu Labordiagnostik. Langfristig soll das System auch
epidemiologisch nutzbar sein: Positive Testergebnisse könn-
ten anonymisiert per App gemeldet und mithilfe künstlicher
Intelligenz ausgewertet werden, um die Ausbreitung von
Grippeviren in Echtzeit zu verfolgen und allenfalls frühzei-
tige Vorsichtsmassnahmen zu ermöglichen.
Mü
Medienmitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg vom 2.10.2025 Zur Originalpublikation: A Viral Neuraminidase-Specific Sensor for Taste-Based Detection of Influenza. ACS Central Science, 1. Oktober 2025, Open Access, https://doi.org/10.1021/acscentsci.5c01179
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© Soft Robotics Laboratory / ETH Zürich
Protonenpumpenhemmer
Langzeitgebrauch erhöht Risiko für Bluthochdruck in der Postmenopause
Protonenpumpenhemmer (PPI) gehören zu den am häufigs-
ten eingesetzten Medikamenten gegen Magenbeschwerden.
Eine grosse US-amerikanische Kohortenstudie zeigt nun,
dass ein langfristiger Gebrauch das Risiko für Bluthoch-
druck deutlich erhöhen kann.
Im Rahmen der Women’s Health Initiative Observational
Study wurden Daten von 64 720 postmenopausalen Frau-
en ohne vorbestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder
Hypertonie ausgewertet. Nach durchschnittlich 8,7 Jahren
entwickelten 28 951 Teilnehmerinnen eine behandlungs-
bedürftige Hypertonie. Frauen, die zu Studienbeginn PPI
einnahmen, hatten ein um 17% höheres Risiko, an Bluthoch-
druck zu erkranken, als Nichtanwenderinnen. Auch die Dauer
der Einnahme spielte eine Rolle: Je länger die PPI verwendet
wurden, desto stärker stieg das Risiko. Nach mehr als drei
Jahren lag es um 28% höher als bei Nichtanwenderinnen.
Neue PPI-Anwenderinnen wiesen zudem innerhalb von
drei Jahren einen Anstieg des systolischen Blutdrucks um
durchschnittlich 3,4 mm Hg auf.
Die Forscher vermuten als Mechanismus eine vermin-
derte Bildung von Stickstoffmonoxid (NO), einem wichtigen
gefässerweiternden Molekül. PPI hemmen die Produktion
der Magensäure, die für die Umwandlung von Nitrit zu NO
nötig ist. Zudem könnten endotheliale Funktionsstörungen
durch den Langzeitgebrauch die Blutdruckregulation be-
einträchtigen.
Die Autoren betonen, dass PPI wichtige Medikamente
seien, jedoch häufig zu lange eingenommen würden. Da die
meisten Indikationen nur eine Behandlungsdauer von 4 bis
8 Wochen erfordern, sollte die Dauer der Verschreibung
sich an den diesbezüglichen Leitlinien orientieren.
Ihr Fazit: Die Einnahme von Protonenpumpenhemmern
über länger als ein Jahr steht bei postmenopausalen Frauen
in Zusammenhang mit einem erhöhten Risiko für Bluthoch-
druck – umso mehr, je länger die Einnahme erfolgt. Daher
empfehlen sie regelmässige Blutdruckkontrollen sowie eine
Überprüfung der Therapiedauer.
Mü
Quelle: Soliman AI et al. Proton Pump Inhibitor Use and Incident Hypertension in Menopausal Women. Journal of the American Heart Association 2025; 14:e040009.
Myokardinfarkt
Herzpflaster aus dem 3D-Drucker soll Heilung fördern
Nach einem Herzinfarkt kann es in schweren Fällen zu einem Riss in der Herzwand kommen, der einen unmittelbaren operativen Eingriff erfordert. Zum Verschluss eines solchen Defekts werden heute Pflaster aus Rinderherzbeuteln eingesetzt. Diese sind zwar stabil und gut zu implantieren, aber nicht biologisch abbaubar; als Fremdkörper können sie Entzündungen, Thrombosen oder Verkalkungen verursachen. Forscher der ETH Zürich und des Universitätsspitals Zürich haben nun eine Alternative entwickelt: ein biologisch abbaubares Herzpflaster, das nicht nur verschliesst, sondern dazu beiträgt, den Defekt zu beheben. «Mit unserem Patch wollten wir dieses Problem lösen und ein Pflaster schaffen, das sich in das bestehende Herzgewebe integriert», erklärt Lewis Jones, Erstautor der Studie.
3D-gedrucktes Gerüst, das im Herzgewebe kontrahiert
Das sogenannte «Reinforced Cardiac Patch» (RCPatch) be-
steht aus drei funktionalen Schichten: einem feinmaschigen
Abdichtungsnetz, einem stabilisierenden 3D-gedruckten Ge-
rüst und einem Hydrogel, das mit Herzmuskelzellen angerei-
chert ist. Diese Kombination ermöglicht es, geschädigtes Ge-
webe mechanisch zu stützen und gleichzeitig körpereigene
Reparaturprozesse zu aktivieren. Das Stützgerüst besteht aus
abbaubaren Polymeren, die sich nach und nach im Körper
auflösen. Zurück bleibt funktionelles, neues Herzgewebe.
Im Tierversuch konnte das Team um Prof. Robert Katz-
schmann, ETH Zürich, und Prof. Omer Dzemali, Universitäts-
spital Zürich, zeigen, dass sich der RCPatch gut implantieren
lässt und den Druckverhältnissen im Herzen standhält. Blu-
tungen wurden verhindert, die Herzfunktion konnte wieder-
hergestellt werden. Auf dieser Grundlage könnte die For-
schungsgruppe ein implantierbares, mechanisch verstärktes
und gewebebasiertes Herzpflaster für Menschen entwickeln,
mit der Perspektive, Herzgewebe sogar zu regenerieren. Be-
vor der RCPatch am Menschen eingesetzt werden kann,
sind jedoch weitere präklinische Studien nötig, um Stabili-
tät und Langzeitwirkung zu prüfen.
Mü
Medienmitteilung der ETH Zürich vom 6. August 2025 Zur Originalstudie: Jones LS et al.: Volumetric 3D Printing and Melt-Electrowriting to Fabricate Implantable Rein-forced Cardiac Tissue Patches, Advanced Materials. doi: https://doi.org/10.1002/adma.202504765
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