Transkript
STUDIE REFERIERT
Malignes Melanom
Neue Medikamente unter der Lupe
Norwegische Wissenschaftler haben die neuen Therapien, die heute zur Behandlung des fortgeschrittenen malignen Melanoms zur Verfügung stehen, im Rahmen eines systematischen Reviews auf ihre Wirksamkeit und Kosteneffizienz untersucht.
BMJ Open
Norwegen gehört weltweit zu den Ländern mit der höchsten Melanomrate. 2013 erkrankten 1719 Menschen daran. Das maligne Melanom ist die Krebsart mit der höchsten Zuwachsrate in Norwegen. In der Altersgruppe der 15- bis 49-Jährigen ist der schwarze Hautkrebs bei beiden Geschlechtern die zweithäufigste Form von Krebs. In 5 bis 10 der Fälle spielt die Familienanamnese eine Rolle. Die operative Entfernung des Tumors ist heute die einzige Primärbehandlung, die bei frühzeitiger Diagnose und fachgerechter Tumorexzision bei 80 bis 90 Prozent der Patienten zu einer Heilung führt. 10 bis 20 Prozent der Patienten erkranken erneut an einem Tumor, der lokal/regional auftreten oder zur Bildung von Metastasen führen kann. Die Prognosen für ein metastasierendes malignes Melanom sind schlecht. In Norwegen betrug die Fünfjahres-Überlebensrate im Zeitraum zwischen 2009 und 2013 bei Männern mit Fernmetastasen 12,3 Prozent und bei Frauen 24,5 Prozent.
Sieben neue Wirkstoffe
Bis vor wenigen Jahren war Dacarbazin der einzige Wirkstoff zur Behandlung von Patienten mit metastasierendem schwarzen Hautkrebs. Die Rate des Ansprechens auf diese Chemotherapie ist jedoch tief. Zudem hat sich Dacarbazin nicht als lebensverlängernde Massnahme erwiesen. Seit wenigen Jahren sind nun neue Wirkstoffe auf dem Markt erhältlich. Aufgrund der zunehmenden klinischen Erfahrung damit hat sich die Therapie des fortgeschrittenen malignen Melanoms in den letzten 2 bis 3 Jahren verändert. Die sieben neuen Wirkstoffe, die die norwegischen Forscherinnen in ihrem Review mit dem Zytostatikum Dacarbazin verglichen haben, lassen sich bezüglich ihres Wirkmechanismus in drei Kategorien aufteilen:
L Ipilimumab, Nivolumab und Pembrolizumab sind monoklonale Antikörper mit zytotoxischen und antitumoralen Eigenschaften, die die T-Zell-vermittelte Immunantwort durch Bindung an CTLA-4 (cytotoxic T-lymphocyteassociated protein 4) verstärken.
L Dabrafenib und Vemurafenib gehören zur Gruppe der BRAF-Hemmer. Ihre Wirkung beruht auf der Hemmung der mutierten Serin-ThreoninKinase B-Raf (rapidly accelerated fibrosarcoma).
L Cobimetinib und Trametinib sind Kinasehemmer aus der Gruppe der MEK-(«mitogen-activated protein kinase»-)Inhibitoren, die als Monotherapie oder auch in Kombination mit BRAF-Inhibitoren zur Behandlung eines fortgeschrittenen Melanoms mit der BRAF-V600-Mutation eingesetzt werden. Sie verstärken den Effekt der BRAF-Hemmer.
Review von Daten aus Multizenterstudien mit insgesamt 7482 Patienten
Für ihren Review untersuchten die Wissenschaftler die Daten von insgesamt 17 randomisierten, kontrollierten Studien, an denen 7482 Patienten mit fortgeschrittenem schwarzen Hautkrebs teilgenommen hatten. Bei allen Studien handelte es sich um multizentrische Untersuchungen, die vor allem in Nordamerika und in Europa durchgeführt wurden. Die 17 Studien wurden zwischen 2010 und 2015 in über 40 Publikationen veröffentlicht. Das Mindestalter der Patienten war 18 Jahre, und das Durchschnittsalter der Teilnehmenden variierte zwischen 49 und 67 Jahren. 10 von 17 Studien wurden an Patienten durchgeführt, die zuvor noch keine Therapie erhalten hatten. An 3 Studien nahmen Patienten teil, die zuvor bereits behandelt worden waren. 4 Studien schlossen sowohl vorgängig behandelte als auch unbehandelte Teilnehmende ein.
Medikamentenkombinationen im Vorteil
Verglich man alle medikamentösen Therapien, erzielten Nivolumab und Pembrolizumab, Nivolumab, kombiniert mit Ipilimumab, Vemurafenib, kombiniert mit Cobimetinib, sowie Dabrafenib, kombiniert mit Trametinib, eine bessere Überlebensrate nach 2 Jahren als Monotherapien mit Ipilimumab oder BRAF/MEK-Hemmern. Der Einsatz von Dabrafenib in Kombination mit Trametinib und Vemurafenib in Kombination mit Cobimetinib erhöhte die Wahrscheinlichkeit für progressionsfreies Überleben im Vergleich zu den Immuntherapien und den Monotherapien mit BRAF- und MEK-Hemmern. Bezüglich des progressionsfreien Überlebens schnitt Ipilimumab schlechter ab als eine Monotherapie mit BRAFHemmern sowie eine Kombinationtherapie mit BRAF- und MEK-Hemmern. Bei Pembrolizumab und Nivolumab scheint die Wahrscheinlichkeit für weniger schwerwiegende Nebenwirkungen höher zu sein als bei anderen Behandlungsstrategien. Die beiden neuen Immuntherapien Nivolumab und Pembrolizumab sind wirksamer, gleichzeitig aber auch teurer als Ipilimumab. In der Gruppe der BRAF- oder MEK-Hemmer ist keine Monotherapie (Dabrafenib, Vemurafenib, Trametinib) überlegen. Dasselbe trifft auf alle Kombinationstherapien mit BRAF- und MEK-Hemmern (Dabrafenib und Trametinib oder Vemurafenib und Cobimetinib) zu. Allerdings führen die kombinierten Therapien eher zu einem höheren Gewinn an qualitätsadjustierten Lebensjahren. SSM L
Quelle: Pike E et al.: Multiple treatment comparison of seven new drugs for patients with advanced malignant melanoma: a systematic review and health economic decision model in a Norwegian setting. BMJ Open 2017; 7: e014880.
Interessenlage: Die Autoren des referierten Reviews haben keine Interessenkonflikte deklariert.
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ARS MEDICI 9 | 2018