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BERICHTE ZUM SCHWERPUNKT
Gonorrhoe
Neue Antibiotika in Sicht
Die Gonorrhoe-Inzidenz steigt – aber auch die Resistenzraten gegen bewährte Antibiotika. Nach 30 Jahren sind erstmals wieder neue Antibiotika gegen den «Tripper» entwickelt worden: Gepotidacin und Zoliflodacin sind als orale Antibiotika bei unkomplizierter Gonorrhoe ebenso wirksam ist wie die derzeit empfohlene Standardtherapie aus Ceftriaxon plus Azithromycin.
Die Gonorrhoe (GO) zählt weltweit zu den häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen. Laut WHO infizieren sich jährlich etwa 82 Millionen Menschen – mit steigender Tendenz. Die zunehmende Antibiotikaresistenz von Neisseria gonorrhoeae erschwert die Behandlung erheblich: In mehreren Regionen der Welt wurden bereits multiresistente Stämme nachgewiesen. Die derzeit empfohlene duale Standardtherapie mit Ceftriaxon plus Azithromycin steht daher zunehmend unter Druck.
Bedarf an neuen Antibiotika steigt Vor diesem Hintergrund rückt die Entwicklung neuer Wirkstoffe in den Fokus. Gepotidacin, ein Triazaacenaphthylen-Derivat, wirkt durch Hemmung der bakteriellen DNA-Replikation. In früheren Studien zeigte es bakterizide Aktivität gegen gramnegative Erreger, darunter auch gegen ansonsten resistente Gonokokken. Auch bei unkomplizierten Harnwegsinfektionen hat es sich bereits als wirksam und gut verträglich erwiesen. In der Phase-III-Studie EAGLE-1 wurde nun untersucht, ob orales Gepotidacin bei unkomplizierter urogenitaler Gonorrhoe der etablierten Therapie nicht unterlegen ist – sowohl hinsichtlich Wirksamkeit als auch Verträglichkeit (1).
Gepotidacin versus Ceftriaxon plus Azithromycin Dr. Susanne Buder aus Berlin (D) stellte auf der diesjährigen Tagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft EAGLE-1 vor: In die multizentrische, offene Phase-III-Studie wurden 628 Patienten mit unkomplizierter urogenitaler Gonorrhoe eingeschlossen. Die randomisierte Zuteilung erfolgte 1:1 zu einer Einmaltherapie mit Ceftriaxon (500 mg i.m.) plus Azithromycin (1 g p.o.) oder zu einer oralen Therapie mit zwei Dosen Gepotidacin (jeweils 3000 mg oral im Abstand von 10–12 Stunden).
Primärer Endpunkt war der mikrobiologische Behandlungserfolg, definiert als kulturbestätigte bakterielle Eradikation von N. gonorrhoeae im Urogenitaltrakt zwischen Tag 4 und 8. Bei der mikrobiologischen Auswertung konnte bei den mit Gepotidacin-behandelten Patienten eine Erfolgsrate von 92,6% erzielt werden, unter Ceftriaxon plus Azithromycin waren es 91,2%. Die adjustierte Differenz betrug -0,1%, womit die Nichtunterlegenheit formal belegt wurde.
Bei keinem Teilnehmer konnten nach der Behandlung persistierende urogenitale Gonokokken nachgewiesen werden.
Unerwünschte Ereignisse traten in der Gepotidacin-Gruppe häufiger auf, hauptsächlich gastrointestinale Beschwerden; diese waren jedoch überwiegend leicht bis mässig ausgeprägt. Schwerwiegende therapieassoziierte Nebenwirkungen wurden nicht beobachtet.
Frau Dr. Buder zeigte bei aller Freude über die neue Therapieoption auch Nachteile auf: So ergab sich bei der Subgruppen-Auswertung bei den urogenitalen und den rektalen Infektionen keine posttherapeutische bakterielle Persistenz – bei pharyngealer Gonorrhoe jedoch lag das Therapie-Ansprechen nur bei 88%. Auch bei den Nebenwirkungen traten ausser den bei Antibiotika erwartbaren unerwünschten Ereignissen Durchfall, Übelkeit, Kopfschmerzen und vaginalen Candidosen auch kardiale Nebenwirkungen (QT-Verlängerung) und Leber- sowie Nierenfunktionsstörungen auf. Mittlerweile ist Gepotidacin in den USA für die Behandlung von unkomplizierten Harnwegsentzündungen zugelassen (Markteinführung voraussichtlich im 2. Halbjahr 2025), die Zulassung für GO steht noch aus.
Zoliflodacin ähnlich wirksam wie die Standardtherapie Noch ein zweites Antibiotikum gegen Gonorrhoe ist in der Pipeline: Zoliflodacin. Das First-in-Class-Antibiotikum vom Typ Spiropyrimidintrion hemmt ebenfalls die Topoisomerase und somit die DNA-Replikation der Erreger. Frau Dr. Buder berichtete von einer Phase-III-Studie mit 930 GO-Patienten, bei der Wirksamkeit und Sicherheit einer Einzeldosis Zoliflodacin (3 g oral) mit 500 mg Ceftriaxon intramuskulär plus 1 g Azithromycin oral verglichen wurde (2). Ergebnis: Mit einer Heilungsrate von 90,9% war Zoliflodacin der Standard-Kombination (96,2%) nicht unterlegen. In beiden Gruppen waren auch die pharyngealen und rektalen Heilungsraten etwa gleich gut. Zoliflodacin wurde gut vertragen, es gab keine schwerwiegenden unerwünschten Ereignisse, was sein Potenzial als neue Behandlung für arzneimittelresistente Gonorrhoe unterstreicht, so Dr. Buder. Zoliflodacin ist derzeit bei der US-amerikanischen Zulassungsbehörde FDA in der vorrangigen Prüfung.
Angelika Ramm-Fischer Quelle: Session «Anogenitale Erkrankungen» bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie (DDG) 2025, am 1. Mai 2025 in Berlin.
dermatologie & ästhetische medizin 3 | 2025
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BERICHTE ZUM SCHWERPUNKT
Referenzen: 1. Ross J et al.: Oral gepotidacin for the treatment of uncomplicated
urogenital gonorrhoea (EAGLE-1): a phase 3 randomised, open-label, non-inferiority, multicentre study, The Lancet 2025; 405(10489):1608-1620. 2. Luckey A et al.: Oral zoliflodacin is non-inferior to a combination of ceftriaxone and azithromycin for treatment of uncomplicated urogenital gonorrhoea: results of a large global Phase 3 randomised controlled trial. Präsentation beim European Society of Clinical Microbiology and Infectious Disease Global Congress. 27.-30. April 2024 in Barcelona (Spanien). Online auf https://gardp.org/wp-content/uploads/2024/04/Zoli001-Topline-ECCMID2024_final_ V1.0_23Apr2024_.pdf
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