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Editorial
Kaum eine medizinische Fachgesellschaft finanziert ihre Aktivitäten ohne Sponsoren, doch sorgt dies zunehmend für ein gewisses Unbehagen, denn Interessenkonflikte sind vorprogrammiert. Kürzlich publizierten namhafte Mediziner in der Zeitschrift «JAMA» ein Positionspapier mit einer Reihe von Forderungen, die vieles infrage stellen was hierzulande beim Sponsoring noch durchaus üblich ist. Strikte Unabhängigkeit fordern die «JAMA»-Autoren insbesondere von den leitenden Gremien einer medizinischen Fachgesellschaft. So sollen Präsidenten, Vorstandsmitglieder und die Verantwortlichen von Richtlinienkommissionen während ihrer Amtszeit gar keine Sponsorengelder
Teil des offiziellen Tagungsprogramms einer Fachgesellschaft sein. Unbedenklich sind hingegen Einnahmequellen wie der Verkauf von Pharmainseraten in Fachzeitschriften und Standflächen für die Industrieausstellung am Kongress. Allerdings fordern die
Null Sponsoring
mehr annehmen und Industriesponsoring beim Erstellen von Richtlinien ist tabu. Dabei sind die Unterzeichner des Positionspapiers keineswegs Pharmagegner. Ausdrücklich betonen sie, dass die Industrie einen wichtigen Beitrag zum medizinischen Fortschritt leiste und es unter bestimmten Voraussetzungen durchaus sinnvoll sei, wenn Fachgesellschaften mit der Industrie bei der Forschung und Entwicklung neuer Produkte kooperierten. Die Agenda bestimmen dürften die Firmen aber künftig nicht mehr, indem sie beispielsweise «unrestricted grants» nicht wirklich frei, sondern nur projektbezogen gewährten. Satellitensymposien stehen ebenfalls auf der schwarzen Liste der «JAMA»-Autoren. Die dort vermittelten Informationen seien zwar nicht notwendigerweise inkorrekt, doch dürfe man nicht vergessen, dass diese Veranstaltungen Teil der Marketingstrategie der Unternehmen sind. Darum hätten Satellitensymposien in Kongressräumlichkeiten nichts zu suchen und dürften auch nicht
«JAMA»-Autoren, dass Kongressteilnehmer die freie Wahl haben, eine Industrieausstellung zu besuchen oder nicht. Das zwangsweise Durchqueren auf dem Weg zum Auditorium oder die Platzierung der Kongressverpflegung inmitten der Ausstellung – es gibt in Schweiz mittlerweile Kongresse, an denen die Verpflegung sogar nur noch direkt an den Ständen zu bekommen ist – würden dann der Vergangenheit angehören. Zwar ist die Gestaltung der Kongressumgebung nur eine Äusserlichkeit und kein vergleichbar hartes Unabhängigkeitskriterium wie die anderen Forderungen der kritischen US-Mediziner, angenehm für die Kongressteilnehmer wäre die Wahlfreiheit allemal.
Renate Bonifer
Rothman D.J. et al.: Professional Medical Associations and Their Relationships With Industry. A Proposal for Controlling Conflict of Interest. JAMA 2009; 301 (13): 1367—1372.
ARS MEDICI 8 ■ 2009 305