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Rauchabstinenz
Was hilft nach EBM-Kriterien?
BRITISH MEDICAL JOURNAL
Nach strengen Evidenzkrite-
rien hat eine Arbeitsgruppe
des «British Medical Journal»
die Nutzen von Verfahren
zum Nikotinentzug bewertet.
Die Haupterkenntnisse sind
im Folgenden zusammen-
gefasst.
Traut man den Umfragen, dann ist die Bereitschaft, dauerhaft vom Glimmstängel zu lassen, unter den Rauchern merklich gewachsen. Allerdings ist Nikotin ein starkes Suchtmittel, und die Erfolgsaussichten dauerhafter Abstinenz sind zwar vorhanden, aber insgesamt doch eher gering. Bekannt ist, dass nur etwa 5 bis 10 Prozent dauerhaft das Rauchen aufgeben. Dabei scheint sich zu zeigen, dass es nicht immer der beste Weg ist, von heute auf morgen ganz von den Zigaretten zu lassen; für manche erscheint es Erfolg versprechender, allmählich weniger Zigaretten zu rauchen, also den Weg der kleinen Schritte einzuschlagen. Das hat auch eine Studie des Lungenzentrums Hirslanden bestätigt (AM 21.03, S. 1091). Sicher ist, das der Wille allein nur selten zum Erfolg führt. Um die Chancen zu optimieren, sind deshalb Strategien gefragt. Welche davon wirksam sind und welche nicht, wird im «British Medical Journal» vorgestellt, anhand strenger Evidenzkriterien.
Wirksame Massnahmen
Beratung und Unterstützung: Eine wichtige Rolle kommt nachweislich den Ärzten zu. Studien zufolge lohnt es sich, den Patienten zu motivieren und ihn intensiv zu betreuen – am besten verhaltenstherapeutisch in eigens festgelegten Therapiesitzungen. Die alleinige Aufforderung, doch endlich das Rauchen sein zu lassen, führt kaum zum Ziel. Bei der Beratung geht es auch darum, neben den enormen Gesundheitsvorteilen der Abstinenz die zu erwartenden kurzfristigen, sehr unangenehmen Entzugsprobleme zu besprechen. Dazu gehört insbesondere die Gewichtszunahme, die durchschnittlich etwa vier bis sechs Kilogramm beträgt. Viele Neuabstinenzler klagen zudem über Konzentrationsschwäche, schlechte Stimmung, manche leiden Angst und schlafen schlecht. Nikotinersatzmittel: Die unangenehmen Entzugssymptome werden durch den abrupten Abfall des Nikotinspiegels hervorgerufen. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass durch Einsatz von Nikotinersatzmitteln (z.B. Nikotinkaugummi, Nikotinpflaster, Nikotininhaler und Nasensprays) die schlimmsten Entzugssymptome gemildert werden können. Letztlich lässt sich mit Nikotinersatzmitteln die Zahl der Langzeitabstinenten fast verdoppeln, von 10 auf 17 Prozent. Die Nikotinsubstitution ist also keinesfalls ein Garant für eine Rauchabstinenz, erhöht aber immerhin die Chancen. Die Wahl des Ersatzmittels sollte dem Raucher selbst überlassen werden, da Wirksamkeitsunterschiede zwischen den verschiedenen Optionen nicht signifikant sind. Wichtig: Nikotinersatzpräparate wirken am besten zusammen mit begleitenden Massnahmen. Bupropion: Das Antidepressivum Bupropion (Zyban®) hilft bei der Raucherent-
Merk-
sätze
q Wirksame Massnahmen zur Raucherentwöhnung sind (ärztliche) Beratung und Unterstützung sowie Nikotinersatzpräparate und Bupropion.
q Der Nutzen von Bewegungsprogrammen ist unklar.
q Akupunktur und Anxiolytika sind weit gehend nutzlos.
wöhnung unabhängig davon, ob eine Depression vorliegt oder nicht. Das bestätigen die durchgeführten Studien nach sechs bis zwölf Monaten. Ein Rückfall nach einem Jahr Beobachtungsdauer wird aber nicht signifikant verhindert. Das Medikament hat einige Nebenwirkungen; am häufigsten klagen die Patienten über Schlafstörungen, trockenen Mund und Übelkeit. Bupropion kann auch zu Anfällen führen und ist bei entsprechenden Risikopatienten kontraindiziert. Auch darf es nicht zusammen mit MAO-Hemmern eingesetzt werden.
Therapien mit unklarem Nutzen
Bewegung: Körperliche Aktivität kann den Entwöhnungswilligen eine Hilfe sein, allerdings ist die Evidenz in den einschlägigen Studien limitiert. Die meisten Programme basieren auf 30-minütigen aeroben Übungseinheiten zusammen mit Verhaltenstechniken, welche darauf angelegt sind, die Patienten bei der Stange zu halten.
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Rauchabstinenz
Ausbildung: Die gezielte Ausbildung von Ärzten und anderem Fachpersonal führt dazu, dass diese den Rauchern viel häufiger Interventionen zur Rauchabstinenz anbieten. Dass darüber hinaus durch die erworbenen Kenntnisse auch die Erfolgsaussichten der Entwöhnungswilligen steigen, ist bislang nicht gezeigt worden.
Unwirksame Therapien
Akupunktur in ihren verschiedenen Varianten hat sich nicht als hilfreich erwiesen,
wenn man sie mit einer Scheinakupunktur vergleicht (bei der die Nadeln die Haut nicht penetrieren), Akupunktur ist aber initial besser als überhaupt keine therapeutische Unterstützung. Anxiolytika: sind unwirksam. Sie erhöhen die Abstinenzraten nicht, wenn keine Angsterkrankungen vorliegen, wie dies in den zugrunde liegenden Studien (z.B. mit Buspiron, Diazepam, Doxepin und Ondansetron) der Fall war. Möglicherweise sind die Aussichten etwas günstiger bei Patienten mit ausgeprägten Angstsymptomen. q
Anjali Jain: Treating nicotine addiction. BMJ 2003; 327:1394–1395. Mehr Informationen sind erhältlich unter: www.besttreatment.org/nicotine
Uwe Beise
Interessenkonflikte: keine deklariert
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