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KONGRESSBERICHT
CT-Screening zur Lungenkrebsfrüherkennung
Evidenz, Nutzen und Umsetzung
Das niedrigdosierte Computer-Tomografie-Screening ist laut aktuellen Studien eine wirksame Präventionsstrategie gegen Lungenkrebs, mit stärkerem Nutzen als jede Form der Rauchstopp-Intervention. Auf Basis dieser Evidenz steigt auch die Zahl entsprechender Programme in Europa.
So konnte beispielsweise gezeigt werden, dass ein einmaliges computertomografisches (CT)-Screening für Personen mit erhöhtem Risiko (= aktuelle oder frühere Raucher) mehr gewonnene Lebensjahre abwirft als sämtliche Rauchstoppmassnahmen – «unabhängig davon, ob es sich bei den Massnahmen um eine Beratung online, telefonisch oder persönlich beziehungsweise um medikamentöse Massnahmen handelte», berichtete Prof. Harry J. de Koning vom Erasmus Medical Center in Rotterdam (1).
Dreifach höhere Sensitivität als Röntgen In Modellrechnungen war mit der Kombination aus Screening und webbasierter Beratung zu Rauchstopp ein Gewinn von 2,1 Lebensjahren zu erzielen, bei Kombination aus Screening und Rauchstopp-Pharmakotherapie sogar bis zu 7,8 Jahre (1). Für Prof. de Koning ist klar: «Menschen über 50 Jahre, die aktuell oder früher geraucht haben, sollten sich einem CT-Screening unterziehen, und parallel weiterhin zum Rauchstopp motiviert werden.»
Warum ist das Screening so wirksam? Die niedrigdosierte CT (LDCT) hat eine «zwei- bis dreifach höhere Sensitivität als das klassische Thoraxröntgen» für den Nachweis von Lungenkarzinomen im Stadium I (9–64 % vs. 2,5–29%) (2). Zudem bestätigten mittlerweile zwei grosse randomisierte Studien eindrücklich den Mortalitätsvorteil: In NLST sank die Lungenkrebsmortalität bei Männern um 8% (Rate Ratio: 0,92) und bei Frauen um 27% (0,73), im NELSON-Trial sogar um 24 beziehungsweise 59% (3,4).
Hingegen scheinen Biomarker wie zellfreie zirkulierende Nukleinsäuren derzeit keine Alternative zu sein: In der entsprechenden Studie erreichte die Sensitivität für Lungenkrebs zwar insgesamt 74%, im Frühstadium jedoch lediglich 17% (5).
Der Nutzen des Screenings beschränkt sich übrigens nicht nur auf starke Raucher: Laut Analysen profitieren auch Menschen mit geringerer Tabakexposition («weniger PackYears»), teils mit noch stärkerer Mortalitätsreduktion (6). Der Effekt bleibt zudem unabhängig vom Zeitpunkt des Rauchstopps bestehen und ist etwas ausgeprägter, je länger die Abstinenz andauert (6). Und: Eine niederländische Modellrechnung prognostizierte allein durch das Screening in Hochrisikogruppen bis 2040 eine Reduktion der Lungenkrebssterblichkeit um rund 18% (1).
Auch eine Nutzen-Risiko-Bewertung liegt vor. Demnach stehen bei 100 000 getesteten Personen 500 verhinderte Todesfälle wegen Lungenkrebs und 5250 gewonnene Lebensjahre 67000 falsch-positiven Ergebnissen, 910 Biopsien für letztlich benigne Läsionen und 190 Überdiagnosen gegenüber (7).
Die veränderte Datenlage hat sich mittlerweile auch politisch niedergeschlagen, der Europäische Rat etwa gab 2022 eine «starke wissenschaftliche Basis für den Ausbau von Krebs-Screening-Programmen» an. Seitdem haben Kroatien und Tschechien ein nationales CT-Screeningprogramm eingeführt, in Polen, Italien und Ungarn laufen Pilotprojekte.
Unerwarteter Zusatznutzen Das grösste Programm startete im Vereinigten Königreich: Mehr als eine Million Einladungen wurden verschickt, etwa 20% unterzogen sich bereits dem CT-Scan (8). «Damit wurden 4500 Krebsfälle gefunden, was einer Nachweisrate von 1,3% entspricht; 62% davon waren in Stadium I.» Hier wurde auch ein offensichtlicher Zusatznutzen ersichtlich, denn in «42% der Scans traten relevante Zufallsbefunde auf, bei 32% wurde ein erhöhter koronarer Kalzium-Score (CAC) festgestellt; rund die Hälfte wäre für eine präventive Behandlung geeignet», kommentierte Prof. de Koning.
Aktuell untersucht der europaweite «4-in-the-Lung-RunTrial», wie sich weniger intensive Screeningregime implementieren liessen (etwa durch längere Intervalle > 1 Jahr bei initial unauffälligem Befund). Parallel dazu erforschen Projekte wie SOLACE («Strengthening the Screening of Lung Cancer in Europe») die Screeningakzeptanz bei Frauen, vulnerablen Gruppen und Personen mit Komorbiditäte, während sich LAPIN («Lung Cancer Screening and Prevention Internationally») zudem nicht tabakassoziierten Risikofaktoren wie der Radonexposition widmet.
Lydia Unger-Hunt
Quellen: ESMO 2025, «The state-of-the-art of personalised prevention», Samstag 18.10.2025
Referenzen: 1. De Nijs K et al.: Projected effectiveness of
lung cancer screening and concurrent smoking cessation support in the Netherlands. Eclinicalmedicine. 2024;71:102570.
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KONGRESSBERICHT
2. Ten Haaf K et al.: Lung cancer detectability by test, histology, stage, and gender: estimates from the NLST and the PLCO trials. CEBP. 2015;24:154-161.
3. NLST Research Team et al.: Reduced lung-cancer mortality with low-dose computed tomographic screening. N Engl J Med. 2011;365:395-409.
4. De Koning HJ et al.: Reduced lung-cancer mortality with Volume CT screening in a Randomized Trial. N Engl J Med. 2020;382:503-513.
5. https://www.clinicaltrials.gov/study/NCT02889978 6. Welz M et al.: A comparative analysis of heterogeneity in lung cancer
screening effectiveness in two randomised controlled trials. Nat Commun. 2025;16:8060 7. De Koning HJ et al.: Benefits and harms of computed tomography lung cancer screening strategies: a comparative modeling study for the U.S. Preventive Services Task Force. Ann Int Med. 2014;160:311-320 8. https://www.england.nhs.uk/publication/targeted-screening-for-lungcancer/
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