Transkript
Generika – Margen – Tarife: Quo vadis Selbstdispensation?
Die Selbstdispensation (SD) ist in der Deutschschweiz gut verankert. An eine Abschaffung, wie sie vor Jahren von einzelnen Exponenten gefordert wurde, ist nicht mehr zu denken. Neue Themen beherrschen dafür das politische Umfeld. Es sind dies die geplante Einführung von Referenzpreisen für Generika, eine neue Abgeltung der Abgabe sowie zu definierende neue Schnittstellen bei der interprofessionellen Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Apothekern.
Dr. Sven Bradke, Geschäftsführer der Ärzte mit Patientenapotheke
Seit dem 1. Januar zählt Schaffhausen zu den Kantonen mit Selbstdispensation. 17 von 19 Deutschschweizer Kantonen setzen heute auf die ärztliche Medikamentenabgabe. Auch in den «Mischkantonen» Graubünden und Bern geben 208 respektive 395 Ärzte ihren Patienten Medikamente ab. Insofern ist die Selbstdispensation in der Deutschschweiz nicht nur sehr beliebt, sondern auch gut verankert. Verschiedene Abstimmungen der letzten Jahre haben hierfür gesorgt.
SD-Ärzte auch in der Westschweiz?
In der Westschweiz und im Tessin sind leider nur vereinzelte SD-Ärzte anzutreffen. Den dortigen Medizinern erwächst nun neue Konkurrenz. Sollen die Apotheker nach dem revidierten Heilmittelgesetz (HMG) doch bald schon verschreibungspflichtige Medikamente rezeptfrei abgeben dürfen. Sie übernehmen so einen Teil der medizinischen Grundversorgung. Die Ärztinnen und Ärzte der französisch- und italienischsprachigen Schweiz dürfen sich deshalb berechtigte Gedanken über eine allfällige Einführung der Selbstdispen-
sation in ihrer Region machen. Die gesetzlichen Voraussetzungen wären auf Bundesebene gegeben. Für die SD-Ärzte sind aktuell aber andere «Baustellen» von Bedeutung: beispielsweise die Einführung von Referenzpreisen für Generika, eine Anpassung der Vertriebsmarge sowie tarifliche Reformen.
Generika-Substitution
Referenzpreise waren auch an unserer Informationsveranstaltung vom 1. März in Zürich ein Thema. Als Vertreter der Intergenerika erläuterte Andreas Bosshard, General Manager von Teva/Mepha Schweiz, verschiedene Modelle. Referenzpreise sind definierte Höchstpreise, die von den Versicherern für bestimmte Medikamente oder Medikamentengruppen vergütet werden. Ist der Medikamentenpreis eines Generikums höher als der Referenzpreis, ist das jeweilige Medikament durch ein therapeutisch gleichwertiges, anderes Generikum zu ersetzen, oder der Patient berappt den Differenzbetrag aus eigener Tasche.
Gefährdete Therapietreue
Den Ärzten sind dabei die Hände gebunden. Sie verlieren im Falle von Referenzpreissystemen die Verschreibungsfreiheit und müssen dem Patienten einen Wechsel des Präparats empfehlen, das möglicherweise sogar zu unerwünschten Wirkungen führt. Ob solche Therapiewechsel die Gesundheitskosten tatsächlich reduzieren, ist eher fraglich. Aus Sicht von Andreas Bosshard gefährden solche Referenzpreise sogar die Versorgungssicherheit. Könnten gewisse Anbieter bei einem zu starken Preiszerfall doch möglicherweise die Vermarktung einzelner Arzneimittel einstellen. Intergenerika empfiehlt deshalb, das heutige Preismodell für Generika beizubehalten, aber mit einer verbesserten Margenordnung «gleich lange Spiesse» zu schaffen. Sodass es sich für Ärzte und Apotheken lohnt, anstelle eines Originalpräparats ein Generikum abzugeben. Eine Forderung, die wir in dieser Form unterstützen.
