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ENDOKRINOLOGIE
Insulin zusätzlich zu oder anstelle von GLP-1-RA?
In einer Real-World-Studie konnte die glykämische Kontrolle von Diabetes-Typ-2-Patienten bei unzureichendem Ansprechen auf GLP-1-Rezeptor-Agonisten durch Hinzufügen von Insulin signifikant verbessert werden. Ein Wechsel von GLP-1-Rezeptor-Agonisten zu Insulin war dagegen nicht mit einer Reduktion des HbA1c-Werts verbunden.
Mit einer guten Kontrolle der Hyperglykämie und der damit verbundenen Risikofaktoren kann bei Patienten mit Typ-2-Diabetes das Risiko für mikround makrovaskuläre Komplikationen gesenkt werden. Eine antihyperglykämische Behandlung sollte daher auch kardiovaskuläre Risikofaktoren wie das Körpergewicht, den Blutdruck und die Lipidwerte günstig beeinflussen. Orale GLP-(«glucagon-like peptide»-)1Rezeptor-Agonisten (GLP-1-RA) erfüllen diese Anforderungen. Die Kombination aus GLP-1-RA und Insulin ist aufgrund der komplementären glykämischen Wirkmechanismen eine vielversprechende Option. Beide Medikamentenklassen beeinflussen auch das Körpergewicht – allerdings gegenläufig. Während GLP-1-RA mit einer signifikanten Gewichtsabnahme verbunden sind, führt Insulin zur Gewichtszunahme. Die Intensivierung einer Insulintherapie mit einem GLP-1-RA – statt eines zusätzlichen prandialen Insulins – hat sich als wirksame Strategie erwiesen und wird derzeit auch in internationalen Richtlinien empfohlen. Umgekehrt intensivieren aber auch viele Patienten, die mit GLP-1-RA begonnen haben, ihre glykämische Behandlung durch Hinzufügen von Insulin oder durch einen Wechsel zu Insulin.
Real-World-Studie
Olga Montvida vom QIMR Berghofer Medical Research Institute in Brisbane (Australien) und ihre Arbeitsgruppe untersuchten in einer longitudinalen Kohortenstudie die Wirksamkeit der Ergänzung des GLP-1-RA mit Insulin und des Wechsels zu Insulin im Hinblick auf die glykämische Kontrolle und auf kardiovaskuläre Risikofaktoren. Dazu evaluierten sie die Veränderungen des HbA1c-Werts, des Körpergewichts, des Blutdrucks und der LDL(«low-density lipoprotein»-)CholesterinWerte in einem Zeitraum von 6, 12 und
24 Monaten nach Behandlungsbeginn mit dem GLP-1-RA. Des Weiteren untersuchten die Forscher, ob eine frühzeitige Intensivierung mit zusätzlichem Insulin mit einem ausgeprägteren glykämischen Nutzen verbunden ist als ein späteres Hinzufügen von Insulin. Zunächst identifizierten die Forscher mithilfe der Datenbank Centricity Electronic Medical Record (CEMR) 66 583 Patienten in einem durchschnittlichen Alter von 56 (11) Jahren, die seit mindestens 6 Monaten mit den GLP-1-RA Exenatid (Byetta®, Bydureon®) oder Liraglutid (Victoza®) behandelt wurden und zuvor noch kein Insulin erhalten hatten. In dieser Kohorte fügten 39 599 Personen dem GLP-1-RA ein Insulinpräparat hinzu, und 4706 Patienten wechselten nach Beendigung der GLP-1RA-Behandlung zu Insulin.
GLP-1-RA plus Insulin verbessert glykämische Kontrolle
Bei Personen, die ihre GLP-1-RA-Behandlung innerhalb des Beobachtungszeitraums unverändert fortsetzten, war die ausgeprägteste Veränderung des HbA1c-Ausgangswerts (durchschnittlich 8,2%) nach 6 Monaten erreicht (−0,73%; 95%-Konfidenzintervall [KI]: −0,73 bis −0,71). Eine weitere Verbesserung der glykämischen Kontrolle wurde im Verlauf der 24 Monate nicht erzielt. Bei Diabetespatienten, die ihrem GLP1-RA ein Insulinpräparat (basal, biphasisch oder prandial) hinzufügten, betrug der HbA1c-Ausgangswert 8,3 Prozent. Zum Zeitpunkt der Intensivierung mit zusätzlichem Insulin war der HbA1cWert auf 8,8 Prozent angestiegen. Innerhalb der 24 Monate verringerte sich der HbA1c-Wert signifikant um durchschnittlich 0,55 Prozent. Patienten, die das Insulinpräparat innerhalb der ersten 6 Monate hinzufügten, hatten nach 24 Monaten jedoch eine signifikant ausgeprägtere adjustierte Reduzierung des HbA1c-Werts erreicht (−0,58%) als
Personen, die das Insulin erst nach
12 Monaten zufügten (−0,41%). Des
Weiteren war die Ergänzung des GLP-
1-RA mit Insulin innerhalb der ersten
6 Monate mit einer um 18 Prozent
höheren Wahrscheinlichkeit verbunden,
nach 24 Monaten einen HbA1c-Wert
< 7 Prozent zu erreichen, als ein späte- rer Beginn mit zusätzlichem Insulin. Patienten, die nach Beendigung der GLP-1-RA-Behandlung zu Insulin wech- selten, wiesen bei Studienbeginn einen durchschnittlichen HbA1c-Wert von 8,5 Prozent auf. Bis zum Zeitpunkt des Wechsels zu Insulin war der HbA1c- Wert auf 9,3 Prozent angestiegen. Diese Patienten erzielten im Verlauf der 24 Monate keine Verbesserung der glyk- ämischen Kontrolle. Innerhalb der 24 Monate wurde – un- abhängig von einer Intensivierung mit Insulin – eine adjustierte durchschnitt- liche Senkung des Körpergewichts um 3 kg, des systolischen Blutdrucks um 3 mmHg und des LDL-Cholesterins um 0,2 mmol/l beobachtet. Bei den Perso- nen, die zu Insulin wechselten, blieben der Blutdruck und die durchschnitt- lichen LDL-Cholesterin-Werte weitge- hend unverändert. L Petra Stölting Quelle: Montvida O et al.: Addition of or switch to insulin therapy in people treated with glucagon-like peptide-1 receptor agonists: a real-world study in 66 583 patients. Diabetes Obes Metab 2017; 19(1): 108–117. Interessenlage: Drei der fünf Autoren der referierten Studie haben Gelder von verschiedenen Pharmaunternehmen erhalten. Die beiden anderen erklären, dass keine Interessenkonflikte vorliegen. 4 ARS MEDICI DOSSIER I | 2018