Transkript
EDITORIAL
Mehr als nur den Blutzucker senken
Einen Patienten mit Diabetes mellitus zu behandeln, bedeutet heute weit mehr, als nur dessen Blutzucker werte im Auge zu behalten. Unser Ver ständnis der Erkrankung hat sich in den letzten Jahren erweitert: Moderne Inkretin mimetika senken nicht nur den Blutzucker, sondern fördern auch den Gewichtsverlust und schützen das Herz. SGLT2-Hemmer bringen auch bei gebrechlichen Patienten renale und kardiovaskuläre Vorteile. Und der Nutzen einer kontinuierlichen Glukose messung zeigt sich auch bei Patienten mit einem Typ-2-Diabetes – sogar ohne Insu lintherapie. Diese Erkenntnisse machen eines klar: Es reicht nicht mehr, allein auf den HbA1c zu schauen. Kardiovaskuläre Risiken, renale Schutzfaktoren, psychische Belastungen, Sexualfunktion und allfällige Hautverän derungen gehören zu einer differenzierten Beurteilung und Beratung. Und das betrifft nicht nur Spezialisten, sondern auch Grund versorger, die in viele Überlegungen und Entscheidungen rund um die Erkrankung eingebunden sind. Neben medizinischen Fragen spielen ethische Aspekte eine Rolle, wie eine Dis kussion um das Typ-1-Diabetes-Screening bei Kindern gezeigt hat, die am Jahreskon gress der Deutschen Diabetes Gesellschaft in Berlin geführt wurde. Gleichzeitig rückt die Adipositas – eine der Hauptursachen
für Typ-2-Diabetes – mit neuen Behand lungsmöglichkeiten stärker in den Fokus: mit einem klaren Appell zur gezielten Ge wichtsreduktion als therapeutischem An satz. Beim AGLA-Kurs Klinische Lipidologie erinnerten Experten zudem daran, erhöhte Lipidwerte, oft in der Folge eines Diabetes mellitus, konsequent zu behandeln.
Auch die Versorgung chronischer Wunden bleibt, nicht nur bei Diabetes, ein komplexes Thema. Neue Hautersatzprodukte bringen Fortschritte, doch entscheidend bleibt das Erkennen und Behandeln der zugrunde liegenden Ursachen – oft ein Zusammen spiel aus Gefässproblemen, Neuropathie und metabolischen Faktoren.
Diese Ausgabe bietet praxisnahe Einbli cke in die moderne Diabetestherapie. Sie zeigt, wie wichtig es ist, Zusammenhänge zu berücksichtigen, individuelle Verläufe zu begleiten und neuen Entwicklungen Raum zu geben. Denn gute Diabetologie bedeutet heute, den Menschen als Ganzes zu sehen.
Wir wünschen eine anregende Lektüre.
Ihre Christine Mücke
ars medici 13 | 2025 415