Abbildung 1: V. l. n. r.: Dr. rer. publ. HSG Sven Bradke, APA-Geschäftsführer, Prof. Dr. med. Thomas D. Szucs, Verwaltungsratspräsident Helsana und Vizepräsident curafutura, Dr. med. Jürg Schlup, Präsident der FMH, Dr. med. Urs Stoffel, Mitglied des Zentralvorstands der FMH.
Neue Vertriebsmarge
Apropos Marge, das Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat
uns zu einer Präsentation eingeladen, an der eine Anpassung
der Vertriebsmarge vorgestellt werden soll. Dies, um un-
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Abbildung 2: Mit 120 Teilnehmenden war die öffentliche Informationsveranstaltung zum Thema «Generika – Margen – Tarife: Quo vadis Selbstdispensation?» wiederum ein voller Erfolg.
erwünschte Anreize bei der Medikamentenabgabe zu verhindern und somit Kosten einzusparen. Die Vertriebsmarge setzt sich heute aus einer prozentualen und einer fixen Marge auf den staatlich festgelegten Fabrikabgabepreis zusammen. Dr. med. Urs Stoffel, Mitglied des Zentralvorstandes der FMH, vermutet, dass das BAG nun nach dem Vertriebskanal getrennte Margen vorschlagen könnte. Also preisunabhängige und kanalspezifische Abgeltungen für Ärzte und Apotheker.
Neue Abgeltung für die SD-Ärzte
Wir werden uns selbstverständlich Gedanken darüber machen, wie die ärztliche Medikamentenabgabe alternativ über TARCO und/oder über kantonale Taxpunktwert-Anpassungen abgegolten werden könnte. Mit dem Tarifverantwortlichen Urs Stoffel haben wir ja diesbezüglich einen Experten am Tisch. Denn eine «Gratisabgabe» kommt sicher nicht infrage. Solche Medikamente können der Preisüberwacher und der BAG-Direktor allein austragen.
Wer ist die APA?
Die Vereinigung der Ärzte mit Patientenapotheke (APA) setzt sich für eine sichere, qualitativ hochstehende und günstige Medikamentenversorgung der Patientinnen und Patienten ein. Hierbei vertritt sie die Interessen der selbstdispensierenden Ärzte gegenüber der Politik, der Industrie und den Grossisten. Die APA ist als Verein organisiert und umfasst 1000 Mitglieder. Für APA-Mitglieder ist das Handbuch «Qualitätssicherung in der Praxisapotheke» kostenlos. Zudem erhalten Sie ein sogenanntes Protokollheft. Darin sind alle Protokolle aus dem Handbuch enthalten.
Werden auch Sie bei uns Mitglied. Füllen Sie das Anmeldeformular auf unserer Webseite aus (www.patientenapotheke.ch). Oder kontaktieren Sie uns via E-Mail, Telefon oder Fax (info@patientenapotheke.ch, Tel. 071 246 51 40 / Fax 071 246 51 01).
Ärzte mit Patientenapotheke (APA) Kolumbanstrasse 2 9008 St. Gallen
Neue LOA für die Apotheker?
Die Apotheker versuchen ihre heutige Marge über eine neue
leistungsorientierte Abgabe (LOA) zu sichern. Die Helsana
wird sie dabei offenbar unterstützen, wie Prof. Dr. med. Tho-
mas D. Szucs verlautbarte. Müsse die heutige leistungsorien-
tierte Abgeltung der Apotheker (LOA) doch besser auf die
individuellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmt werden.
Qualität und Sicherheit der medikamentösen Therapie könn-
ten so verbessert werden, war seine Feststellung. Wir nehmen
dies zur Kenntnis und hoffen, dass die Helsana im selben Stil
und Ton auch für die SD-Ärzte einsteht. Bei allem Respekt für
die interprofessionelle Zusammenarbeit, ohne Ärzte haben es
letztlich auch die Apotheker sehr schwer.
L
Dr. Sven Bradke Geschäftsführer APA
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