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Titel
Gastroenterologie – Darmflora verändert Psyche
Untertitel
Interview mit Prof. Stephan Vavricka Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie Zürich
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Datum
Autoren
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Rubrik
Rückblick 2018/Ausblick 2019
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Artikel-ID
39125
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Rückblick 2018/Ausblick 2019

Gastroenterologie
Prof. Stephan Vavricka Zentrum für Gastroenterologie und Hepatologie Zürich
Darmflora verändert Psyche
Welche neuen Erkenntnisse des letzten Jahres in Ihrem Fachgebiet fanden Sie besonders spannend?
Das Thema der Stuhltransplantation finde ich sehr spannend, weil es die Erkenntnis vertieft, dass es eine Darm-Hirn-Kommunikation gibt. Und es immer mehr den Anschein macht, dass das Mikrobiom die Psyche in irgendeiner Art und Weise verändert. Wenn man bedenkt, dass jede zehnte Person Psychopharmaka einnimmt, finde ich das Konzept interessant, dass psychische Erkrankungen eines Tages möglicherweise über einen ganz anderen therapeutischen Mechanismus behandelt werden könnten als bis anhin, namentlich mit der Veränderung des Mikrobioms. Diese erreicht man beispielsweise mit Probiotika, mit Stuhltransplantation oder über eine veränderte Ernährung. Das FODMAP-Konzept zielt ja in diese Richtung, indem versucht wird, mit einer FODMAP-armen Ernährung das Mikrobiom so zu verändern, dass diese Nahrungsmittel später auch wieder besser vertragen werden können.
Wurden 2018 in Ihrem Fachbereich Medikamente zugelassen, die die Therapie erheblich verbessern?
In der Hepatitis-C-Therapie ist es heute möglich geworden, mit einem einzigen Präparat wie beispielsweise Maviret® die Erkrankung innert 8 bis 12 Wochen zur Ausheilung zu bringen. Das ist eigentlich der grösste Erfolg in der Geschichte der Gastroenterologie. Ein weiterer Meilenstein sind die neuen Biologika

zur Behandlung von chronisch entzündlichen Erkrankungen. Dazu zählt beispielsweise der Interleukin-12/23-Inhibitor Stelara®, der das therapeutische Armamentarium erheblich erweitert. Auch Biosimilars sind eine Neuerung, die eine Therapie mit Biologika zu günstigeren Preisen ermöglichen. Wir werden in naher Zukunft aufgrund von Kostenüberlegungen öfter mit der Frage konfrontiert sein, ob und wann eine Therapie mit einem Biosimilar angezeigt ist.
Auf welche Studienresultate sind Sie für 2019 besonders gespannt?
Auf dem Gebiet der Januskinaseinhibitoren laufen im Moment viele Studien mit verschiedenen Substanzen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen. Ich bin sehr gespannt zu sehen, wie sie abschneiden werden. Ein JAK-Inhibitor hat jüngst die Marktzulassung für die Indikation Colitis ulcerosa bekommen. Das ist Tofacitinib, das bei rheumatoider Arthritis schon länger eingesetzt wird.
Und was «fürchten» Sie am meisten?
Mikrobiomforschung ist ein spannendes Gebiet, man weiss aber noch nicht viel darüber. Sie ist in aller Munde. Das hat unter anderem dazu geführt, dass stuhlbakteriologische Untersuchungen zwecks Mikrobiomanalyse in Mode gekommen sind. Diese werden von irgendwelchen alternativmedizinischen Instituten für viel Geld angeboten. Der praktische Wissenszuwachs einer solchen Analyse ist aber nicht wirklich gross, und es lässt sich daraus für den Patienten keine Handlungsanweisung ableiten. Meine Sorge ist tatsächlich, dass vermehrt Patienten mit solchen Resultaten zu mir kommen und von mir einen Kommentar dazu möchten. Eine zweite Sorge betrifft die Biosimilars. In den nächsten Jahren werden fünfzehn Biosimilars allein von Adalimumab auf den Markt kommen. Bei dieser Anzahl den Überblick zu behalten, wird schwierig.

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Rückblick 2018/Ausblick 2019

Was ist Ihre wichtigste Message für die Kolleginnen und Kollegen in der Hausarztpraxis 2019?
Es ist mir ein Anliegen zu sagen, dass ich wie auch meine Fach-
kollegen an einer guten Zusammenarbeit mit den Hausärzten
interessiert sind. Ich finde es wichtig, dass man eine Therapie im

Team angeht. Dazu dürfen weder Gastroenterologen noch

Hausärzte Hemmungen haben, einander zu kontaktieren, um

eine möglichst ideale Betreuung des Patienten gewährleisten zu

können.

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